laut.de-Kritik
Poppige Hits in playlisttauglicher Länge.
Review von Toni HennigTiësto veröffentlichte in den letzten drei Jahren einige groovige und poppige Hits, die zu Dauerbrennern in den Charts mutierten. Dennoch hatten einige Fans die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er sich auf "Drive" wieder vermehrt zu seinen Wurzeln bekennt, nachdem er beim letztjährigen Tomorrowland ein paar Trance-Klassiker zum Besten gab.
Dass dem nicht so ist, macht schon der Opener "All Nighter", der erst kürzlich als Single ausgekoppelt wurde, unmissverständlich deutlich. Die markanten Vocals von Sam Gray und die knackigen Beats führen nämlich direkt auf die Tanzfläche. Zudem kommt die Nummer auch noch ungemein flott daher. Da passt es, dass das Album von Visuals rund um das Thema Formel 1 begleitet wird.
"The Motto" mit Ava Max erschien schon vor rund eineinhalb Jahren als Single und verweilte ganze fünfzig Wochen lang in den deutschen Charts. Zurecht, geht der effektbeladene und äußerst effektive Track doch unmittelbar ins Ohr. "10:35", das Tate McRae singt, klingt dagegen etwas zurückgelehnter, stellte aber letztes Jahr trotzdem einen weiteren beachtlichen Charterfolg dar, wozu die großartige Hook sicherlich eine Menge beitrug. Danach folgt mit "The Business" der größte Hit des Niederländers. Wer von diesem Song noch nie etwas mitbekommen hat, muss die letzten drei Jahre im Koma gelegen haben.
Auch im weiteren Verlauf schert sich Tiësto so gut wie gar nicht darum, seine poppige Erfolgsformel auch nur ansatzweise zu variieren. Lediglich "Chills (LA Hills)", für das A Boogie Wit Da Hoodie Raps liefert, stellt mit einem trappigen Mittelteil und trancigen Synthies hier und da einen kurzen Ausreißer dar. Zudem benötigt das Stück knapp mehr als drei Minuten, um über die Ziellinie zu kommen, was auf der Platte eine absolute Seltenheit darstellt.
Die restlichen Tracks sind bis auf das noch längere "Bet My Dollar", für das Freya Ridings Vocals beisteuert und das über eine genauso großartige Hook wie "10:35" verfügt, auf eine playlisttaugliche Länge von rund zweieinhalb Minuten zurechtgestutzt. Aber wozu auch an der Erfolgsformel etwas ändern, wenn sie so hervorragend funktioniert wie auf dieser Scheibe?
Trotzdem gibt es auch zwei größere nennenswerte Schönheitsfehler auf diesem Album. Zum einen bekommt man es in der Mitte mit einem Rework von Black Eyed Peas' "Pump It Louder" zu tun, das sich der Niederländer im Grunde hätte sparen können, da sich das Ergebnis lediglich durch ein paar zusätzliche Stimmeffekte und ein paar geradlinige Dancebeats vom Original unterscheidet. Zum anderen dürfte der von Karol G geträllerte Refrain in "Don't Be Shy" selbst Mainstreamhörern zu banal sein. Der Song schaffte es in Deutschland, Großbritannien und den USA nämlich nicht mal in die Top 100.
Dafür leistet sich Tiësto auf der Zielgeraden keine Schwächen. In "Back Around" kommt durch die Vocals des Duos AR/CO und die präzisen Electro-Beats nächtliches Nightlife-Feeling nicht zu kurz. Zum Schluss kredenzt uns der Niederländer mit "Lay Low" noch eine lautstarke Hymne, deren kirchenchorartige Hook man gerne mitsingt. Letzten Endes sorgt die Platte also für eine Menge Kurzweil.
Trotzdem bleibt zu hoffen, dass sich der 54-Jährige nicht all zu sehr auf seinen Erfolgen ausruht. Dass er mehr kann, als Hitfutter für die Charts zu liefern, hat er nämlich gerade in seiner Anfangszeit Mitte der 90er bis Anfang der 00er unter verschiedenen Künstlernamen bewiesen, als er sich noch ganz auf progressiven und melodischen Trance konzentrierte.
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