laut.de-Kritik
Souveräne Rückkehr zu den R'n'B-Wurzeln.
Review von Toni HennigSeit dem letzten Album "Looking 4 Myself" (2012) blieb es um Usher eher ruhig, von ein paar Kollaborationen und Singles abgesehen. Ohne große Vorankündigung erscheint dieser Tage nun sein achtes Studioalbum "Hard II Love". Diesmal setzt die 37-jährige R'n'B-Ikone auf meist unbekannte Producer, verzichtet größtenteils auf Dance-Pop-Ausflüge und kehrt überraschend zu seinen Wurzeln zurück.
Das soulige "Need U" im Duett mit Priyanka Chopra und dezenten Loungeklängen im Hintergrund erweist sich als passender Einstieg in das durchaus Tanzflächen orientierte Album. In "Missin U" geht es mit groovig schmutzigen Beats verschwitzt zur Sache. Der Refrain strahlt als Gegenpol mit geschickt platzierten Bläsersätzen eine Leichtigkeit aus, die an Justin Timberlake erinnert.
Die Single "No Limit" zeigt, dass Usher auch moderne Trapbeats gut zu Gesicht stehen: Sie klingen weder überproduziert noch zu dick aufgetragen. Der Rappart von Young Thug fügt sich reibungslos in die eingängige Clubnummer ein. "Bump" überzeugt anschließend mit unverschämt coolem Beat, Usher ist dazu stimmlich in hervorragender Verfassung. Hinter einem Fuhrpark an Effekten braucht er sich jedenfalls nicht zu verstecken: Stimmverzerrer kommt nur an ausgewählten Stellen zum Einsatz.
Die erste Albumhälfte bietet viel Rhythmisches und klingt trotz der Trapelemente unverkennbar nach Usher. Die Songs übertragen die Souveränität seiner frühen Hits ins Social-Media-Zeitalter. Ushers Stimme sticht nach wie vor kraftvoll und mit hohem Wiedererkennungswert im R'n'B-Bereich heraus.
Leider besitzt "Hard II Love" in der Mitte ein paar Aussetzer. In "Crash" schrammt der Sänger in der Stimmlage ziemlich nah an Pharrell Williams vorbei. Der angesagte Producer unterlegt "FWM" außerdem mit einem durchdesignt lustlosen Synthiefundament. Beide Tracks wären bei der nächsten Fashion Week besser aufgehoben gewesen.
Mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe hat man das Album lyrisch weitgehend abgedeckt. Die Texte bleiben bis auf ein paar nachdenklichere Zeilen nebensächliches Beiwerk. "Stronger" trägt trotzdem autobiographische Züge und handelt vom Schicksal seines Ex-Stiefsohnes, der nach einem Badeunfall 2012 für hirntot erklärt wurde.
Überwiegend balladeske und leise Töne bestimmen dann den Rest der Platte. Das mit achteinhalb Minuten epische "Tell Me" dominieren reduzierte Schlafzimmerklänge, die der Amerikaner mit betörendem Soul veredelt. Der Track setzt dabei auf schwüle Sounds à la Blood Orange. Eine Seite, die dem Sänger hervorragend steht.
Das Titelstück, geschrieben von der Berliner Produzentin Bibi Bourelly, bildet allein mit Akustikgitarre und seinem ausdrucksstarken Vortrag den emotionalen Höhepunkt des Albums und stellt die songwriterischen Fähigkeiten der 22-Jährigen unter Beweis. "Stronger" beinhaltet Gospelchöre, und "Champions" mit Rubén Blades, das Titelstück für den Boxfilm "Hands Of Stone", verweist auf Südamerika.
Usher fokussiert auf "Hard II Love" wieder seine gesanglichen Stärken, die Producer und Songwriter sorgen dazu für ein deepes und zeitgemäßes Klangbild. Die Balance zwischen Dancefloor und entspannten Klängen passt von einigen Aussetzern abgesehen ebenfalls: eine starke Rückkehr Ushers in den Ring.
5 Kommentare mit einer Antwort
Um Welten besser als das 2012er Album, ****.
Gut auf den Punkt gebracht. Abgesehen von einigen Filler-Tracks eine gute Geschichte. Freu mich schon auf weitere Hördurchgänge.
Ich hab die ersten Usher Alben das war lupenreiner Yuppie Soul den ich geliebt habe. Nach dem ganzen Pop Krams bin ich eigentlich lange durch mit Usher. Aber wenn ihr meint das es wieder der alte Usher ist dann werde ich doch mal einen Lauschen drauf werfen.
Wow, dass Usher hier noch mal vier Sterne bekommt, hätte ich nicht gedacht. Also lohnt es sich wohl doch reinzuhören?
Es hört sich weder nach zurückgebliebenem, alten RnB an, noch ist es ein Verrat an seine Ursprünge. Die goldene Mitte mit Schwung nach oben, ohne Guettaschranz.
Reinhören lohnt. Nicht sein bestes Album, aber alte Usher Hörer werden wohl positiv überrascht sein. Ich wars.
Also "Confessions" habe ich ja damals rauf- und runtergehört, ob guilty pleasure oder nicht. Danach habe ich ihn eigentlich nicht mehr wirklich verfolgt. Vielleicht höre ich hier tatsächlich mal rein.