laut.de-Kritik
Auf halber Strecke das Charisma verloren.
Review von Mirco LeierMan muss nur einen Blick auf die Feature-Gäste ihres neuen Albums werfen, um sich vor Augen zu führen, wie raketenartig Doja Cats Popularität im letzten Jahr durch die Decke ging und in welchen Sphären sie sich in der Folge nun bewegt. Wo auf ihrer letzten Platte noch Namen wie Gucci Mane und Tyga standen, geben sich jetzt Ariana Grande, SZA und The Weeknd die Ehre. Winkte man sie vor drei Jahren noch als muhendes Meme mit der Halbwertszeit einer Eintagsfliege ab, ist sie spätestens seit dem Überhit "Say So" selbst hierzulande den meisten Radiohörer*innen ein Begriff. Das ist eine Erfolgsstory wie sie nur das Internet schreibt. Aber was macht das mit einem, wenn man in so kurzer Zeit vom heimischen Greenscreen in die oberste Riege der Musikindustrie geschossen wird, ohne allzu viel Zeit dazwischen um kurz mal Luft zu holen. "Planet Her" liefert Antworten.
Das gute zuerst: Doja Cat hat sich seit "Hot Pink" nochmals in fast allen musikalischen Belangen verbessert. Ihr Songwriting ist fokussierter, ihre Beats sind hochwertiger produziert, ihr Gesang klingt schöner und versatiler denn je und selbst ihre Bars sind, auch wenn der Hip Hop-Anteil insgesamt schwindet, zumindest nicht schlechter geworden. Das Problem ist nur, dass das alles wenig nützt, wenn ihr quirliges Charisma, das 2018 ausschlaggebend für ihren Durchbruch war und all diese Aspekte zusammenhalten soll, dabei auf der Strecke bleibt. Trotzdem, oder vielleicht genau deshalb kann "Planet Her" es sich wohl bereits jetzt erstmal für die nächsten zwölf Monate in den Billboard-Charts bequem machen. Das Album klingt nach großem Erfolg und einem noch größeren Budget, nach viel mehr aber auch nicht.
Man muss Doja zwar zugutehalten, dass sie nicht einfach versucht, vierzehn Mal die Erfolgsformel von "Say So" zu kopieren, die Alternativen sind jedoch nur bedingt aufregender. "Woman" öffnet mit abgestandenem Dancehall aus der Dose, "Options" schießt ein brauchbares JID-Feature in den Wind und "Ain't Shit" fällt als augenzwinkernder, theatralisch überspielter Trash-Talk mit Anlauf auf die Fresse. Was das Album allerdings erst so richtig runterzieht, sind die unzähligen Downtempo R'n'B und Pop-Rap Nummern (mit starker Betonung auf Pop), die, so angenehm ihre Stimme auch klingen mag, nur Dojas Schwächen hervorkehren. Ihr fehlt einfach der emotionale Impact, die Persönlichkeit und die Klangfarbe um einen solchen Song auch ohne ein lebhaftes Instrumental im Rücken alleine zu tragen. "You Right", "Love To Dream", "Imagine", "Alone": Alles Schlaftabletten vor dem Herrn.
Das macht die Songs keineswegs unhörbar, man muss sich nur eben nicht gerade lange durch zufällig zusammengewürfelte Spotify-Playlisten klicken, um eine Künstler*in zu finden, die fast jedem der Sounds, die Doja auf ihrer dritten LP aufgreift, gerechter wird. Case In Point: Rihanna, H.E.R., Janelle Monáe, SZA oder die ebenfalls hier geladene Ariana Grande, die Doja auf ""I Don't Do Drugs" komplett gegen die Wand singt und den Song im Alleingang aus dem Mittelmaß rettet.
Doja hatte mit "Hot Pink" ihre eigenen Dos und Don'ts vorbildlich abgesteckt und einen Sound kreiert, der zwar ausbaufähig, aber voll und ganz ihr eigener war. Wie gut dieser Sound klingt und wie schade es deshalb ist, das “Planet Her” ihn fast komplett ignoriert, stellen Songs wie "Get Into It (Yuh)" , "Payday" und (mit Abstrichen) "Need To Know" unter Beweis.
Der Spaß, den Doja hat, wenn sie einfach mal ein wenig hohl dreht und wild mit verschiedenen Stimmlagen und Vocal-Inflections spielt, ist ansteckend. Auch "Kiss Me More", der vielleicht stärkste Song des Albums, ist ein weiteres Paradebeispiel dafür und beweist, dass diese Exzentrik nicht nur exklusiv im Rap-Rahmen funktioniert. Das klingt wie der logische massentaugliche nächste Schritt der Entwicklung für die Künstler*innen wie Nicki Minaj und Young Thug den Grundstein legten. Nur geht Doja diesen Schritt eben nicht zu Ende, vielmehr stolpert sie auf halber Strecke.
Man könnte jetzt auch noch das Fass aufmachen, dass Doja auf "Planet Her" so gut wie nichts zu sagen hat. Allerdings ist das letzten Endes nebensächlich. Sicherlich hat die Kalifornierin noch reichlich Luft nach oben was die Auswahl ihrer Songinhalte angeht. Momentan dreht sich fast alles (immer noch) nur um Sex, Beziehungen und den eigenen Erfolg. Aber was gesagt wird, war eh nie die Kernkompetenz ihrer Musik. Viel enttäuschender ist es, dass sie das so prominent beworbene außerirdische Konzept des "Planet Her" außerhalb von zwei, drei verträumten Instrumentals und den großartigen Musikvideos komplett links liegen lässt. Gerade mit dem Charisma, das auf ihrem letzten Album durchstrahlte, wäre so viel mehr drin gewesen.
Doja etablierte sich in den letzten Jahren als Rapperin, die nicht nur unglaublich versatil, sondern auch extrem energetisch und charismatisch ist. Auf "Planet Her" ist sie vor allem Ersteres. Es ist ihr Mainstream Crowdpleaser-Album geworden, ihr Beweis, dass sie ihren neu gewonnen Chartstürmer-Status zurecht trägt und dass sie so schnell nicht vorhat, die Billboard-Sphären, in denen sie sich jetzt bewegt, wieder zu verlassen. Die Zahlen, die "Planet Her" garantiert schreiben wird, werden ihr damit wahrscheinlich sogar recht geben. Die Chancen stehen deswegen jedoch schlecht, dass Doja zukünftig wieder verstärkt an ihre alten Qualitäten anknüpfen kann, respektive wird. Mit einem Blick durch die rosarote Fan-Brille wundert man sich: Wäre das alles auch passiert, wenn "Say So" ihr nicht zum Durchbruch verholfen hätte? Vielleicht wird Doja Cat in ein paar Jahren ihr eingestaubtes Kuh-Kostüm aus dem Schrank holen und sich die gleiche Frage stellen.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Perfektes Album zum nebenher laufen lassen und gute Laune haben =)
Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der das da ein Kompliment für Musik sein soll.
schunkelbeats, autotune, einheits-trap, etc., pp. langweilig.
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