laut.de-Kritik
Dass die Franzosen Rammstein remixten, hat einen Grund.
Review von Mathias MöllerWas für ein Jahr für alternative elektronische Musik. Erst bringen Digitalism ein Hammeralbum auf den Markt, dann landen Justice ihren Raumkreuz(er), und wenn man sich gerade zurücklehnen will, um den Spätsommer zu genießen, kommt mit "Burn Your Own Church" noch so ein Monster aus Frankreich.
Genau genommen ist dieser Longplayer das Debütalbum der beiden Pariser Arnaud Rebotini und Ivan Smagghe, die zwar schon eine halbe Ewigkeit miteinander produzieren und remixen, aber halt noch nie eine Langrille auf die Reihe bekommen haben. Interessanterweise ist Smagghe bei der technischen Umsetzung gar nicht beteiligt gewesen. Er zeichnet lediglich für die Lyrics verantwortlich. Rebotini wird auf "Burn Your Own Church" musikalisch von David Shaw (Gitarre, Bass) und Benjamin Beaulieu (Schlagzeug) unterstützt.
Und zu dritt sorgen sie für einen ganz dicken Sound. Kaum hörbar geht es los, dann setzt ein Standardbeat ein. "Brenn Di Ega Kjerke" wirkt zunächst wie ein regulärer Housetrack, vielleicht mit einem Schuss Trance versehen. Wenn die Hi-Hats einsetzen und das kratzige Gitarrensample sich dazu gesellt, beginnt der Opener mächtig zu schieben. Und hört und hört nicht mehr auf. Sechseinhalb Minuten lang denkt man "What the fuck?" und bangt sich zu einer fiesen Double-Bass Attacke das Hirn aus der Rinde.
Was man jetzt vielleicht schon ahnt, bestätigt sich in der Folge mit Nummern wie "Blood Shut Eyes" oder "Not What You Need": Black Strobe sind die wahren Rocksäue im Elektrozirkus. Vergesst, was andere über Justice geschrieben haben. Augés und de Rosnays Rockerqualitäten in allen Ehren, es hat seinen Grund, dass ausgerechnet Black Strobe schon Bands wie Rammstein remixen durften.
Wer allerdings erwartet hat, dass es die ganzen 55 Minuten auf die Zwölf gibt, irrt. Black Strobe sind viel mehr als gitarrenschwingende Elektrohools. Das beweist schon das kühl groovende "Shining Bright Star", Kennern spätestens bekannt seit "A Remix Selection". Hier hört man gleich zwei Einflüsse durch: Im Hintergrund wabert ein Depeche Mode-Sample, im Vordergrund schlagen die Synths Industrial-inspirierte Töne an.
Hier zeigt sich auch, dass sich Black Strobe nicht einer normalen Songstruktur verschließen. Noch deutlicher wird dies mit "Girl Next Door". Während der ruhigen Stücke verbreitet die Band eine leicht gespenstische, etwas düstere Stimmung. Und klingen dabei wie eine reguläre Gitarrenband: Gitarre, Bass, Drums und Keyboards prägen den Sound von "Burn Your Own Church".
Völlig hohl scheint das Trio bei "I'm A Man" zu drehen, die Nummer ist ein waschechtes Blues-/Southernrock-Stück. Das obendrein noch richtig hart rockt. Das folgende "Lady 13" bildet musikalisch geradezu eine Antipode zum vorangegangenen Stück. Es beginnt mit einem atonalen Piano, das in eine hypnotische Melodie übergeht, die immer elektroider wird.
Als weiterer derber Elektrorocker entpuppt sich "You Should Be". Hier gibt es gegen Ende nochmal richtig auf die Fresse. So führen sie zum Schluss des Albums noch einmal alle Stile zusammen: "Buzz Buzz Buzz" könnte auch als leicht verspulte Acid-House-Nummer in der Disco laufen und erinnert dezent an die Landsmänner von Justice. Das epische "Last Club On Earth" schließt den elektronischen Teil von "Burn Your Own Church" ab.
Das düstere "Crave For Speed", das in seiner Instrumentierung an die "Balladen" der Nine Inch Nails erinnert, beschließt diesen unterhaltsamen Höllentrip von einem Album. Leichte Kost ist "Burn Your Own Church" nicht, doch am Ende ist man genau dazu bereit: Wozu braucht man Götzen, wenn man solche Musik hat?
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