laut.de-Kritik

Das Beste kommt zum Schluss.

Review von

Allen Inkarnationen von Deep Purple ist gemeinsam, dass sie einen Teil des Vermächtnisses der britischen Hardrock-Innovatoren ausgemacht haben. Die Summe der einzelnen Teile ergibt dabei das Ganze; davon kündet der Titel des neuen Albums "=1", sprich "Equal one". Hinzu gesellt sich die Prise Magie, die jeder einzelne Charakter im Zusammenspiel entfacht. Nach den Frühsiebziger-Benchmarks, die in je eigens stimmiger Form die Laison von Rock und Klassik vorangestrieben haben ("In Rock"), brachten Glenn Hughes und David Coverdale auf "Burn" Funk und Soul stärker zu Geltung.

Dem Achtziger-Höhenflug als routinierte Rock-Helden mit einem Hang zum Herrenwitz ("Perfect Strangers"), folgte der kreative Kotau Anfang der Neunziger. Nach einem kurzen Intermezzo von Sci Fi-Gitarrero Joe Satriani - Blackmore war mal wieder off - übernahm der Virtuose Steve Morse (Dixie Dregs, Kansas) das Saiten-Zepter. Morsw blieb länger als jeder Gitarrist vor und wohl auch nach ihm in der Band und trug maßgeblich dazu bei, dass Alben wie "Bananas" oder "Whoosh!" zu zeitgenössischen Neuerfindungen des Markenkerns wurden und eben nicht, wie viele glaubten, als Austellungsstück in den Vitrinen des Classic Rock-Museums endeten.

In der Vergangenheit gerieten die Wechsel auf der Position des Sechs-Saiters bei Deep Purple meist dramatisch bis tragisch. Wenn man sich anschaut, wie geräuschlos und professionell der privat bedingte Abgang des langjährigen Gitarristen Steve Morse zum funkensprühenden Iren Simon McBride von statten gegangen ist, kann nur von guter Kaderplanung in Verbindung mit der Weisheit des Alters die Rede sein.

Von den Granden der Siebziger sind die orgelgeschwängerten Rock-Exegeten die letzte verbliebene Konstante. Black Sabbath und Led Zeppelin existieren als körperlose Soundgeister auf Vinyl oder in irgendeiner Cloud und genießen ihren Platz im Rock-Olymp. Bei Gillan und Co. ist nicht nur der Selbsterhaltungstrieb ausschlaggebend für weitere kreative Exponate, sondern die Akribie und Arbeit von Bob Ezrin, fünfter Beatle oder sechster Purple, Produzent seit 2013 und neben der klanglichen Gestaltung entscheidend für das Songwriting. Er ordnet und verwirft Ideen, findet Kompromisse, an denen die heißspornigen Musikerhirne früher öfter Mal gescheitert sind.

Das in Sachen Artwork und Neuerfindung an "Now What?!" erinnernde "=1" hat es in sich. Der 45-jährige McBride haucht den alte Herren neues Leben ein. Der Opener "Show Me" punktet mit einem ostinaten Riffs und chromatischen Harmonie-Verschiebungen. "A Bit On The Side" hat eine deutlich metallische Schlagseite. Im exquisiten Solopart zieht Don Airey einige schwerelose Sounds aus seinem Keyboard-Köfferchen, bevor Ian Paice in "Black Night"-Manier einige schmackhafte Fills einstreut. Zum Finale furioso hin tobt sich McBride gemäß seiner Sozialisation mit den Posern und Flitzefingern der Achtziger aus.

"Sharp Shooter" mit seinen dezent eingestreuten Gospel-Backings lädt zum Popowackeln ein, bevor die Bridge gekonnt kippt und in die Hook-Hall of Fame einzieht. "Portable Door" beginnt wie der kleine Bruder von "Black Night" mit seinem Single Note-Riff, das der Call and Response-Masche folgend von kreischenden Harmonien beantwortet wird. Dieses Riff-Motiv spinnen die beiden Solisten an den Tasten und Saiten kontrapunktisch weiter - gerade Airey ist ein ausgewiesener Papa Bach-Experte - und ziehen in je eigener Ausformulierung vom Leder.

Mit "Old-Fangled Thing" spendiert die Gruppe eine Uptempo Nummer, die sich auf Albumdistanz die Medaille als "Speed King" um den Hals hängt. Um die sehnsüchtig schmachtenden Harmonien spinnt Ian Gillan bitter-süße Melodien. Der Schrei am Ende klingt zwar wie Karter Carlo auf Katzenfutter-Entzug, zeigt dennoch, dass der 79 Lenze zählende Sänger spontan und voller Spaß an der Sangesfreude agiert.

Zu "If I Were You" lässt sich erstmals nach fünf Brechern Luft holen. Die mit Orchestrierung klanggetupfte Ballade verfügt über einen kraftvollen Refrain. Beide Parts - der sphärische wie der strotzende - sind durchzogen von Rhythmus-Wechseln, die die Dramatik unterstreichen, die sich wiederum im himmlischen letzten Drittel förmlich überschlägt und einen Hauch "A Day In The Life" versprüht.

"Pictures Of You" besteht aus kontrastierenden Parts, nämlich den trocken und pointiert gespielten Strophen und den melodischen Auffächerungen. Das Interlude führt den Hörer auf harmonische Abwege, bevor ein kurzer Solospot den Hörer wieder einfängt, der aus der auf der Gitarre wunderbar ausformulierten Gesangsmelodie basiert. Der Song endet mit einem atmosphärischen Zwischenstück, das direkt in die Zwillingsnummer "I'm Saying Nothing" überleitet und ganz auf den emphatischen Vortrag des Sängers zugeschnitten ist.

Das lässig gezockte "Lazy Sod" watet knietief im Genfer See, umhüllt von geheimnisvollen Rauchschwaden. Seine Lordschaft, Don Airey, orgelt sich ins Nirvana mit der für Purples Tastengötter ureigenen Mischung aus Rock und Klassik. Eine Rock-Peitsche vor dem Herren kommt mit "Now You're Talkin'" um die Ecke und biegt direkt auf den hauseigenen Highway ein. Den atemlosen Anfang überführt die Band in eine Grenzen und Genre spregende Instrumental-Sektion, die jeden der vier Instrumentalisten in das richtige Rampenlicht rückt und die Bärbel im Rock gehörig über die Tanzfläche wirbelt.

"I'll Catch You" ist eine akustische Umarmung. Blues-basiert wandert McBride wie einst Gary Moore über die Straßen von Paris die Blue Notes hoch und runter. Die textlich markierten "Mother Nature und Father Time" unterstreichen den weltumspannenden Gestus des Stückes. Danach ist mitnichten Schluss. Zum Abschluss wartet der beste Track seit vierzig Jahren, die vertrackt-verzückende Prog Rock-Suite "Bleeding Obvious". Ein Refrain so majestätisch wie "Perfect Strangers", in Stein gemeißelte Riffs, fantastische Flitzefinger-Einlagen und ein Akustik-Break, der die Tränen zieht und trocknet.

"=1" muss sich nicht vor den Klassikern verstecken und bleibt als Kind seiner Zeit nicht in der Vergangenheit stecken. Die beste Platte der Bob Ezrin-Jahre ist der 2024-Output allemal. Das Beste kommt zum Schluss? Aber Hallo!

Trackliste

  1. 1. Show Me
  2. 2. A Bit On The Side
  3. 3. Sharp Shooter
  4. 4. Portable Door
  5. 5. Old-Fangled Thing
  6. 6. If I Were You
  7. 7. Pictures Of You
  8. 8. I'm Saying Nothin'
  9. 9. Lazy Sod
  10. 10. Now You're Talkin'
  11. 11. No Money To Burn
  12. 12. I'll Catch You
  13. 13. Bleeding Obvious

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4 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 8 Stunden

    Habe bisher nur wenige der Songs als Video gesehen/gehört. Gefiel mir musikalisch sehr sehr gut.

    Was mir den Spaß aber deutlich verleidet ist der Gesang.

    Das letzte, was ich von Gillan zuvor gehört hatte, war die Live-Bonus-CD von der inFinite-Scheibe. Das war schon weit entfernt von einstigen Höchstleistungen - aber hier klingt er für mich dermaßen saft- und kraftlos in einem stark limitierten Tonumfang und ohne jede stimmliche Variation und Modulation.

    Kann ja verstehen, dass sie den alten Kumpel nicht einfach aus der Band werfen wollen, aber ich würde mir die wirklich tolle Musik viel lieber mit einem Sänger anhören, der es noch drauf hat.

    • Vor 8 Stunden

      Alter ist keine Entschuldigung für solche Leistungen. Wer als Rentner so klingt wie Gilian, der macht sich einfach nicht die Mühe, den Gesang ähnlich zu üben wie die anderen Musiker ihre Instrumente üben müssen.

      Stimmt, er nimmt den Tracks wirklich das Leben. Sehr schade!

    • Vor 6 Stunden

      "Alter ist keine Entschuldigung für solche Leistungen."

      Natürlich ist es das.

    • Vor 3 Stunden

      Nope. Stimmtraining wird im Alter wichtiger. Wer das nicht macht, dann hört man das, und da finde ich Alter keine gute Entschuldigung für Faulheit.

    • Vor 3 Stunden

      Faulheit? Die spielen seit 1968 ihre Ärsche ab, und dann kommst du mit Faulheit?

      "Stimmtraining wird im Alter wichtiger."

      Mag ja sein. Trotzdem ist das Alter ne Entschuldigung. Der will (oder muss) mit fast 80 Jahren niemandem mehr was beweisen, am wenigsten überkritischen Bewohnern der Salzmine.

      Außerdem ist diskutabel bzw gar nicht feststellbar, ob selbst Stimmtraining in diesen Umständen und diesem Alter überhaupt noch was reißen würde. Dein Argument ist verächtlich und spekulativ.

    • Vor 37 Minuten

      Glenn Hughes war vor kurzem auch auf Tour.
      Der leistet auch lange nicht mehr das, wozu er gesanglich mal in der Lage war. Aber Gillan singt er sicherlich in Grund und Boden.
      Woran es auch immer liegt - Abnutzung der Stimme oder zu wenig Training - spielt ja eigentlich keine Rolle. Fakt ist, dass die gesangliche Leistung nicht das ist, was die musikalische Leistung verdient hätte - und somit das Gesamtergebnis deutlich schmälert.

    • Gerade eben

      Zieh Dir mal Russell Mael von den Sparks rein, Schwingster. Alles, was der mit seinen 75 Jahren macht, ist rigoros jeden Tag die Stimme zu trainieren und sich technisch fit zu halten, besonders auf Touren. Der erreicht in seinem Alter beinahe mühelos die hohen, kristallklaren Noten, die er mit Mitte 20 sang. Diverse Opernsänger hohen Alters sind natürlich auch ein guter Gegenbeweis.

      Es ist ein Mythos, dass eine Stimme zwangsläufig schwach und krächzend wird im Alter. Wenn man sich nicht um sie kümmert, und ein Leben lang falsch gesungen hat, dann geht sie so kaputt wie bei Gillan. Ich finde das faul, aber man kann es auch genügsam nennen.

      Diese Platte zieht er jedenfalls runter, denn die anderen Opis spielen sehr fit.

  • Vor 5 Stunden

    5 Sterne. Das Beste seit Ewigkeiten.

  • Vor 3 Stunden

    Eine zutreffende Plattenkritik und zugleich verdiente
    Reminiszenz an Deep Purple von Yan Temminghoff! Das Album ist einfach der Hammer!