laut.de-Kritik
Die Londoner klopfen sich beschwingt den Lockdown-Staub ab.
Review von Christian KollaschWie erhält man sich eigentlich sein sonniges Gemüt? Nachdem Foals mit ihrem ambitionierten Doppelpack "Everything Not Saved Will Be Lost" 2019 eindringlich auf den Klimawandel aufmerksam gemacht hatten, stand mit der Covid-Pandemie sogleich die nächste Krise für die Welt ins Haus.
Tourstopp, Isolation und Abstand zwangen die Londoner Indie-Dauerbrenner in die Pause, doch anstatt in einen Pandemie-Winterschlaf zu fallen, nutzte die Band den Lockdown, um eine ihrer kompromisslosesten Dance-Platten zu schreiben. So wirkt "Life Is Yours" auf gesamter Länge wie ein Befreiungsschlag, mit dem sich das Trio hüftschwingend den Lockdown-Staub abklopft.
Passend zur Wiedereröffnung der Dancefloors in Clubs und Konzerthallen liefern Foals nun die optimale Begleitung von pointierten Riffs, die sie leichtfüßig auf eine Mischung aus Indierock, Synthiepop, Funk und Electronica legen. Dass sich die Band dieses beschwingte Lebensgefühl im tiefsten Londoner Lockdown bewahrt hat, stellt eine bemerkenswerte Leistung dar.
Das Timing passt also, der Groove sitzt, und auch konzeptuell haben Foals den richtigen Weg eingeschlagen. Wo der gelungene Vorgänger mit seinen zwei Ausgaben mitunter schwer beladen wirkte, entschlackt die Band auf "Life Is Yours" den Inhalt und bricht ihn auf eine knackige Spielzeit herunter, die fast ohne Filler auskommt.
Mit der Produktion machten sie ebenfalls eine Kehrtwende. Den Vorgänger hatten Foals noch komplett in Eigenregie gestemmt, bei "Life Is Yours" setzten sie auf ein Teamplay mit gleich mehreren Produzenten, unter anderem John Hill (Florence And The Machine, Portugal. The Man) und Dan Carey (Tame Impala).
Von zu vielen Köchen kann aber nicht die Rede sein. Hier ergänzen sich alle Beteiligten wunderbar und kreieren einen Sound wie aus einem Guss. Auf Albumlänge besteht indes genug Variation, ohne dass Foals zu große Haken schlagen müssen. Der Titeltrack eröffnet "Life Is Yours" mit den wohligen Foals-Markenzeichen bestehend aus vertrackten Rhythmen von Schlagzeuger Jack Bevan, Synthie-Antrieb von Jimmy Smith und Yannis Philippakis' verträumten Gesangsmelodien. Der Song besteht den Vibe-Check auf Anhieb und die Hüfte bewegt sich hier schon fast von alleine.
Die sollte dann aber spätestens beim furiosen Tanzflächen-Stürmer "Wake Me Up" nicht mehr stillstehen. Hier beweisen Foals mit einer guten Prise Funk, dass sie auch nach sechs Alben noch großartige Dance-Hits der Marke "My Number" oder "Total Life Forever" hervorbringen können. "Wake Me Up" darf sich auf Dauer in das Live-Pflichtprogramm einreihen.
In der Produktion machen sich hier auch die hervorgehobenen Drums bemerkbar, die hier tief schmatzend aus den Boxen klatschen. So druckvoll klangen Foals selbst in ihren größten Momenten wie "Inhaler" nicht. Die Rhythmussektion mag man nun als zu aufdringlich empfinden und sich ein etwas ausgeglicheneres Klangbild herbeiwünschen. Mit dem Fokus auf die Tanzfläche distanzieren sich Foals aber logischerweise vom klassischen Indierock-Klang aus den Anfangszeiten und stellen den Beat auf das Podest.
So auch in "2am", das sich zunächst mit Percussions anschleicht, in die dann ein Ohrwurm-Riff butterweich schneidet. Philippakis baut mit seinem Text über durchgemachte Nächte, Verdrängung und Selbstzerstörung den lyrischen Kontrast zum Party-Sound: "And I've been here before / I was always wanting more / But I never knew when to end". Bei all der Feierlaune verstecken Foals ihre nachdenkliche Ader immer wieder zwischen Drinks und Stroboskop-Licht.
"2001" hält im Anschluss mit weiteren Funk- und Disco-Eskapaden das Tempo hoch. Auch hier blubbert der Sound feucht-fröhlich zum treibenden Rhythmus. Foals basteln ein Klanggerüst aus so vielen verspielten Schichten, dass erst bei mehreren Durchgängen die zahlreichen Spitzen auffallen. Währenddessen taucht John Travolta in weißen Schlaghosen vor dem geistigen Auge auf. Die Discokugel glitzert an dieser Stelle besonders hell.
Erst "Flutter" nimmt mit seinem zappeligen Synthie-Thema das Tempo etwas heraus und stampft stoisch zum Höhepunkt, auf dem das markante Gitarrenriff die Wall of Sound durchbricht. "Looking High" fängt diesen Moment mit federleichtem Dream-Pop auf. Im Refrain geben sich Foals beinahe schwerelos, während Philippakis' Stimme im Hall entschwindet.
"Under The Radar" liefert mit seinem New Wave-Basslauf weiteres Retro-Feeling, bleibt aber im Hinblick auf die Vorgänger etwas blass. Bei diesem Lauf ist das jedoch Kritik auf sehr hohem Niveau.
Ein Highlight haben sie sich ohnehin bis zum Schluss aufgehoben. Der flirrende Electronic-Fiebertraum "Wild Green" schließt das Album mit einem ekstatischen Sog ab, der sich wie in Trance zwischen Synthie-Loops und Philippakis' sphärischem Gesang zu einem tollen EDM-Sommerhit aufschwingt. Wohl dem, der dieses Biest in der diesjährigen Festivalsaison live erlebt.
Foals haben mit "Life Is Yours" in der schweren Lockdown-Zeit das richtige Mindset gezeigt, sich nicht runterziehen lassen, und kehren nun mit einer ihrer mitreißendsten Platten auf die Bühnen zurück. Die Band atmet spürbar auf und alle, die nun endlich ohne Einschränkungen daran teilhaben können, können sich auf losgelöste, schweißgetränkte Dance-Sessions freuen.
12 Kommentare mit 27 Antworten
Disappointed Schwingi incoming in 3, 2, 1...
Hab noch nicht alles gehört, bin aber bislang defintiv schwingappointed. Beschwingt mag der Sound ja sein, aber eben auch ziemlich platt und uninteressant. Von der zweiten Hälfte des Albums erhoffe ich mir mehr.
Jo, Album gehört. Zwei drei ganz brauchbare Nummer drauf, Crest of the Wave und Wild Green sind ganz ok, aber insgesamt ziemlich unwürdiger Mist. 1,5/5
5 ganz okaye Nummern und du gibst nicht mal ne 4, also die Hälfte? Bin froh, dass du nicht mein Lehrer in der Grundschule warst
Wer redet denn von 5? Die namentlich erwähnten Songs sind die zuvor erwähnten brauchbaren Nummern.
"Bin froh, dass du nicht mein Lehrer in der Grundschule warst"
Kannst du auch sein, für dich hätte ich nämlich den Rohrstock rausgeholt.
Leichte Sommerplatte die nix kaputt macht .
Das
Gesichtsloser Festivalrock
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
"Wild Green" wird in verschiedenen Rezensionen positiv hervorgehoben. Für mich ist der Track allerdings nach der ersten Minute wegen des penetranten Disco-Bumsbeats und dieses beschissenen Schlüsselbundgeklirrs direkt gestorben.
Ich weiß nicht… Foals haben sich jetzt in diesem Sound festgesetzt, den ich auf den Alben HF bis ENSWBL als Füllmaterial empfunden habe. Auf HF und WWD gab es immer noch richtige gute Songs, hierfür alles ganz nett, aber nix richtig gut.
Bin im Nachhinein mit den beiden ENSWBL Parts auch nicht sonderlich glücklich. 5-6 gute Songs, für ein „Doppelalbum“ viel zu dürftig.
Jenzo allah, ich grüße dich! Lass dich doch mal wieder im Chat blicken.