laut.de-Kritik
Judith Holofernes schnappt nach Luft.
Review von Dani FrommBereits zum vierten Mal stellten Moses Pelham und Bayz Benzon aus ihren Beständen, mit denen sie seit Jahren ihre Call-In-Radio-Show beschallen, einen Sampler zusammen: An sich immer eine Fundgrube für gechillte Song-Perlen. Das hier, für alle, die es noch nicht mitbekommen haben, ist die Nachtschicht.
Die Reise beginnt mit einem Klavier, sehr klassisch, dazu dramatisches Gewitter im Hintergrund. Noch bevor sich der Gedanke "schon tausendmal gehört" breit macht, revidiert die ausdrucksstarke Stimme Ms Dynamites den vertrauten Eindruck - volle Punktzahl für den Einstieg.
Ein Händchen für zauberhaft singende Damen beweisen die Verantwortlichen darüber hinaus mit Keyshia Cole, die die sehnsuchtsvolle R'n'B-Nummer "I Should Have Cheated" interpretiert. Alles dreht sich um Herzschmerz, darum, was man besser hätte tun oder lassen sollen. Verpackt von einer derart beeindruckenden Sängerin lässt man sich das alte Thema gerne ein weiteres Mal aufwärmen.
Bei bei zwei anderen Ladies enttäuscht mich allerdings die Song-Auswahl. Zwischen all den synthetischen Streichern und Handclaps in "Please" erhält Tori Amos' Gesang keine Chance zur Entfaltung, und nach der verhuschten, kieksigen Darbietung Syleena Johnsons sehe ich mich gezwungen, sofort im Anschluss "Ain't No Love" aufzulegen, um mich zu vergewissern, dass in ihr tatsächlich eine Sängerin steckt, nicht nur das Mäuschen, das in "Slowly" vorgeführt wird.
Der warme Grundton, mit dem "Father" die Nachtschicht eröffnete, bleibt lange Zeit erhalten. Der eintönige, mit Pop-Gesang verbrämte Beat aus "Schmetterlingsflügel" (Tiefschwarz) erweis sich zwar nicht unbedingt als meine Tasse Tee, stört die Stimmung aber keineswegs. In "Alone With The TV" folgt über einem hochgepitchten Voice-Sample ein flüssiger Raptrack mit gesungenem Refrain. The Mitchell Brothers - wer mag dahinter stecken? Ah, Mike Skinner! Alles klar.
Mattafix' "555" hätte mir persönlich ohne Gesangseinlage besser gefallen, spielt aber trotzdem angenehm mit dunklem Bass, Percussion und Melodien. Das geht in Ordnung. Was allerdings gar nicht geht: Mich in völlig entspannter Situation schutz- und wehrlos einem Wir Sind Helden-Track auszusetzen. "Darf Ich Das Behalten?" Öde Gitarre und nervenzerreibenden Gesang? Kein Problem, Süße, darfst du gerne behalten. Die Tatsache, dass unmittelbar danach eine großartige Leela James funky "Soul Food" serviert, lässt Judith Holofernes, die am Ende jeder Zeile hörbar nach Luft schnappt, noch armseliger dastehen.
Meine Stimmung ist im Eimer. Das harte, wuchtige "I Am Crack" von Juelz Santana hätte mir an anderer Stelle wahrscheinlich gefallen, mit der unglaublich drögen, langatmigen Runde, die von Marc Romboy eingeleitet wird, kann ich allerdings beim besten Willen nichts anfangen. "SL Mirage", "I Like You" und zur Krönung Deichkinds "Remmidemmi": 1-2-3-4-Stampf-Stampf. Warum sollte man sich das anhören? "Eyes For You" von Yonderboi liefert nur wenig mehr Abwechslung.
Sebastian Hämer zum Klavier sticht aus dem Einheitsbrei zwar heraus, sein Debüt hätte dennoch weit beeindruckendere, witzigere oder schlicht interessantere Nummern zu bieten gehabt. Bei Chima verderben wie üblich die weinerlichen Beziehungs-Betroffenheits-Lyrics einen hübschen, melodischen Song.
Für Manches entschädigt "Made 4 Love": Ein von Gitarre, verhaltenem Schlagzeug, gegen Ende von etwas Piano begleiteter Blues entführt in einen schummrigen Jazzkeller, in dem ich mich liebend gerne noch ein wenig länger aufgehalten hätte. Doch weder Mul-Ty noch Leela James, Keyshia Cole, Ms Dynamite oder die Mitchell Brothers vertreiben den mageren Gesamteindruck, den diese Nachtschicht hinterlässt. Immerhin: Sie machen Appetit, und Moses Pelham und Bayz Benson haben bestimmt nicht zum letzten Mal in die Lieblingsplattenkisten gegriffen. Bei Ausgabe Nr. 5 bin ich gerne wieder mit dabei.
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