laut.de-Kritik
Guter Anlass, alte LPs und Filme raus zu kramen.
Review von Philipp KauseLange bevor sich die Schauspielerin Barbra Streisand bereitwillig von Synth-Softpop und Disco vereinnahmen ließ und bei uns bekannt wurde, war sie in Amerika ein Star in Musicals, Jazz-Variété, in Filmen sowieso, und mit folkig-flockigen Songwriter-Alben. Dabei coverte sie auch unbekannte Nummern sehr bekannter Leute wie Burt Bacharach, Paul Simon, Carole King, Randy Newman und The Beatles.
An viele Stücke glaubte 'man' (teils sie selbst, teils die Labels) seinerzeit nicht so recht. In "Being Good Isn't Good Enough" griff sie diesen Umstand schon mal 2012 textlich-autobiographisch auf. So manches blieb übrig und schaffte es nicht auf die Vinylscheiben. Um solche Einzelstücke geht es jetzt auf "Release Me 2".
"Release" im Sinne des Herauslassens, Freilassens trifft die Stimmung auf der Platte: Inneres nach außen kehren, Momente der Einsamkeit, Gedanken um 4 Uhr früh, konkret in "Sweet Forgiveness (1993)" auch in den Lyrics dargestellt. Dieser Song ist einer der jüngsten der Compilation und etwas überladen. Leider wirkt sogar der etwas geschliffenere Remix, der nur digital erscheint, allzu opulent - was auf die Hälfte des Materials hier zutrifft.
Streisand beherrscht die Ebenen des Pathos und des schmalzigen Kitsches spielend. Das ist erst mal gut so. So lässt sich pro Barbra anführen, dass ihre Stimme alleine vollauf mitreißt, weil sie starke Klimax-Bögen aufbaut. Die andere Seite der Medaille: Dicke Geigen-Schichten obenauf braucht der Vortrag dann gar nicht. Sie wirken umso mehr doppelt gemoppelt, je mehr Streisand sich reinsteigert.
Manchmal machen die Violinen eine gute Figur, wie in Randy Newmans "Living Without You (1971)", wenn die Streicher höflich-dezent dem Flügel den Vortritt lassen. In "Be Aware (1971)" geht der Über-Input sehr geschmeidig und perfekt auf. An anderen Stellen, wie auf "One Day (A Prayer) (1968)", kippt die überzuckerte und Musical-hafte Produktion in Richtung Mary Hopkin; Musik, die immerhin damals wirklich angesagt war.
Die Frage ist, was solche Lieder heute, entkontextualisiert, so wirklich leisten können. "Right As The Rain (1962)" zerrt mit einem markanten Kontrabass-Stakkato und liebenswerten Klarinettentrillern dem Hörer holzvertäfelte Tonstudios und US-Filme mit barocker Requisiten-Üppigkeit vors geistige Auge. Bestenfalls weckt die Nummer Lust auf gute, alte Sixties-Filmmusik und eventuell die zugehörigen Streifen.
Schön, wie der kindlich-unschuldige Vortrag der damals 20-jährigen Sängerin schon durch den hörbaren Augenaufschlag imponiert, und trotzdem verkörpert sie hier allzu klischeehaft das Rollenmuster des naiven Bond-Girls der ersten Connery-007-Filme. Mit Zeilen wie "Der Regen füllt die Welt mit dem Blau unserer Liebe" wirkt das heute schon so heftig altmodisch, dass die handwerkliche Perfektion banal erscheint und den Anachronismus kaum aufwiegt. Heutiger Eindruck: Dekadent, schwülstig, bieder; etwas unangenehm.
Großartig an der Compilation ist die Wahl relativ unbekannter Nummern, einige von ihnen sind echte Perlen. Eigentlich schade, dass sie nie erhältlich waren! Da wäre "If Only You Were Mine (2005/2021)". Es entstammt den zweiten Sessions mit Bee Gee Barry. "Wir hatten uns entschieden, ein zweites gemeinsames Album zu machen, weil das erste so viel Spaß machte", sagt die Sängerin heute, "die Platte, die mir am leichtesten von allen je fiel." Doch dann gab es schon wieder zu viel neues anderes Material, und man stellte das Lied nie fertig. Erst jetzt.
Gibb ist hier am Mikrofon zu hören. Der fluffige Novelty-Track hüpft in einer klaren, freundlichen Aufnahme mit netten Lautmalereien vorbei, läuft schnell durch, wirkt unkompliziert, schlicht, eingängig , geschmackssicher instrumentiert. Eigentlich gibt es vor allem einen Beat und einen unablässigen Bewegungsstrom aus ruhigen Keyboard-Wogen. Und eben den Duettgesang. "Ich mag dein....", fällt Barbra Barry ins Wort, als dieser "ba-ba-dam-bam-bam" macht, und dann lässt sie ihren Songtext fallen und stimmt mit ein. Ein sehr ehrlicher Moment, weil er den Spaß der beiden an der Zusammenarbeit und am Singen per se zeigt, wofür es nicht immer die großen Worte braucht.
Stark wirkt auch, wie Barbra ihre Kollegin Carole King jenseits von deren Charts-Erfolgen zu schätzen weiß und covert. Die '73er-LP von Carole enthält etliche 'hidden treasures', verborgene Reichtümer.
Hierzu zählt "You Light Up My Life (1974)". Dieser Soulpop-Ballade zeigt sich Streisand bestens gewachsen - übrigens sogar als Produzentin ihrer selbst. Dass wiederum Babyface "I'd Want It To Be You (2014)" produzierte, überrascht ein bisschen, weil es ein Duett mit Willie Nelson ist und nach Nashville-Slide-Gitarre klingt. In jedem Falle gut geworden.
Imposant hört sich das Duett mit der Filmstimme Jim Hensons aus der US-Muppet Show an. In Amerika war Jim in den 70ern vielleicht ein bisschen mit Christoph aus der "Sendung mit der Maus" bei uns vergleichbar. Henson, Puppentheater-Multitalent, performt "Rainbow Connection" als gesprochene Nummer im Muppets-Spielfilm von 1979. Neu ist jetzt die Gesangsstimme von Barbra obenauf.
"Release Me 2" knüpft an eine Art Teil Eins an, der aber schon vor fast zehn Jahren erschien. Die neue Scheibe mit den alten Aufnahmen muss man sich nicht zwingend ins Regal stellen; auch als Fan nicht. Als plumpe Geschäftemacherei braucht man "Release Me 2" gleichwohl nicht abtun. Die Künstlerin hat sich mit akribischer Neugier um die Rekonstruktion der alten Aufnahmen gekümmert. Das Ergebnis ist eben ganz nett, aber kein Must-Have.
1 Kommentar mit einer Antwort
Baaburaaa! Baaburaaa!
Ichiban kirai na hiiitooo
Baaburaaa! Baaburaaa!
Hana ga okiii
@morpheau:
Wenn der nächste Nagel in die Wand soll, such' Dir besser einen Fachmann.
Gruß
Skywise