laut.de-Kritik
17 neue Visitenkarten des Elektro-Labels bpitch control.
Review von Christoph DornerEllen Alliens Label Bpitch Control ist neben Sven Väths Cocoon Recordings und Kompakt um Wolfgang Voigt und Michael Mayer wohl Deutschlands renommiertestes Label für elektronische Musik. Gerade durch die jüngsten Erfolge von Paul "der Schauspieler" Kalkbrenner, Modeselektor, Ex-Signing Ben Klock und den allgemeinen Easyjet-Hauptstadt-Hype wurde der Label-Standort Berlin in den letzten Jahren gehörig aufgewertet.
Zeit also nach drei "Camping"-Compilations im 15. Labeljahr eine üppige Werkschau mit allesamt unveröffentlichten Tracks folgen zu lassen. Dabei gilt es zunächst einmal auf die großen Namen zu schauen, verbraten diese doch für solche kollektiven Zwangsveranstaltungen ganz gerne Material von der Resterampe. Ellen Alliens "The Kiss" unterliegt diesem Generalverdacht nicht.
Der Track schmiegt sich mit seiner Symbiose aus knatterndem Minimal und gehauchtem Techno-Pop konsequent an ihr jüngstes Album "Dust". Und Paule? Der studiert mit "Plätscher" anscheinend immer noch den Himmel über Berlin, wobei der deutlich auf Atmosphäre abzielende Track durch seine esoterische Verfeinerung durch etwas Handgetrommel und ein paar Flöten tatsächlich aus den Sessions zu "Berlin Calling" stammen könnte. Egal, gefällt.
Während Modeselektor auf der Compilation fehlen, ist die ewige zweite Garde mit Sascha Funke, Kiki, Zander VT vertreten. Funkes "Hiddensee" ist dabei allerdings nur stumpf polternder Werkstatt-Techno. Kiki & Lenz sind da mit der verregneten Klaviatur von "Morning Maniacs" schon zwingender, ehe Zander VT mit einer Fingerübung in Piano-House auch mal sachte zum Tanz bittet.
Eines wird schon an dieser Stelle klar: Die Werkschau von Bpitch ist kein Hit-Feuerwerk. Vielmehr verweist sie gerade mit den jüngeren Künstlern auf eine nicht mehr ganz so untergrundige Zukunft des Berliner Labels zwischen Techno, House, Pop und Varieté. Gerade warmer, emotionaler Techno-Pop dürfte durch Acts wie We Love und Telefon Tel Aviv – beide mit gelungenen Tracks - eine breitere Hörerschaft finden.
Ganz anders Aérea Negrot, die mittlerweile auch als Sängerin bei Hercules And Love Affair angeheuert hat. Sie klingt mit ihrer hölzernen Electro-Exzentrik wie die Chicks On Speed vor mindestens zehn Jahren. Der beste Track stammt zweifelsohne von der Kollaboration der Kölner Kompakt-Produzenten von Coma und der Berliner DIY-Künstlerin Dillon, die in "Aiming For Destruction" Beats, Spannungsbogen, Melodie und Charisma aufs Perfekte fusionieren.
Fazit: Eine ordentliche, stilistisch breit gefächerte Compilation für zu Hause, die allerdings nicht an die (älteren) Nabelschauen der Total-Serie von Kompakt heranreicht.
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