laut.de-Kritik
Gelungene Aufbereitung Kraftwerks für die Festivalbühnen.
Review von Toni HennigVor zwei Jahren steuerte Wolfgang Flür für das U96-Album "Reboot" zwei Tracks bei. Schon damals stellten das nur noch aus Hayo Lewerentz und Ingo Hauss bestehende Techno-Projekt und der Ex-Kraftwerker eine gemeinsame Kollaborationsplatte in Aussicht. Nun haben wir mit "Transhuman" Gewissheit.
Schon das anfängliche Titelstück besitzt etwas Vertrautes, wenn einem "Computerwelt"-Synthies und Flürs Robotergesang begegnen. Zwischendurch hört man auch melodische Gesangslinien. Das folgende "Hamburg - Düsseldorf" verbindet kraftwerksche Electro-Pop-Klänge mit stampfenden Techno-Beats. Außerdem vernimmt man nicht mehr als zwei Worte. Hätte ohne das Gestampfe soundtechnisch genauso gut auf "The Mix" gepasst.
Wie eine Mischung aus "Computerwelt" und "The Mix" mit technoiderem Einschlag muss man sich diese Scheibe auch vorstellen. Sie klingt wie eine Aufbereitung Kraftwerks für die großen Festivalbühnen, was sich im weiteren Verlauf als gar nicht mal schlecht herausstellt, weisen die U96-Momente doch genug Electro-Anleihen auf, um sich mit den nostalgischen Tönen Flürs nicht zu beißen.
Nur bewegt sich das Werk manchmal zu sehr zwischen würdigem Tribut und schneller Geldmacherei. So hätte es eine weitere Verramschung von "Zukunftsmusik", die hier "Zukunftsmusik - Radiophonique" heißt, nicht gebraucht. Weiterhin hängen U96 noch mit "Let Yourself Go" einen Bonus-Track an, der zwar handwerklich sauberen Melodic House bietet, aber mit dem eigentlichen Album musikalisch in keinerlei Zusammenhang steht. Den gibt es noch als Beatsole-Remix zum Vorglühen fürs nächste Tomorrowland.
Ansonsten stören technoide Songs wie "Specimen" und "Clone" nicht das Klangbild, gehen sie mit ihrer Mischung aus Sequenzertönen und Rave-Momenten doch gut nach vorne. Trotzdem fällt die Platte in den Momenten besser aus, wenn sich U96 mit ihren Ideen zurückziehen und Flür das Feld überlassen, was glücklicherweise auch größtenteils geschieht. Dann entsteht auch mal ein schön vor sich hin pluckerndes und verträumtes Stück wie "Shifted Reality". Ebenso verbreiten der "Computerwelt"-Minimalismus in "Data Landscape" und die auf- und abhüpfenden Synthie-Melodien in "Transhumanist" eine angenehme Stimmung.
Jedoch überzeugt das Album dann am meisten, wenn der mittlerweile 73-Jährige Einflüsse von Yamo, seinem 90er-Nebenprojekt mit Mouse On Mars, einbringt und so seine Komfortzone verlässt. "Planet In Fever" besteht zwar auch aus einem typischen Kraftwerk-Fundament wie einfachen Sequenzen und Robotervocals, bekommt aber durch die weiblichen Begleitgesänge richtig Charme und tönt melodisch verspielter als die restlichen Nummern. "Sexersizer" bildet ein eher zurückgenommenes Stück, das mit unterkühlten weiblichen Spoken Words und atmosphärischen Techno-Texturen an die späten 90er- und beginnenden 00er-Jahre denken lässt. Das versprüht durchaus Deepness.
Alternativ bekommt man ein gelungenes, wenn auch recht kurzweiliges modernes Update des kraftwerkschen Sounds.
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