laut.de-Kritik

Wirrer Spagat zwischen Kommerz und Kunst.

Review von

"Ask That God": Manchmal scheint ein Trend-Gott die grobe Richtung vorzugeben. 2008, es war die große Zeit von Modern Rock und Urban im Radio, Prog und Blues waren wieder im Kommen, "The"-Bands und fragiler Folk beherrschten viele Print-Magazine. Nichts war so out und vergessen wie Elektropop. "Music On The Radio" fand weitgehend ohne dieses Genre statt. Ein Zustand, den man sich heute kaum vorstellen kann, jetzt ist es eher umgekehrt. Das Empire Of The Sun, das Reich der Sonne, war für diese Trendwende selbst eine einflussreiche Größe.

Das australische Team Luke Steele und Nick Littlemore releaste in derselben Woche, in der Lady Gaga ihr "Poker Face" zeigte, den legendären Song "We Are The People". Bald rollte eine immer massiver werdende Welle einmal von Marina und Hurts, Foster The People, (dem stilistisch gewandelten) Caribou bis zu Caligola. Das Empire erhielt dann das Angebot eines großen Mobilfunk-Unternehmens, "We Are The People" für einen Werbespot zu lizensieren. Das Duo stimmte zu, und somit mauserte sich der Tune zweieinhalb Jahre lang zum Dauerbrenner. Als mit Gotye der nächste Australier nebst Neuseeländerin Kimbra nachlegte, war die Trend-Welt im Sommer 2011 endgültig eine andere. Bis heute profitieren davon zum Beispiel viele ESC-Teilnehmer:innen, gerade wenn man auf 2024, Marina Satti und andere blickt. Empire Of The Sun haben mit ihrem freundlichen Lied also Geschichte geschrieben.

Die Magie von damals hallt in manchen Nummern auf "Ask That God" immer noch nach. Der Titelsong ist "We Are The People" ein bisschen nachempfunden. Empire Of The Sun hören sich so an, als ob sie Leute verbinden wollten, um sie - wie man heute sagen würde - zu 'empowern'. Sie strahlen manchmal noch mehr Sonnenschein als die Beach Boys aus, und ihre geschmackvollen Grooves etwa in "Rhapsodize" und "Wild World" gehen gut ins Ohr. Manchmal reicht dafür eine zarte Ambient-Toninstallation mit Vibraphon-Samples, Loops und heller Lautmalerei ("Wild World").

Der Haken an der Sache: Während die A-Seite der Platte den gänzlich überflüssigen, aber akkuraten Abklatsch von Talk Talk, Nik Kershaw, Visage, 90er-OMD und Stock/Aitken/Waterman wagt, finden sich erst im zweiten Teil süße Spielereien, Schnörkel, Stimmungsbilder und Geschichten. Zunächst muss man allerdings eine Portion Synth-Schlager und besoffen anmutende Disco-Stomper ("The Feeling You Get", "Changes", "Television") auf stupiden 80er-Hackbeats mit Stimmbruch-Vocals ("Cherry Blossom", "AEIOU") überstehen.

"Wild World" könnte dagegen zwischen Power-Nap und Meditation sowohl in Hängematten als auch auf Yoga-Matten gut ankommen. "Happy Like You" befleißigt sich einiger Einfälle an elektronischen Effekten, tariert fein dosierte Beats und Stimme auf ausgeklügelte Art aus. "Revolve" brilliert als brauchbare Floor-Musik für Modenschauen, weil es die dort gern genutzte Unverbindlichkeit und entfernte Verwandtschaft mit House eingeht, aber gleichzeitig noch genügend nach Daytime-Dancepop klingt.

Die Gesänge des Burn-Out-Titelstücks stechen heraus: "I need the rest / I'm so depressed / I don't feel the best / I need to live to survive (...) and all of this time / I've been waiting on you to call (...) Just ask that God / to be a river right through your blood." Da wird eine höhere göttliche Macht angerufen, um eine Post-Trennungs-Depression zu kurieren.

Die letzten drei Tracks bilden so etwas wie eine fantasievolle Suite. Gegenüber dem "Two Vines"-Album, auf dem eine Alice Dee (LSD?) unterwegs war, stellt das eine Weiterentwicklung dar. Das XL-lange "Rhapsodize" überrascht als Traum-Sequenz mit Spoken Word und Stimmen-Samples. "Friends I Know" rundet die insgesamt gelungene B-Seite flüsternd und als Schlaflied ab: "Goodnight my friend / sweet dreams." Lyrisch allerdings eher eine Random-Kollektion an Reimen, die eine Atmosphäre schaffen, aber nichts Wirkliches erzählen.

In "Rhapsodize" zeichnet Luke Steele, der während der Empire-Pause solo die österreichischen Top 50 knackte, ein Natur-Szenario. Auch hier fehlt ein konkretes Geschehen. Aber er zaubert viele Bilder vor Augen, singt über "Säugetiere, Amphibien, Insekten, alle Arten von Lebewesen (...) / Ohrenqualle, Schirmqualle, Dinosaurier, großer weißer Hai / Braunbär, Kamel, Puma / Büffel, Gorilla, Riesenmarder, Elefant (deine schönen Augen)." - Welche Pilze hier wohl im Spiel waren? So einen krassen Spagat zwischen Kommerz-Müll und Kunst-Liebhaberei findet man auf einem Album jedenfalls selten.

Trackliste

  1. 1. Changes
  2. 2. Cherry Blossom
  3. 3. Music On The Radio
  4. 4. The Feeling You Get
  5. 5. AEIOU
  6. 6. Television
  7. 7. Happy Like You
  8. 8. Revolve
  9. 9. Wild World
  10. 10. Ask That God
  11. 11. Rhapsodize
  12. 12. Friends I Know

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