laut.de-Kritik
Das Sequel zum Klassiker kommt spät, fast zu spät.
Review von Stefan Johannesberg"Diese feinen Beat packe ich mal lieber in die Schublade. Den nutze ich für mein großes 'Supreme Clientele'-Sequel". Jahrelang sammelte der Ghostface Killah Beats, Skits und Reime, in denen er Potenzial sah, an sein Meisterwerk aus dem Jahre 2000 anzuknüpfen. Mit der Zeit vergaß Ghost das ambitionierte Vorhaben, droppte lieber halbherzige Alben wie "Set The Tone" oder "Ghostface Killahs" und widmete sich ansonsten seinem Krypto-Business und der Kaffee-Werbung. Der Druck der Fans ließ jedoch nie nach, viele Kollegen - auch aus seiner Wu-Familie - legten mehr oder weniger gute Nachfolger ihrer Klassiker auf, und der Iron Man wurde weich.
2021 kündigte er "Supreme Clientele 2" mit Kanye West als Executive Producer an. Doch die Jahre zogen ins Land und Ghost arbeitete immer noch wie am Fließband - nur nicht an "Supreme Clientele 2". Irgendwann begann er gestresst, seine Schubladen nach passenden Songs zu durchwühlen. Er fokussierte sich noch ein letztes Mal, um allen Erwartungen gerecht zu werden, presste nach Dutzenden Alben noch mal alle Kreativität aus sich heraus und fand in Nas' Mass Appeal den richtigen Vertrieb.
Ihr merkt schon, perfekte Voraussetzungen für einen würdigen Nachfolger des Blueprint sind das nicht - und genau das hört man "SC 2" nach dem Redman Intro sofort an. "Iron Man" schleppt sich schwer durch Staten Island, immerhin erinnern die Streicher etwas "Apollo Kids" in Slow Mo und die Scratches im Hook funktionieren. Ghost flowt gezwungen und stockender als früher, auch wenn er den Supreme-Style versucht zurückzuholen.
"I put weight on so many bodies, you could call me a con / I'm like Gorbachev, vanilla-cream wallies, I be showin' off". Pretty fly Guy for an old guy. Mit 55 Jahren ist es natürlich vollkommen verständlich, wenn alles nicht so frisch zubereitet wird wie 2000. Der Fan leidet trotzdem mit. Das vom unbekannten DUF produzierte "Sample 420" holt das Piano und den Soul von "One" zurück, aber Ghosts Stimme kämpft sich wie Shaq bei den Boston Celtics über das Feld. Gastrapper Lil Fame von M.O.P. gewinnt das Game: "Runnin' with hustlers, gun boys, and cutthroats / Inhalin' gun smoke, I don't give a fuck, though".
"Supreme Clientele 2" erhöht die Spannung immer dann, wenn Ghost sich und den Produzenten mehr Freiheiten gönnt und in der anfangs erwähnten Ideen-Schublade ganz nach unten greift. Der Uptempo-Kopfnicker "4th Disciple" vom gleichnamigen, legendären Killarmy-Producer erweitert mit Chören die Ebenen, und Ghost adaptiert sein emotionales Storytelling von "Impossible". 1997 hieß es unter anderem "1-7-1-8, 9-1-1, low battery, damn Blood comin' out his mouth, he bleedin' badly / Nahhh, Jamie, don't start that shit". 2025 soll wieder jemand nicht sterben: "Blood runnin' from his mouth, his eyes got low / He squoze my hand real tight, then he let go / Nah, nigga, don't start that shit". Auch Ghosts Stimme erinnert eher an frühere Glanzzeiten, die Aufnahme muss demnach bereits vor Jahren erfolgt sein.
Diese Qualitätsschwankungen dominieren das ganze Album, auch wenn die Phase nach “4th Disciple” die mit Abstand stärkste darstellt. Das funkige "Windows" mit Live-Drums und Tom Jones-Sample ist Ghost pur, und das folgende "Pause (Skit)" erreicht die Klasse der lustigen "Supreme"-Interludes. Seine bildgewaltige Drogenstory auf "Georgy Porgy" bildet den wunderbaren Gegensatz zum minimalistischen 70er Disco-Soul-Song, den Toto im Original so wunderbar in ihren Soft Rock einbanden. Da werden auch Abzüge in der Kreativnote übersehen, denn MC Lyte und Devin The Dude hatten den Track bereits gecovert.
Höhepunkt des Albums ist "Rap Kingpin", in dem Scram Jones eine hypnotische Flöte mit dem "Mighty Healthy"-Sample mixt. Auch der Killah klingt kurz wieder lebendig und jung: "Ghost is global, classic, soulful / Teddy Pendergass on wax with the nasty vocals". Danach, man muss es als Wu-Stan leider sagen, geht Ghost die Luft aus wie seinem Alter Ego in "Endgame". Und im Gegensatz zur MCU kommt eben nicht Captain Marvel geflogen. Oder Rza.
Okay, Nas und Method Man rappen auf ihren Features mal wieder alles in Grund und Boden, und das Gecroone über Lionel Richies Vocals in "The Zoom" passt auch. Der Rest jedoch hat mit "Supreme Clientele"-Vibe nichts zu tun. Die Analyse lautete damals: "Für das Album mixt er vollkommen abgedrehte Lyrics, Soul-Bap-Banger im harten New York-Gewand, sympathische Großmäuligkeit, Ironman-Referenzen, schräg-sägende Hooks, Beats, die nur einen Scratch loopen, und Gespräche über das Flachlegen sämtlicher Frauen im Rapgame zu einem irrwitzigen und seltsamerweise vollkommen stimmig schmeckenden Cocktail."
Ghost konnte daran nur scheitern: Ein Sequel in der Qualität von "Supreme Clientele" war nach 25 Jahren kaum möglich. Raekwon hat es mit "Only Built 4 Cuban Linx 2" geschafft, Ghost kommt dagegen zehn Jahre zu spät. Als er in den 2010ern mit "Twelve Reasons To Die" und "36 Seasons" noch einmal aufblühte, hätte er den Anlauf wagen müssen.
"Supreme Clientele 2" ist ein solides Ghostface-Album – sein bestes Solowerk seit "The Big Doe Rehab". Dem großen Namen aber wird es nicht gerecht.
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor einem Tag durch den Autor entfernt.
Trifft es gut! Das Album ist an sich sehr ordentlich und definitiv ein gelungenes Spätwerk. Man sollte das nur auf keinen Fall mit SC vergleichen - da sind dann Welten zwischen.
Toptracks:
4th Disciple, Windows, Georgy Porgy, Rap Kingpin, Trial, Metaphysics, Love me anymore & You ma friend