laut.de-Kritik

Glasknochen-Beats führen zur Festung der Einsamkeit.

Review von

Island, immerhin zweitgrößter Inselstaat Europas, bevölkern knapp 320.000 Einwohner. Damit kommt die Insel auf ein paar weniger Bürger als Bielefeld. Doch während es die Stadt gerade noch auf einen leidgeprüften Fußballverein, eine seltsame Verschwörungstheorie und Jochen Distelmeyer schafft, geben sich die Talente auf dem Eiland die Klinke in die Hand. Für uns gewöhnliche Mitteleuropäer verfügen Björk, Sigur Rós, múm, Of Monsters And Men oder Emilíana Torrini über eine unerforschte, magische Ausstrahlung. Mit der Band Samaris, deren Bandmitglieder allesamt ihre Zwanziger noch nicht erreicht haben, steht nun die nächste Generation bereit.

Kári Steinþórsson kreiert über skelettierte Trip Hop-Beats unergründliche Szenarien, die Áslaug Rún Magnúsdóttis allgegenwärtige Klarinette zu einem zartbesaiteten zerbrechlichen Organismus zusammenfügt. Sängerin Jófríður Ákadóttir erinnert im ersten Moment an eine entkrampfte Björk, frei von überzogener Theatralik. Nach einer kurzen Eingewöhnung und einem zweiten Blick zeigt sie jedoch schnell ihr eigenes andächtiges Wesen. In ihrer Heimat brachte dem Trio diese Mischung bereits den Icelandic Músíktilraunir sowie einen Kraumur-Award ein.

"Samaris" stellt eine Liaison der beiden EPs "Hljóma þú" (2011) und "Stofnar falla" (2012), die erstaunlich gut funktioniert. Ohne die lieblos angefügten Remixe entstände ein zwar kurzes aber homogenes Album. So wirken die Fremdversionen jedoch deplatziert und zerstören das vorher aufgebaute Gesamtbild.

Vom ersten Moment des Openers "Hljóma Þú" scheinen sich die verschiedenen Elemente aus Elektronik und Klassik niemals fremd zu sein oder gar abzustoßen. Schnell formen die drei Musiker eine ihnen ganz eigene gemeinsame Sprache und verschmelzen zu einem einzigen organischen Wesen. Schnipsen und eine grantelnde Bassline eröffnen "Góða Tungl". Zart-süßer Folk-Gesang und Glasknochen-Beats führen zur Festung der Einsamkeit.

Die Tracks der "Stofnar falla"-EP, aufgenommen im Sigur Rós' Sundlaugin Studio, entfernen sich ein weiteres Stück vom klassischen Songschema und lassen den einzelnen Songs noch mehr Breite zum Entfalten. Mit "Vöggudub" kratzen Samaris kurzzeitig an der Vorhölle zum Cafe Del Mar. Doch schon die nuancierte Farbgebung des Doppelpacks "Sólhvörf (I)" und "Sólhvörf (I)" streckt die Hand zur Versöhnung aus.

Die eigentliche Faszination geht von "Stofnar Falla" aus. Steinþórssons grazile Klanglangschaften, die hier an Jean Michel Jarre gemahnen, verbinden sich wundervoll mit Magnúsdóttis Klarinette und Ákadóttirs entrückten Gesang. Spätestens dieser gedankenverlorene Augenblick lässt uns erahnen, dass man von dem noch für dieses Jahr angekündigten Longplayer-Debüt großes erwarten kann.

Trackliste

  1. 1. Hljóma Þú
  2. 2. Viltu Vitrast
  3. 3. Góða Tungl
  4. 4. Stofnar Falla
  5. 5. Vöggudub
  6. 6. Sólhvörf I
  7. 7. Sólhvörf II
  8. 8. Kælan Mikla
  9. 9. Hljóma Þú (Muted Remix)
  10. 10. Viltu Vitrast (Opinberun Futuregrapher's Remix)
  11. 11. Góða Tungl (DJ Arfi Remix)
  12. 12. Stofnar Falla (Subminimal Remix)

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