laut.de-Kritik
Deutschrap-Dienstleistung: Emotionsarbeit statt Emotionen.
Review von Dominik LippeJa, is' denn heut' schon Weihnachten? Während sich die meisten Musiker ihre Best-of-Alben für die kurzen Tage aufsparen, zieht MoTrip seine "Elemente" um ein halbes Jahr vor. Mit dem allgegenwärtigen Verlust des Zeitgefühls im laufenden Kalenderjahr hängt das aber nicht zusammen. Vielmehr dürfte es an seiner aktuellen Präsenz in der siebten Staffel des VOX-Formats "Sing Meinen Song" liegen. Entsprechend geht es also eher um den synergetischen Effekt, als darum, das musikalische Werk des sympathischen wie begabten Rappers gewissenhaft zu kompilieren.
Zum Einstieg tischt MoTrip die obligatorischen neuen Songs auf. "Wenn Du Mich Liebst" bietet der jungen Zielgruppe eine gefühlsbetonte Stütze an: "Bitte geh', wenn du mich liebst. Ich weiß, dass du weißt, dass die Zeit längst vorbei ist". Wenn die Beziehung dann Schiffbruch erlitten hat, folgt in "Standort" die Einsamkeit, die sich in der Großstadt doppelt schmerzhaft auswirkt: "Wir sind gestrandet und seh'n wie das Schiff sinkt. Tauchen ab in der Stadt, bis wir unsichtbar schein'". Beide Stücke spielen Intimität vor, erwecken aber den Eindruck, als seien sie vom Rapper entkoppelt.
Häufig scheint es so, als habe der Aachener nur bedingt etwas mit seinen eigenen Songs zu tun. Zu methodisch gehen Beiträge wie "Zuhause Ist Wir" aus der "Alien"-EP vor. "Ich hinterfrag' dieses Leben, ich will alles wissen. Alles sehen, alle Meere, alle Seen, alle Küsten", hangelt er sich zunächst zwischen Erlebnistourismus und spiritueller Reise am Zeitgeist entlang, um im Refrain das "Abenteuer" durch Lito konservativ einzuhegen: "Bau' mit mir ein Haus, vergiss dein Appartement". Das wirkt im Hinblick auf die anvisierte und zu manipulierende Zielgruppe genauestens kalkuliert.
Wie stark fällt dagegen "Feder Im Wind" aus. Eine locker sitzende Akustikgitarre trägt beide Lieder, doch textlich obsiegt der Song aus seinem Debütalbum. MoTrip ruft dazu auf, sich aus der Passivität zu befreien. "Die Hilfe kommt nicht nur zu spät, sie ist nicht mal auf dem Weg zu uns", erteilt er Gottvertrauen ebenso eine Absage wie dem Anspruchsdenken auf ein leichtes Leben. Vielmehr ruft er in Erinnerung, dass jede Generation ihre Schlachten zu führen hat: "Als unsere Vorfahren damals losgingen, wusste niemand, wo's hingeht. Doch auch sie sind am Ziel angekommen".
Fast anmaßend flankieren "Ja" und "Feuerwehrmann" aus dem missglückten Kollabo-Projekt "Mohamed Ali" dieses Karriere-Highlight. Auch das eiskalt von Euniques "Genau So" abgekupferte "Immer Wieder" sollte der Rapper lieber im Archiv versenken, statt es in die Vitrine einer Greatest Hits zu stellen. Ganz ordentlich schlägt sich der viel getadelte Max Giesinger in "Nie Besser Als Jetzt". Mit "Out Of Touch 2020" gelingt MoTrip sogar ein poppiger Höhepunkt. An der Seite von Michael Patrick Kelly behandelt er durchaus interpretationsoffen die zunehmenden globalen Krisen.
Natürlich darf auch "Embryo" nicht fehlen, Titelsong und Gravitationszentrum seines Debüts. Mit entwaffnender Offenheit berichtet MoTrip seinem nie geborenen Kind die Hintergründe seiner Zeugung und die Gründe seiner Abtreibung. Schwer schleppt sich der Beat unter dem Gewicht der Schuld dahin. Nur vereinzelt entlasten Aufheller die kirchliche Atmosphäre seiner Beichte. Nach wie vor bleibt "Embryo" ein unheimlich beeindruckendes Stück, das dem gerne auch mal als kindsköpfig kritisierten Genre 2012 ein ehrliches wie erwachsenes Gegenargument lieferte.
Auch acht Jahre später gehört der Aachener zweifellos zu den vorzeigbaren Rappern der hiesigen Szene. Dennoch muss er sich an irgendeiner Gabelung für die falsche Abzweigung entschieden haben. MoTrip tauschte die authentische Sensibilität seiner Anfänge erst gegen seichten Pop à la "So Wie Du Bist" mit Lary und "Polarlichter" mit Adel Tawil aus, um nun als fernsehkompatibler Dienstleister dazustehen, der Emotionsarbeit statt Emotionen abliefert. "Elemente" offenbart überdeutlich diesen Kontrast zwischen früher und heute.
9 Kommentare mit 15 Antworten
Der Inbegriff von "harmlos" und Musik wo sich alle drauf einigen können was never ein gutes Zeichen ist
Wer macht mehr Sellout, Trip oder Sido?
Naja, machen halt beide inzwischen mehr Pop als HipHop. Dürfte am Ende ein Unentschieden geben... Trip ist natürlich als Rapper um Welten besser, von daher sind auch seine Popnummern deutlich erträglicher. Sidos Vokabular ist halt..., naja, sagen wir mal merklich limitiert.
Als wenn diese ganzen anderen Deutschrap Sachen nicht genauso Sellout wären. Die passen die Musik dann halt an Playlisten statt dem Radio an. VOn der Sache her ist das kein Unterschied.
Sido macht exakt das, was er damals angekündigt hat, Geld scheffeln, raus aus dem Ghetto und mit No Angels singen - authentischer geht es nicht.
Hat das Cover mit dem Granatapfel eigentlich irgendeine tiefere Bedeutung oder ist der Grafiker in Kurzarbeit und mehr war da nicht drin?
lautis aoty
Nee, das ist bis heute noch das letzte Mac Miller.
Wenn für ein Best of selbst Tracks wie Kennen oder Wie ein Dealer zu hart für die Zielgruppe sind, weiß man woher der Wind weht.
Das ist doch Popmusik waum wird das hier als Rap bezeichnet.
Bin verwirrt. Pop = unerträglich belangloses Autotunegejaule auf Trapbeats, Hip Hop dieser Tage = unerträglich belangloses Autotunegejaule auf Trapbeats. Nein?
Ganz einfach: Weil es Musik zum poppen ist.
Hahahahhahahahahhahahahhahahahah
Schwinger, kann es sein, dass du langsam auch ein wenig abdrehst? Ich warne dich vor Plagiaten!