laut.de-Kritik
Abstrakter Sound mit vielen Popzitaten und brillanten Hooks.
Review von Toni HennigDer Detroiter Rapper Danny Brown veröffentliche vor rund drei Jahren mit "Old" ein Album, das nicht nur sehr eigenständig klang, sondern aufgrund seiner eingängigen Hooks in den USA die Top 20 erreichte. Somit könnte der 35-Jährige auf Nummer sicher gehen und eine weitere Platte mit Partytracks abliefern. "Atrocity Exhibition" klingt entgegen der Erwartungshaltung aber unangenehmer und sperriger.
Die Musik lebt auch weiterhin von Referenzen, die sich über die Grenzen des Hip Hops hinwegsetzen. Der Albumtitel zitiert das mysteriöse Eröffnungsstück der Joy-Division-Platte "Closer" (1980). Das von einer tiefen Bluesgitarre getragene, vernebelte "Downward Spiral" spielt auf das 1994er-Album von Nine Inch Nails an.
"Rolling Stone" mit groovendem Basslauf und dem zugänglichen Refrain von Petite Noir bezieht sich auf den Klassiker "Like A Rolling Stone" von Bob Dylan. Mit Zahnlücke und zerzauster Frisur entsprach Danny schon rein optisch nie den gängigen Hip-Hop-Klischees.
Dennoch hinterlässt der ernste und kritische Rap-Ansatz alter Weggefährten wie Kendrick Lamar und ScHoolboy Q seine Spuren auf der Platte. Kendrick wirkt neben Earl Sweatshirt und Ab-Soul auf "Really Doe" mit. Der Trip durch die brennende Motor City gewinnt durch die Gastfeatures eine gehörige Portion Drive und erweist sich als ein starker Banger. In "Pneumonia" sinniert Danny über Krankheit und Tod, während ScHoolboy Q eine abgehackte Hook beisteuert, die an das Feeling seines aktuellen Longplayers "Blank Face LP" anknüpft.
"From The Ground" mit Kelela integriert moderne R&B-Elemente, die das düstere Klangbild ein wenig aufhellen. Nur das verkiffte "Get Hi" mit B-Real von Cypress Hill fällt wegen seiner plakativen Hook im Albumkontext ab.
Trotz dieses kleinen Schönheitsfehlers punktet "Atrocity Exhibition" mit viel Abwechslung und Spannung. Unterschiedliche Einflüsse aus Hip Hop, Future-R&B, Post-Punk, Rock, Jazz und Elektronik verwebt Danny Brown zu einem abstrakten, abenteuerlichen Soundclash. Sein quengeliger Vortrag bewegt sich sehr oft neben der Spur. Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander.
In dem überdrehten Höhepunkt des Albums, "Ain't It Funny", und dem surrealen "White Lines" überstrapaziert er seine Stimmbänder bis aufs Äußerste und experimentiert mit einer Vielzahl an Samples und musikalischen Effekten. Ruhe kehrt später mit den hektischen Tracks "When It Rain" und "Today" nicht ein, bis sich zum Schluss in "Hell For It" der Himmel über Detroit mit einem dramatischen Pianosample verdunkelt.
Dennoch waren Momente der Selbstbetrachtung und Poesie bei Danny Brown nie so präsent wie auf "Atrocity Exhibition". Der 35-jährige setzt auf ein verstörendes, ambivalentes Klangbild, dem es an griffigen Hooks trotzdem nicht mangelt. Der zerrissene emotionale Charakter vieler Tracks verlangt dem Hörer dagegen Einiges ab. Für Danny ein mutiger Schritt in eine neue Richtung.
4 Kommentare mit 10 Antworten
Ich ficke nicht mit diesem Daniel Braun.
Besser isses!
Ich weiß bisher nicht so ganz, was ich davon halten soll...Aber dieser Toni muss mir mal erklären, was denn eine "fehlende Zahnlücke" sein soll.
Eine poetische Stilblüte. Leider habe ich versehentlich was übersehen im Text.
Ist korrigiert.
Heis zwar nicht Toni aber von der Sache her hat der Probant eben kein Zahnlücke. Der Ausdruck ist echt kurios.
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
quod erat demonstrandum
Hast dich beim ersten Versuch vertippt, Nicklas?
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Schönes Review, Toni! Ich würde trotzdem die Höchstnote zücken. Obwohl sich mit "Get Hi" tatsächlich ein eindeutiger Schwachpunkt erkennen lässt, den ich aufgrund seiner unerträglich peinlichen Hook (sowohl Text als auch Klang) sogar skippen muss.
Kratzt wirklich fast an der Höchstnote, aber es braucht wegen der vielen unterschiedlichen Stilistiken und den abstrakten Beats auch wirklich etwas Zeit und mehrere Durchläufe.