laut.de-Kritik
Akustischer Kuraufenthalt in der mongolischen Steppe.
Review von Dani FrommSich im siebten bis neunten Kreis der Hölle zwischen Möchtegerngangstern und Castingsternchen ein gesundes Gemüt zu bewahren, fällt nicht immer leicht. Es empfiehlt sich daher dringend, ab und an einen akustischen Kuraufenthalt in der mongolischen Steppe einzulegen.
Um sich dort qualifiziert das Gehör freiblasen zu lassen, gerät man bei Sedaa stets an die richtige Adresse. Die Mitglieder der mongolisch-persischen Formation haben mittlerweile zwar in Deutschland und Österreich eine neue Heimat gefunden. Von ihren kulturellen Wurzeln haben sie sich deswegen aber noch lange nicht verabschiedet.
Zentralasiatische und orientalische Klänge stehen unbeirrt im Mittelpunkt des Schaffens, auch wenn Sedaa - der Albumtitel deutet es an - neue Wege beschreiten und ihre Fühler mehr und mehr gen Westen ausstrecken. Behutsam, ohne dabei den betörend fremdartigen Charakter ihrer Musik zu beschädigen.
Vielmehr reichen sich Orient und Okzident auf "New Ways" aufgeschlossen die Hände. Gastmusiker Stephan Emig schlägt, zum Glück kein bisschen aufdringlich, eine Brücke mit seinem Schlagzeugspiel. Seine Drums bieten dem Ohr, zusammen mit immer wieder eingestreuten Gitarren, vertraute Ankerpunkte neben allgegenwärtigen Pferdekopfgeigen und den mongolischen Entsprechungen von Bass, Oboe und Dulcimer.
Wellenartig wiederkehrende Motive spiegeln den ewigen Kreislauf der Natur, die Weite der Landschaft. Im Einklang aus filigranem Saitenspiel und getragenen Tönen klingen zugleich Stabilität und Zartheit an. Sedaas Musik beschwört unmittelbar Bilder von Wasser herauf, das über rundgeschliffene Kiesel perlt, von galoppierenden Pferden und dem Wind, der dem Reiter um die Nase weht.
Abseits eingefahrener Hörgewohnheiten lässt es sich prächtig assoziieren. Nichts sattsam Bekanntes schränkt den Interpretationsspielraum ein. Stattdessen sprechen Sedaa Urinstinkte an, bringen vegetative Nervenbahnen zum Schwingen.
Rein instrumentale Stücke wie "Wind Chimes" bleiben die Ausnahme. Das faszinierende Zentrum bildet der Gesang - nicht umsonst wählte die Gruppe das persische Wort für Stimme als Namen. Die Kunstfertigkeit, mit der in ihrer Heimat klassisch ausgebildete Sänger eine Vielzahl von Obertongesangstechniken präsentieren, verschlägt immer wieder aufs Neue die Sprache.
Sobald sich über dem Gesang das Klingeling pfeifender Obertöne erhebt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Kaum zu glauben, dass dieses Stimmband-Glockenspiel - behaupten Fachleute - in nahezu jeder menschlichen Kehle verborgen sein soll. Die meisten haben nur nie erlernt, es zu bedienen.
Was in dieser Hinsicht etwa "Donya" auffährt, oder "Sedaa" ... wie soll man das nennen? Steppen-Rap? Nomaden-Country? Ich bleibe bei der Beschreibung, die ich bereits einem früheren Sedaa-Werk zuerkannte: Weltmusik - im wahrsten aller Wortsinne.
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