laut.de-Kritik
So wird der nächste Stau erträglicher.
Review von Giuliano BenassiDiesen furchtbaren Moment kennen fast alle Eltern. Zumindest die mit funktionierenden Ohren: Der Nachwuchs fordert "endlich mal wieder eine meiner CDs" ein. Die Folge: schräge Kinderchöre, die "Drei Chinesen" oder "Spannenlanger Hansel" wahlweise mit Pfadfinder- oder Musikantenstadl-Begleitung darbieten. Am liebsten unter sengender Sonne im Stau, wenn der Sprung aus dem Fenster keinen Sinn macht.
Zum Glück gibt es auch musikalisch begabte Menschen, die in den letzten Jahren versucht haben, die Kinder-Charts aufzumischen. Danke, Heike Makatsch und der Hund Marie, für eure liebevollen Neuinterpretationen altbekannter Lieder. Danke, Kai Lüftner und Rotz'n'Roll Radio, für euren trockenen Humor. Und danke, Markus Langer und Francesco Wilking, dass ihr nun einen Nachfolger zum wunderbaren Sampler "Unter Meinem Bett" herausgebracht habt! (Weitere Tipps und Danksagungen sind im Blog herzlich willkommen.)
Auf dem ersten Album kamen noch vor allem Singer/Songwriter zum Zuge, unter ihnen Bernd Begemann, Peter Licht, Jan Plewka, Nils Koppruch, Francesco Wilking und Gisbert zu Knyphausen. Letzterer lieferte mit "Immer Muss Ich Alles Sollen" einen Klassiker, nicht nur in Bezug auf den Einsatz von Modalverben.
Diesmal ist das musikalische Feld breiter gefächert. Und es kommen vermehrt Synthies zum Einsatz, was die Stücke in Richtung Indie-Pop führt. Die Damen von Laing erzählen charmant von einer nervtötenden Mücke, das Hamburger Hip Hop-Urgestein Das Bo setzt sich für mehr Albernheit ein. Die eher ernsthaften Erdmöbel erzählen eine lebhafte Geschichte um Svenja und ihren Hund Raul, Jazz-Sängerin Lisa Bassenge bietet mit "Andersrum" einen sanften Einsteig in das Thema Gender.
Bela B. macht in "Der Wolf Mit Dem Hut" auf Rocky Horror Picture Show. Schließlich wollen die Eltern (oder gar Großeltern) bei Laune gehalten werden. Die meisten Punkte bei der anderen Zielgruppe, dem Nachwuchs, sammeln allerdings Cäthe mit "Fahrradfahren" ("Ich sage Nö") und Deniz Jaspersen von Herrenmagazin mit "Was der Papa Sagt" ("ist nicht immer richtig, was der Papa sagt ist nicht immer wahr ... jeder irrt sich mal"). Hoch im Kurs steht auch Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen, die eine Lanze für ein bei den Eltern verpöntes und ach so schädliches Softgetränk brechen: "Und mein Vater, der mag Bier / und meine Mutter trinkt gern Wein / Doch eine Cola soll es sein!).
Koordinator Francesco Wilking ist mit seiner Band Die Höchste Eisenbahn in "Gib Nich' So An" zu hören, Enno Bunger bietet mit "Stachelschwein" eine klassische Klavierballade, die Kölner Locas In Love synthierocken in "Von Hier Oben" ordentlich ab. Erobique & Jacques Palminger werfen im rhythmischen "Farben" mit Fremdwörtern um sich, Albrecht Schrader bietet mit "Ich Und Die Anderen" eine poppige Klavierballade, Dota greift zum Schluss zur Akustikgitarre und liefert mit "und dann schlaf ich ein" die perfekte letzte Zeile.
Eine gelungene Fortsetzung, die das Potential hat, selbst nach vielen Durchläufen nicht auf die Nerven zu gehen. Das macht den nächsten Stau nicht unbedingt willkommen, aber ein Stückchen erträglicher. Bitte mehr davon! Das nächste Mal vielleicht mal in einem Hardrock-Gewand? Rammstein haben mit "Engel" ja schon lange eine gute Vorlage am Start.
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