laut.de-Kritik
Wenn Joss Stone Nina Simones Beatles-Cover covert ...
Review von Philipp Kauseviele Musikerinnen aus Soul, Folk, Pop und Reggae nennen Nina Simone auch heute noch als massiven Einfluss und als jemanden, den sie immerzu hören könnten. Und wenn selbst völlig Genre-Fremde wie Rudimental und Hot Chip nicht die Hände von ihr lassen können, muss man das Phänomen mal untersuchen. Dabei hilft die EP "Celebrating Nina" aus dem One Drop-Lager.
Was macht die enorme Nachwirkung dieser Frau aus? Im Vocal Jazz würde man nichts anderes erwarten, als dass sich viele auf sie einigen. Im Reggae erfolgt die Würdigung der Simone oft im gleichen Atemzug mit der Nennung von Lauryn Hill. Dieselben Personen, die auf Lauryn abfahren, fühlen sich auch zu Ninas Sound, Stimme und Repertoire hingezogen. Unter weiblichen Artists ist die Affinität ausgeprägter als unter männlichen. Also liegen Interpretationen von Frauen auf einem Tribute nahe.
Ich führe etwa 100 Radio-Interviews im Jahr und bekomme den Namen Nina Simone inflationär oft hingeworfen. Niemand von ihren heutigen Bewunderinnen konnte mir je einen Albumtitel nennen. Dafür lässt sich anhand der Produktion hier nun immerhin künstlich die perfekte Compilation zusammen schnüren. Wo dann drauf wären: "Four Women", Single von 1966, Eigenkomposition. Auf keinem regulären Nina-Album enthalten. Die Referenz-Coverversion stammt aus Berlin, auf "Mamani".
Dann "Mr. Bojangles", Single von 1971 und vom Cover-Album "Here Comes The Sun". Eigentlich ein Countryrock-Hit aus dem Jahr zuvor, bekannt durch die Nitty Gritty Dirt Band. Kein allzu bekannter Nina-Tune.
"Here Comes The Sun" itself, der George Harrison-Song und einer der Beatles-Essentials. Warum man ein Cover covert, dessen Original sich nahezu nicht übertreffen lässt, um jemand drittem eine Würdigung zu setzen - erschließt sich nicht. Gut, da Joss Stone die Ausführende ist, drücken wir mal ein Ohr zu. Auch an Bord: "Young, Gifted And Black", Nina-Klassiker, interpretatorisch eher dank Aretha berühmt. Simone hat den Text geschrieben, ihr Bandleader die Musik. Single von 1969. Im Reggae '70 dann sofort gecovert, von Bob & Marcia, deren Version erst kürzlich wieder groß von Trojan aufgelegt wurde. Etanas Version ist ein Versuch, aber kein guter.
"Don't Explain" stammt bezeichnender Weise von der Platte "Nina Simone Sings Billie Holiday". Selbst erklärend, dass diese Auswahl schief hängt. Von 1972. So setzt sich ein Muster zusammen: Vornehmlich die späte Simone fand Berücksichtigung. Und die bluesige Seite fehlt - eh schwierig, da hat sich sogar Macy Gray mal übelst verhoben. "Don't Let Me Be Misunderstood" scrollt immerhin bis 1964 zurück, da war Nina 31 und hatte schon fünf Studioalben draußen. Damit stammt die älteste Vorlage von 1961, "No Good Man" aus Ninas dritter Studio-LP "Forbidden Fruit".
Die Interpretationen leiden unter der spannungsarmen Auswahl. Die von Stephen Marley kompilierten und produzierten Beiträge profilieren sich zum Teil mit hartem Beat, verträumter Grundstimmung und tief schürfenden Bässen. Maya Azucena präferiert für "Mr. Bojangles" eher Saxophon, Joss Stone für "Here Comes The Sun" eine subtile Bläser-Section, die ihren Job ordentlich macht. Und auch Cedella Marley fühlt sich mehr den Höhentönen verpflichtet, und dem Soul als Genre. Terri Walker wagt für "No Good Man" einen Standard-Keyboard-Riddim der Marke 08/15-Lovers Rock-Schnulz, errettet durch die hier wieder stark wummernden Bässe und Terris federleichte Phrasierung.
Alle interpretieren die Texte der Songs intensiv und erfüllen damit die Simone-Grundregel Nummer Eins: Leg Gefühl in jede Zeile, es geht wirklich um was. Alle Stimmen sind für sich genommen interessant und angenehm, was natürlich nicht automatisch gute Covers verspricht. Gerade Joss hätte sich besser ein anderes Lied geschnappt. Bereits Nina selbst hatte mit ihrer intim-berückenden Klavier-Harpsichord-Version inklusive Orchester eine sedierende und unstimmig verzweifelte Fassung gebaut, die neben Harrisons Original verblasst. Und was Joss' Vortrag und Reggae-Arrangement mit Nina zu tun haben sollen, wird einfach nicht fühlbar. Joss kräht sich die Seele aus dem Leib, aber es ist uninteressant, wenn man das Lied von den Beatles im Ohr hat.
Einen Pluspunkt erntet Melanie Fiona für ihr hingebungsvolles Gesülze auf "Don't Explain". Schwerfällig, als reizvoll rollender Jazz-Reggae arrangiert. Dass Melanie noch aktiv ist, ist ja der eigentliche Nachrichtenwert, und boah, was hat sie doch für eine hineinziehende Art in ihrem Vortrag ... Schade, dass sie seit zehn Jahren verstummt ist. Ihr Lieblingsalbum, klar: "The Miseducation Of Lauryn Hill". Schönes Billie Holliday-Tribute, das sie hier zur Simone-EP beiträgt!
Cedella Marley startete mit Stephen als Background-Stimme der Melody Makers des ältesten Marley-Sohns Ziggy. Lange nicht als Interpretin in Erscheinung getreten, ist auch das zu bedauern, hat sie doch ein wundervolles Organ. Der Song freilich, "Misunderstood" ist hingegen doch schon recht abgedudelt. Wohl deswegen springt beim Hören der Funke nicht ganz über. Pluspunkt für die Stimme als solche!
Bleibt als einziger echter Gewinn Queen Ifricas geniale Darbietung von "Four Women" mit Wabbel-Bass. Die Queen stand ja früher für Soul-Twist im Roots-Business, und hier hilft ihr nun ein versierter Schlagzeuger. Auch die Keyboards flowen wie geschmiert, und Queen Ventrice 'Ifrica' Morgan legt sich mit lang-gezogenen Bögen, abgeklärter Resignation und unterdrückter Wut ins Zeug. Andere Coverversionen verteilten die vier Gesangsrollen der "Four Women" intelligenter Weise auf vier verschiedene Stimmen, so bei Denalane und ebenso bei Jill Scott. Doch Queen Ifrica traute sich zu, der Simone'schen Struktur zu folgen. Am Ende lacht sie. Weil ihr das super gelungen ist. Und damit legt sie das einzige echte Tribute hier hin. Man könnt also nach dem ersten EP-Track aufhören. Aber der muss sein.
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