laut.de-Kritik
Ein Klassiker auf FKA Twigs' Weg zur Legende.
Review von Sven KabelitzObwohl von verletzten Emotionen geleitet, war FKA Twigs "Magdalene" ein stark verkopftes Album. Der Nachfolger "Eusexua" geht den entgegengesetzten Weg. In den Nächten rund um den "The Crow"-Dreh geboren, bestimmen Elektronik und Techno-Elemente FKA Twigs' ebenso emotionale, wie abstrakte Suche nach perfektem Pop. So entsteht aus "Eusexua" ein gesamtkörperliches Erlebnis für Kopf, Herz und Beine, das trotz der deutlich zu erkennenden Arbeit an selbst kleinsten Details schwebend leicht wirkt.
Mit dem Albumtitel - ein Kofferwort aus Euphorie und Sexualität - beschreibt FKA Twigs den Zustand, in dem man sich durch Euphorie in Zeit und Raum verliert, etwa beim Musikhören oder Küssen. Dem Vogue Magazin erklärt sie es so: "Es ist wie diese Art meditative, erstaunlich körperliche Erfahrung. Für mich ist es auch der Moment, bevor ich eine wirklich gute Vorstellung von reiner Klarheit bekomme. Wenn sich alles aus dem Weg räumt, alles in deinem Kopf völlig leer und dein Geist erhoben ist. Das ist Eusexua und das ist der einzige Ort, an dem ich jetzt sein möchte."
Um dieses Gefühl in die Musik zu retten, prallen immer wieder Gegensätze aufeinander. Ihrer ätherische und nach neuen Höhen suchende Stimme stehen pulsierende Beats gegenüber. Einerseits täuscht die Musik immer wieder Eingängigkeit an, überrascht im nächsten Moment aber wieder mit subtil komplizierten Parts. Die Lieder bleiben nie lange an einem Ort, schlingern um Hindernisse und suchen sich einen neuen Weg. Es bleibt gerade genug "Magdalene", um "Eusexua" nicht schablonenhaft klingen zu lassen. Beide Welten finden hier eine perfekte Symbiose und dank immer wieder unerwarteter Songstrukturen einen Weg, uns eben jenem beschriebenen Zustand anzunähern.
Ganze drei Minuten lässt sich FKA Twigs im Titeltrack Zeit, bis sie dem unter anderem von ihr, Eartheater, Koreless und Stuart Price produzierten Album seine Freiheit lässt. Zuvor baut es sich Herzschlag zu Herzschlag über einer Bassdrum und kaleidoskopischen Synthesizern auf, lässt sich alle Zeit der Welt und baut eine unterschwellig steigende Dynamik auf. Mit den Worten "Do you feel alone? / You're not alone" setzt sich schließlich der flattrige Beat endlich – wenn auch nur für einen Moment - in Bewegung, öffnet die aufgebaute Spannung.
Immer wieder durchzieht der Spirit von Madonnas "Ray Of Light" "Eusexua", was kein Song so verdeutlicht wie "Girl Feels Good", einer Art Mischung aus "Swim" und "Sky Fits Heaven". FKA Twigs gibt sich ganz dem William Orbit-Sound der 1990er hin, ergänzt ihn mit ihrem Text zu einer feierlichen Female Empowerment-Hymne. Maskuliner Zerstörungswut stellt sie Liebe entgegen: "A girl feels good / And the world goes round / So turn your love up loud / To keep the devil down."
Im Techno-Pop von "Perfect Stranger" sucht die Künstlerin die unverbindliche Intimität im Augenblick. Ein hypnotischer Track und eine ausgezeichnete Symbiose zwischen dem druckvollem Beat und ihrer entrückter Stimme: "You're a stranger, so you're perfect / Just give me the person you want tonight." Das darauf folgende strenge "Drums Of Death" stotternd, ruckelt, zuckt: "Fuck who you want / Baby girl, do it just for fun." Noch einmal unterstreicht es die hervorragende Produktion des Longplayers.
"Room Of Fools" schrieb FKA Twigs in einer Clubtoilette, transportierte die Energie in den Track. "Keep It, Hold It" beginnt als Art-Pop der späten 1970er, baut sich nur langsam auf. Selbst wenn nach knapp zwei Minuten der House-Beat einsetzt, bleibt die in Trance versetzende Grundstimmung des aus einem Chor, Kelly Morans Klavier und herabregnenden Synthesizern bestehenden Arrangements bestehen.
Einzig "Childlike Things" zündet in dieser Umgebung nicht wirklich, wirkt mit "Dun-dun-dun"-Hook zwischen den restlichen Tracks fremd. Das auf japanisch und englisch gerappte Feature von North West hat zudem in etwa den sympathetischen Flair von Jaden Smiths "Karate Kid"-Neuverfilmung. Diskussionen über Wests Vater sollten ihr aber nicht im Weg stehen, da wir alle letztendlich nichts für die Taten unserer Eltern können, sondern alleine an unseren eigenen bewertet werden sollten. Das an Trip Hop und später zu Drum'n'Bass wechselnde angelehnte "Striptease" entschädigt aber schnell für diesen Ausrutscher.
Mit "Eusexua" gelingt FKA Twigs auf ihrem Weg zur Legende ein weiterer Klassiker. Electro-Art-Pop mit den besten Pop-Vibes und ihr drittes nahezu perfektes Album in Folge. Tatsächlich toppt sie sogar die beiden Vorgänger noch einmal. Der erste ernsthafte Anwärter auf das Album des Jahres.
11 Kommentare mit 9 Antworten
Extremst gut. 5/5 sind absolut richtig, Kabelwitz!
Ist glaube ich das erste mal, dass Du bei Insel-Musik nicht komplett lost bist.
Ach, hass doch die letzten Scheiben von ihr nicht so
Sehr gutes Album, aber für mich keine 5/5, aber 4/5 auf jeden Fall.
Ungehört 1/5
Absoluter Müll
That´ll do Pig.
Find es gut, die Beats auch abwechslungsreich, aber für 5/5 fehlt mir auch ein wenig das Verständnis. Also wenn es um Inselpop mit Elektroeinschlag geht, bleiben Goldfrapp mit Supernature und Tales of Us meine 5er Referenz.
Ist schon ein steiles Biest. Da ich sie als Gesamtkunstwerk einfach toll finde, würde ich die 5/5 auch mitgehen, obwohl es musikalisch gar nicht zu hundert Prozent meins ist.
Nach den Vorabsongs hab ich sogar mit einer Enttäuschung gerechnet, aber auf Länge funktioniert das schon gut und der Stilwille ist beeindruckend.
Magdalene hatte die klareren Hits, aber auch ein paar Ideen, die nicht aufegangen sind und war mir, ganz anders als Eusexia nicht homogen genug.
Girl Feels Good ist ein Hit.
0/5 für diesen Müll.....