laut.de-Kritik
Glanzlose Wiederbelebung überholter R'n'B-Tugenden.
Review von Toni HennigDie Frauenband TLC aus Atlanta hat im Laufe ihrer rund 25-jährigen Karriere mehr als 65 Millionen Tonträger verkauft. R'n'B-Hits wie "Waterfalls" und "No Scrubs" kennt jeder, der das MTV-Zeitalter miterlebt hat, in- und auswendig. Dass Alicia Keys und Beyoncé zu feministischen Pop-Ikonen aufsteigen konnten, hat man ihnen zu verdanken. Aufgrund des Unfalltodes von Lisa "Left Eye" Lopes 2002 schlagen sich Tionne 'T-Boz' Watkins und Rozonda 'Chilli' Thomas mittlerweile als Duo durch das harte Musikgeschäft. Anlässlich ihres selbstbetitelten Abschiedsalbums rufen sie, um die Produktionskosten zu decken, eine Kickstarterkampagne ins Leben. Diese Platte widmen sie dabei vor allem ihren Fans.
Der Opener "No Introduction" gerät mit seinen verschleppten Hip Hop-Beats und den Rap-Einlagen der beiden Mittvierzigerinnen recht vielversprechend. Das wilde und freche Charisma von Lisa 'Left Eye' Lopes beschwört dieser Song auf angenehme Weise herauf. Den nächsten rund 35 Minuten blickt man zunächst neugierig und optimistisch entgegen.
Erste Ermüdungserscheinungen weist jedoch schon das anschließende "Way Back" auf. Das G-Funk-Fundament klingt unter jetzigen Gesichtspunkten um Lichtjahre überholt und Snoop Dogg sprudelt bei seinem Einsatz auch nicht unbedingt vor Begeisterung. Genauso gut könnte er aus einem Telefonbuch rezitieren. Auf seinem letztjährigen Album "Coolaid" wäre diese Nummer nicht besonders positiv oder negativ in Erinnerung geblieben. Wegen seiner einprägsamen Melodieführung zählt dieser Song aber immerhin zu den Höhepunkten auf dieser Scheibe.
Dagegen mutiert Bobby Hebbs Soul-Klassiker "Sunny" in "It's Sunny" zu einem grausigen Bubblegum-Pop-Track zum Fremdschämen und bildet zugleich den Tiefpunkt auf dieser Platte. "Haters" ruft lyrisch selbstbewusst dazu auf, seine Prinzipien nicht zu verraten. Allerdings strotzen die Arrangements der jungen Schreiber, die sich TLC bei einem Songwriter-Camp in L.A. zusammengesucht haben, nicht gerade vor Kraft. Die Produzentenriege um Ron Fair, D'Mile, Tipz und vielen weiteren ringt den einzelnen Nummern kaum Lebendigkeit und Frische ab.
In "Start A Fire" hört man nach eher harmlosen Akustikgitarren-Klängen entschleunigte Trap-Beats, fadet diesem modernen Anflug dennoch abrupt aus. Das Album blickt schließlich in eine R'n'B-Vergangenheit zurück, von der sich eine Mary J. Blige längst losgesagt hat. Vor mehr als zwei Dekaden schrieben Legenden wie Jermaine Dupri und Babyface für TLC nicht nur brillante Tracks wie "Creep" und "Switch", sondern definierten ebenso eine unnachahmliche Klangästhetik. An diesem Spirit kommt diese Scheibe aber zu keiner Sekunde mehr heran.
Dass T-Boz und Chilli mit harmonischen Doppelgesängen punkten können, beweist "Perfect Girls". Stimmlich agiert das Duo auf "TLC" nämlich weit unter ihren Möglichkeiten. An Variation mangelt es "American Gold", das sich drei Minuten auf ein- und derselben Tonlage bewegt. Wenn selbst eine B-Seite von Kelis "Scandalous" an Laszivität und Sexyness bei Weitem überstrahlt, bleibt von der einst so coolen Ästhetik dieser wegweisenden Band nicht mehr viel übrig.
Die zweite Hälfte auf diesem Album zieht sich weiterhin mangels kompositorisch spannender Ideen unnötig in die Länge. Man nimmt hier ein paar synthetische Bläser aus der Konserve in "Aye MuthaFucka" und da ein dezentes Gitarrensolo in "Joy Ride" wahr. Melodisch haben diese Songs keine nennenswerte Akzente zu bieten. Glanzlos verwaltet man die schwere Lücke, die sich nach dem Verlust von Lopes aufgetan hat.
Letztendlich hätte es diese Rückkehr oder den "Return", wie es TLC nennen, keineswegs gebraucht. Solange Knowles, SZA und Tinashe tragen ihren unabhängigen und selbstbestimmten Ansatz überzeugend in die Moderne. Die R'n'B-Szene spült aktuell so viele hervorragende Acts hervor wie seit den frühen 90ern nicht mehr. Ältere Routiniers wie Usher kehren mit starken Scheiben zurück. Hinsichtlich dieses musikalisch unterdurchschnittlichen Ergebnisses auf "TLC" hätte man als Supporter sein Geld weitaus sinnvoller investieren können.
6 Kommentare mit 4 Antworten
Ok laut.de, jetzt reicht es! Hausbesuch in der Redaktion durch den lautuser ist vorprogrammiert!!!
TLC sind WAHNSINNSfrauen! Was muss lauti eigentlich noch alles durchmachen?! >:^|
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Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Achtung molti, sonst führt lauti dich am Nasenring durch die manege wie einen Ochsen.
#drohli17
und das macht der wirklich!
#nasenring
Ich bin jetzt nicht der größte 90er-R&B-Kenner, aber TLC gehören neben Aaliyah, En Vogue und ein paar anderen zu der Handvoll Artists, die hier immer noch relativ regelmäßig laufen. Dass das Album so schlecht sein soll, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, auch wenn die Vorab-Tracks mich nicht umgehauen haben.
...da steht ja auch nicht, daß das Album schlecht wäre, sondern, daß es glanzlos ist...wenn man schon schreibt, daß einen "die Vorab-Tracks nicht umgehauen haben", sollte man das nachvollziehen können. Wenn es "einen nicht umhaut", ist es jedenfalls schonmal nicht wirklich gut- zur Promotion nimmt man die besten Tracks, und wenn DIE schon keinen Glanz haben...tja...dann wird es wohl nicht episch werden.
In der Review steht nicht, dass das Album in jeder Hinsicht schlecht ist, vermutlich verspielen sich die Musiker ja auch nicht pausenlos und es wird nicht unabsichtlich schief gesungen, aber die Wertung ist halt trotzdem die schlechtmöglichste. Ich fand die zwei Songs, die ich bisher gehört habe, halt schon okay. Ob der Rest dann derart unspannend ist, dass auch ich die niedrigste Wertung geben würde, werde ich die Tage herausfinden. Nach einer so langen Pause und ohne Left Eye erwarte ich übrigens auch nicht unbedingt, dass es "episch" wird, denn dafür sind die Maskuliner da.
Das Album könnten sie zusammen mit der letzten Scheibe von Janet Jackson verticken... RnB from yesterday. Aber na ja, der Lifestyle will bezahlt werden.