laut.de-Kritik
Hier wollten auch die Pet Shop Boys dabei sein.
Review von Jasmin LützTanzen ist in diesen Tagen besonders zu empfehlen. Und da bietet sich das neue Album von The Hidden Cameras durchaus an. Das kanadische Kollektiv steht seit 2001 in wechselnder Besetzung auf der Bühne. Sänger Joel Gibb zog 2015 von Toronto nach Berlin und ist der stabile Kopf seiner selbstkreierten "Gay Folk Church Music". Früher war mehr Folk- und Country-Gitarre ("Home On Native Land", 2016), heute ziehen seine Beats die Menschen vorwiegend in den Club auf die Tanzfläche.
"Bronto" kommt aus dem Griechischen und heißt "Donner". Kennt man aber auch aus dem Tierreich von Brontosaurus, der "Donnerechse". Der Name ist Programm, die ruhigeren Töne schimmern im Hintergrund, an prominenter Stelle stehen Sound und dynamische Beats. Es sind Hymnen des Widerstands und der selbstbestimmten Liebe. Seit fast 25 Jahren arbeitet Bandgründer Gibb aktiv am queeren Gegengewicht zu toxischer Männlichkeit in der Popindustrie und in der Clublandschaft. "Bronto" ist eine gelungene Mischung aus melancholischem Indie-Pop und Disco-Beats.
Bereits die erste Singleauskopplung überzeugt mit eingängiger Melodie, groovy Synthpop-Rhythmen und prominentem Remix der Pet Shop Boys. "How Do You Love" ist eine offene Auseinandersetzung mit Gefühlen und Verlustängsten. Der Club-Hit zum Klassiker der unerwiderten Liebe: "Why do you do that? When you say you don't want me / Confused by that / How can you say that you're over me".
Auch zur zweiten verflossenen Liebschaft "Undertow" gibt es einen 12"-Remix der Extraklasse: Vince Clarke (Yazoo, Erasure, Depeche Mode) sorgt für das 80s-Synth-Pop-Topping. Joel Gibb hatte noch nie Probleme damit, transparent über seine Identität, seine Emotionen und Begegnungen zu sprechen. Das unterstreicht die Authentizität des Musikers. Die Glaubwürdigkeit seiner Texte harmoniert mit den ausgetüftelten Soundstrukturen. "You Can Call" führt uns dabei durch die schlaflosen Nächte: "You can call me up in the middle of the night".
Instrumentale Songs wie "Full Cycle" klingen wie aus einem düsteren 1980er Sci-Fi-Film entsprungen. Das passt in die Elektronic-Beats-Parade und hebt Underground-House-Hymnen wie "Quantify" noch mal besonders hervor. Hier hört man besonders den Einfluss der Berliner Clubszene, die Joel nun schon einige Jahre erforscht. Gesanglich erinnert es auch immer mal wieder an die Falsettstimme von Jimmy Somerville (Bronski Beat, The Communards).
Reif für einen Western-Film-Soundtrack ist auch "Wie Wild". Mit leicht verspielten Keyboards setzt er hier Ennio Morricone mit einem Augenzwinkern ein kleines Denkmal. "State Of" eröffnet erneut den Dancefloor und lässt die Hüften bis zum nächsten Morgen schwingen. "Bronto" ist eine abwechslungsreiche Entertainment-Show geworden, empathisch und mit anhaltender Aufmerksamkeitsspanne.
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