laut.de-Kritik
Sechs gute Gründe für den Hype.
Review von Dani FrommOft lässt sich im Nachhinein schwer rekonstruieren, wo ein Hype eigentlich hergekommen ist. Im Fall Anderson .Paak ("Don't forget the dot, nigga, you paid for it!") dagegen liegt die Sache auf der Hand. Stolze sechs Featureparts auf Dr. Dres Album "Compton" beförderten den Mann, der sich zuvor noch Breezy Lovejoy nannte, genau dahin, wohin er gehört: ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Die Zeichen für den Nachfolger zu "Venice" könnten also gar nicht besser stehen.
Anderson .Paak beabsichtigt, die Gunst der Stunde zu nutzen. Der Weg in den Erfolgshimmel war schließlich auch kein Spaziergang. "So hard to be doin' what you really meant for, beauty", bekennt "Come Down", dem Hi-Tek die Pruduktion unterschob. "Funky as fuck" klingt da wie eine sträfliche Untertreibung.
"But don't I make it look easy? Don't I make it look good?" Hölle, ja! Anderson .Paak wandelt in einer Weise grazil durch die schwammigen Grenzgebiete von R'n'B und Hip Hop, kein Wunder, dass ihm die Fans aus beiden (und noch ganz anderen) Lagern scharenweise nachlaufen. Es sieht aber auch zu gut aus, und klingt noch besser.
Im krassest möglichen Gegensatz zu den Heerscharen an R'n'B-Interpreten, die alle über den gleichen Produktionen mit der gleichen Stimme die gleiche Schlafzimmerscheiße in den Äther schmachten (und die ich, wenn überhaupt, nur noch mit äußerster Mühe auseinander zu halten vermag), fällt Anderson .Paak in jeder Hinsicht komplett aus dem Rahmen, musikalisch wie stimmlich wie inhaltlich.
Klar, auch er trachtet danach, die gerade Auserkorene möglichst wirkungsvoll flachzulegen. Auch er lockt ins Schlafgemach, auch in seinen Tracks geht es zur Sache. Ganz schön handfest gelegentlich, lässt "Put Me Thru" durchblicken. In "Malibu" spielt sich aber noch viel mehr ab.
Allem voran vergisst Anderson .Paak nicht, woher er kam. Er reflektiert seinen doch einigermaßen plötzlichen Ruhm, die dürren Jahre vorher bleiben aber präsent und nähren das offenkundige Bedürfnis, seinem Umfeld etwas zurück zu geben. Das quillt geradezu aus der Hymne "The Dreamer", in der er mit Kinderchor im Rücken und Talib Kweli an seiner Seite allen kleinen Visionären da draußen Mut zuspricht: "Don't stop now, keep dreaming."
Vom Sozialfall zum Superstar: Es klingt wie eine moderne Version von "Cinderella". Dass ein solches Märchen Realität werden kann, dafür liefert Anderson .Paak ja aber den lebenden Beweis. Der alte Trick: Rückschläge wegstecken und ihre Wucht für eigene Zwecke nutzen: "What don't kill me is motivation."
Zur Motivation gesellen sich Rapskills und Gesangstalent. Die gerade in höheren Tonlagen zunehmend kratzigere Stimme besitzt immensen Wiedererkennungswert. Sprech- und anderer Gesang gehen nahtlos ineinander über. So flüssig, wie der Kerl flowt, so herzerwärmend singt er auch.
"Music ain't music without soul", konstatiert ScHoolBoy Q in "Am I Wrong" und muss sich überhaupt keine Sorgen machen. .Paak auch nicht, wenn er meint: "I never wanna waste your time, my life, so precious, is yours, is mine." Von Zeitverschwendung bleibt "Malibu" Welten entfernt.
Einfalls-, facetten- und detailreich produziert der Urheber selbst, wie etwa in "The Bird": Wie improvisiert wirkt die Kulisse, in der Gitarre, Drums, eine verwehte Trompete, Sprach- und Gesangsfetzen ineinandergreifen, als habe man die einzelnen Bestandteile im Vorüberschlendern aufgeschnappt. Dass sie sich dennoch zu einem stimmigen Ganzemn fügen, zeigt die Kunst des Arrangeurs: "I learnt my lessons from the ancient roots." Wie man hört, hat der Unterricht gefruchtet.
Anderson .Paak verlässt sich aber auch auf erprobtes Handwerk anderer: Hi-Tek erwähnte ich bereits. Zweimal sitzt DJ Khalil an den Reglern. Er sorgt zum Beispiel in "Heart Don't Stand A Chance" für das Gefühl, irgendwo zwischen Softporno und LSD-Trip hängen geblieben zu sein, während im Hintergrund "the greatest hits of Hall & Oates" laufen: grandios. Die erste, knisternd verrauschte Hälfte von "The Season / Carry Me" verantwortet 9th Wonder. Den Beat zu "The Waters" steuerte Madlib bei.
Die Features lesen sich nicht viel magerer: BJ The Chicago Kid, Rapsody, The Game, Talib Kweli, ScHoolBoy Q - Namen, die man allesamt schon ein-, zweimal gehört haben dürfte. Trotzdem hinterlässt "Malibu" das Gefühl, dass Anderson .Paak die Platte auch ganz alleine hätte wuppen können.
"Might not get any better", orakelt "Without You". Gut möglich, dass "Malibu" tatsächlich Anderson .Paaks Zenit markiert. Die Latte hat er damit allerdings in ganz schön schwindelnde Höhen gelegt. So oder so gilt: "The moment is all that we have." Lasst ihn uns also auskosten. "Let's celebrate while we still can."
4 Kommentare mit einer Antwort
Gestern auch durchgehört. Die ersten 4-5 Songs sind mit seinen Funk- und Jazzvibes richtig gut, die Features sorgen für gute Laune, nur in der Mitte stören mich ein wenig die Elektroeinflüsse und das etwas monotone Songwriting, was sich aber gerade in den letzten beiden Tracks wieder fängt. Wie der Kerl zwischen Rap und Gesangsstimme hin- und herflowt, macht ebenfalls Laune und klingt fresh. Kann man also durchaus feiern. 4/5 passt.
'Venice' finde ich weit besser, das hier ist mir zu musikalisch, zu viele Instrumente, sollte klar sein.
https://www.youtube.com/watch?v=Q_UsmvtyxEI
So in etwa?
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Für mich klar 5*. Das beste was ich die letzen Jahre aus dem Genre Soul/R&B gehört habe! Klare Steigerung seit dem letzten Album zu hören.