laut.de-Kritik
Am Ende bleibt eben das gute Gefühl.
Review von Rinko HeidrichMehr Vibe als Hits. So verhielt es sich mit dem Vorgänger "No Geography". Die Chemcial Brothers wagten erst gar nicht mehr den Wettbewerb oder den Anschluss an die augenblicklichen Trends. Ihre ganz eigene Party feiern sie seit Jahren unbeirrt mit einer Mischung aus Techno und wieder vermehrt psychedelischen Trips. Wie in den frühen 90er-Hacienda-Tagen, wie Jahre später als Exoten zwischen all den Rockstars auf den Festivals. Alles überlebt und immer noch dabei. Wie sagte schon der damals schwer erfolgreiche Big Beat-Kollege Fatboy Slim "You've Come A Long Way, Baby". Bald soll noch ein Buch über die dreißigjährige Geschichte über die beiden britischen Nerds erscheinen, die mit "Dig Your Own Hole" die Musikwelt aus den Angeln hoben und seitdem zurecht als Legenden gelten. Egal, dass es nun seit Jahren eher um die Verwaltung eines Erfolgrezeptes geht.
Das zehnte Album "For That Beautiful Feeling" steigt mit dem altbewährten Prinzip ein: Langsam ansteigendes Gebrumme, bis das Tempo und die Lautstärke den Hörer wieder in den Groove zwingen. 1992 funktionierte es schon, und nun auch wieder. In ihrem eigenen Königreich, genauer einem Studio in Südengland,, bauen sie stoisch weiter ihre 10000 Samples-, Filter- und Breakdance-Sounds. Dubstep, Hyperpop, Phunk und sonstige neueren Wellen finden keinen Weg über die Mauern, hinter denen immer noch partylike 1999 herrscht. In einem tanzenden Kollektiv "Goodbye" zum Alltag sagen und im Oldschool-House-Sound abspacen. Das schöne Gefühl, darum ging es und geht es immer noch. Willkommen im warmen Zuhause.
Überraschender dagegen "Fountain". Die 808-Beats, die Clavichords und der Falsett-Gesang erinnern stark an Pharrell Williams und seine Neptunes-Phase mit Produzentenkumpel Chad Hugo. Immerhin, neben den Neunzigern gelangt nun auch langsam die Y2K-Klangästhetik in das chemische Gebräu. So ganz nötig ist der Track nicht, aber lieb hat man dieses kindische Knöpfchen-Gedrücke doch, weil es einen intuitiven Spaß vermittelt. Die sonst eher mürrisch wirkenden Engländer, die Interviewpartner gerne mal mit ihrer demnonstrativen Bockigkeit auflaufen lassen, gehen es diesmal aber ganz entspannt an. Wie beide als Tom 'Top Dogg' Rowlands und Ed 'Fat Beat' Simons einfach lässig im Superthug-Style durch die Gegend cruisen, diese Vorstellung wirkt trotz sämtlicher Koops mit Rap-Künstlern wie Q-Tip ziemlich strange.
Ziemlich genau lässt sich jedenfalls festlegen, dass "The Weight", dem Namen entsprechend, ein ordentliches Kraftpaket in den Raum stellt. So komplett wie hier zurück zu den "Dig Your Own Hole"-Sounds, ging es bei aller Retro-Seligkeit schon länger nicht mehr. Wer nach blockrockenden Beats lechzt, bekommt nun wieder den Jam-Sound aus den Achtzigern. Aber doch ist das etwas anders, die damals üblichen Sirenen-Krawall-Effekte bleiben aus. Es soll eine Party bleiben, mit Spaß und keiner Eskalation. Kommt zusammen, habt Spaß, tanzt euch den Hintern ab, aber bleibt locker. Da darf auch Dauer-Kumpel-Beck in "Skipping Like A Stone" vorbei schauen und über Liebe und Tanzen singen. Entspannt den Cocktail auf das Twill-Hemd verschütten und den Nachbarn mit auffällig großen Pupillen dauerumarmen. Herrlich dumme Lyrics wie "I'm dancing in the shadow of love/Na-na, na-na, na-na, na" stören da auch nicht. Immer dem Feeling und nicht dem Gehirn nach.
Neo-Hippie-Romantik gab es schon immer bei dem Chemical Brothers, die ihre Sets gerne mit dem transzendierenden Beatles-Cover "Tomorrow Never Knows" anfangen. Räucherstäbchen-Romantik versprühte in den Neunzigern die Mazzy Star-Sängerin Hope Sandoval, nun darf die französische Songwriterin Halo Maud ein merkwürdig zufriedenstellendes Album mit der ruhigen Folktronic-Nummer "For That Beautiful Feeling" abschließen. Merkwürdig zufriefenstellend, weil Ed und Tom schon seit Jahren äußerst lazy vorgehen und einfach ihre bekannten Sound-Elemente durchwürfeln. Was soll's. Ein schmackhafter Klassiker bleibt eben schmackhaft und sättigt. Dieses heimelige Gefühl von Sonntagsbraten bei Oma verschafft das zehnte Album locker und manchmal reicht es auch einfach. Oder wie der Optimismus noch einmal in "The Darkness That Your Fear " mit seinem LSD-Lyrics unterstreicht: I'll be lovin' you/Let your heart see the colours. Keine Angst, wir bleiben für dich da und alles wieder gut. Von daher: Peace und her mit dem gutem Gefühl.
2 Kommentare
Läuft sehr flüssig durch. Gefällt mir gut!
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.