laut.de-Kritik
Eine emotionale Suche nach Liebe, Trost und Verständnis.
Review von Sven KabelitzStreaming-Dienste sind eigentlich Punk. Überall sind die Lieder plötzlich nicht mal mehr drei Minuten lang. Jorja Smiths zweites Album "Falling Or Flying" kommt an dieser Entwicklung auch nicht vorbei. Möglichst viel, möglichst kurz, möglichst vielfältig und möglichst auf den Punkt, damit alle möglichst schnell einen eigenen Favoriten in ihre Playlist stopfen können. Gerade einmal "What If My Heart Beats Faster?" endet kurz vor der fünf Minuten Marke. Ob der Song jüngeren Menschen so endlos vorkommt wie den Boomern einst Pink Floyds "Atom Heart Mother"?
Das schöne an "Falling or Flying": Obwohl die Songs ein breites Spektrum der Künstlerin zeigen, funktioniert es auch am Stück. Obwohl oder gerade weil sich auf dem ersten Blick vieles seit "Lost & Found" verändert hat. Ihr zweiter Release klingt moderner, selbstbewusster, spielt mit Einflüssen von Afrobeat. Diese verknüpft sie mit Soul, R&B, Jazz und Funky House. Zeitweise wirkt er trotz der in den Stücken liegenden Ruhe eine Nuance zu überfüllt. Dennoch blieb der Fokus auf den Songs und der Stimme und nicht auf dem Beiwerk.
Nach einem kurzen Ausflug in die Lichter der Glitzerwelt, in denen sie sich nicht wohl fühlte, kehrte Smith für die Arbeiten am Album in ein weitaus familiäreres Umfeld zurück. Die Aufnahmen fanden in den von der Industrie geprägten Midlands statt. Anstatt auf bekannte Produzenten zu setzen, arbeitete sie lieber mit dem aus Walsall stammenden Duo DAMEDAME* (Barbara Boko-Hyouyhat und Edith Nelson) zusammen. Auf fünf Stücken gesellt sich noch P2J (Beyoncé, FKA Twigs, Stormzy) hinzu.
Zuerst steht in "Try Me" nur der Rhythmus im Raum, bis eine tiefe Gitarre einsetzt. So tief, dass kaum auffällt, wie sie im nächsten Moment schon wieder verschwindet und Smiths Gesang mit dem Bass alleine zurück lässt. Ein Pistolenspanngeräusch führt zum eingängigen Refrain, in dem alles zusammen findet, bis der Track in seinem letzten Drittel nach und nach zu einem Jazz-Klavier wieder zerfranst. Ein gelungener Opener, der die Stimmung des Albums perfekt einfängt und so auf das Folgende vorbereitet.
Das rhythmische "Little Things" führt in den Club. "With you, it's such a sweet escape / So if we leave will anybody notice? singt Smith zu einer auf und ab springenden Bassline. In "Feelings" trifft Smith auf den britischen Rapper J Hus. Zu einer Mischung aus R'n'B und Reggaeton führen sie zu einer sonnig entrückten Melodie. So unterschiedlich ihre Stimmen auch sein mögen, so gut passen sie doch zusammen. Das muntere "Go Go Go" geht mit Indie-Gitarre und -Schlagzeug schon wieder in eine komplett andere Richtung, mehr frühe Gorillaz. Wenn diese vier so unterschiedlichen Stücke innerhalb kürzester Zeit aufeinander treffen, hat dies nichts mehr von der Geschlossenheit, die "Lost & Found" noch ausmachte.
In der abschließenden Klavierballade "What If My Heart Beats Faster?" zeigt sich Smith verletzlich. Ein melancholischer Titel, in dem sie zu Streichern von den letzten Momenten einer Beziehung und dem zunehmenden auseinander driften erzählt: "There's no need to run, no need to hide, 'cause I've figured out / I got this, oh, well / You'll never understand what's on my mind, and I know that it cuts deeper."
Diese emotionale Suche nach Liebe, Trost, Verständnis und Sinnlichkeit stehen im Mittelpunkt der Texte. Smith verarbeitet Zweifel, unterlässt beim Zeichnen ihrer Figuren das Malen in Schwarz und Weiß. Obwohl sie ihre Stimme zurückhaltend, fast schon bescheiden einsetzt, setzt sie auf ihrem heimlichen Weg durch die Oktaven auf Präzission und lässt keine Frage offen, was für einer großartige Sängerin wir folgen. Die oft so unterschiedlichen Eindrücke finden auf "Falling Or Flying" nicht durch Volumen, sondern dank ehrlicher Gefühle zusammen.
3 Kommentare mit 4 Antworten
sehr schönes Album, wenn auch nicht ganz durchgängig innovativ: https://youtu.be/XyqswDjna84?si=v5ohchf1ON…
Da wird eine gewisse Mette aber HEFTIGST rotieren, ma sagen.
Göttin Jorja...
Und DU bist dafür verantwortlich, ma sagen
https://laut.de/News/Jorja-Smith-Neues-Vid…
Ich habe den positiven Sexismus hervorgebracht, ma sagen.
Abseits jeglicher Pools ist sie halt auch einfach ein übertrieben heißes Mopped, si
Stimme, wie gefühlt alle heut zu Tage haben. Nuschel -Nuschel. Musik interessant, der Rest holt mich nicht ab und bleibt im Regal. Alles austauschbar.