laut.de-Kritik
Dank Liveband frisch und dynamisch wie nie.
Review von Andrea Topinka15 Jahre nach Gründung wollen Hot Chip wissen: "Why Make Sense?" Um den Titel herum entfalten sich verschiedene Songs und Themen, die aus der Fragestellung eine rhetorische machen. Die pessimistische These dahinter: Es erscheint unmöglich, in einer verwirrenden, vielschichtigen Gegenwart einen Sinn zu finden.
Die Londoner verdeutlichten diese Ansicht im Voraus mit einer Webseite: Vor pinkem Hintergrund blitzen (fake) Headlines mit Buchstabendrehern auf, bebildert mit dem sich hektisch drehenden Albumcover: das tägliche Übermaß an chaotischen Entwicklungen.
Die Reaktion des Quintetts um Alexis Taylor und Joe Goddard klingt aber nicht so eindeutig niederschmetternd wie vermutet. Obwohl die sechste Platte inhaltlich tiefer rührt als ihre Vorgänger, mangelt es ihr nicht an Groove. Eine entscheidende Veränderung gibt es doch: Erstmals spielten die Briten im Studio die Tracks mit Liveband ein, ergänzt von den Tourmusikern Sarah Jones an den Drums und Multi-Instrumentalist Rob Smoughton.
Menschen statt Maschinen einzusetzen resultiert in organischen Klängen, die den Sound dort entschlacken, wo "In Our Heads" manchmal eine Spur zu viel frickelte. Die Energie, mit der Hot Chips Synthie-Pop auch den letzten Muffel bei Konzerten auf die Tanzfläche treibt, konservieren sie so bestmöglich.
Im Opener "Huarache Lights" macht sich Taylor auf den Weg zu einer dieser verschwitzten Clubnächte: "I know every single / We play tonight / Will make the people / Just bathe in the light." Lodernde Synthies, das Zerren einer Talkbox und Jones' gleichmäßige Drumfiguren verkörpern den anderen Teil von "Why Make Sense?": Die existenziellen Fragen sind mit den bekannten Geschichten von Feiern, Leben und Lieben in der modernen Großstadt verknüpft.
Neben Themen fließen auch die Genres nahtlos in einander über: Wie auf früheren Platten leihen sich Hot Chip Elemente aus dem R'n'B, zum Beispiel beim geschmeidig gleitenden "Love Is The Future", das ein Gastbeitrag von De La Souls Posdnuos veredelt. Die Stimmung von "White Wine And Fried Chicken", ein zurückgelehnter Lovesong auf dem Keyboard, ähnelt "Made In The Dark". Als 70er-inspirierte Disco-Hymne entpuppt sich "Dark Night" mit den melancholischen, hallenden Vocals: "I'm calling for an angel / To bring me a dark night, to bind me / In my daydreams, darkness finds me /It takes me somewhere I need to be /If you can't see me /At least you can feel me."
Die zwei herausragendsten Songs liefern Hot Chip im letzten Drittel ab: "Need You Now" beschäftigt sich laut Taylor mit der Hilflosigkeit, die die diffuse Bedrohung durch Terrorismus in ihm auslöst. Sein entrückter Falsett-Gesang wechselt mit aus der Entfernung flehenden "I need you now"-Samples des R'n'B-Trios Sinnamon, während die Synthesizer im gefühlten Endlos-Loop versumpfen.
Den Abschluss macht der Titeltrack "Why Make Sense?", der untypischste Song der Platte. Auf fast schon rockige Weise drängeln sich Drums und Gitarre vor das Synthie-Summen, während Taylor sein kühles Fazit zieht: "Why make sense, when the world around refuses? / A winner lost is one who always chooses / Nothing left can leave you all out of time and without it, you're nearing your decline / Why be tough when strength is just for losers? / Be what you are at the mercy of yours."
Gleich zu Beginn des Albums hatten die Londoner die Urangst aufgegriffen, die schon Synth-Künstler in den 80ern umtrieb: "Replace us with the things that do the job better." Die menschliche Abhängigkeit von Technik wächst parallel zur Angst, ersetzbar zu werden. Vom Musikmarkt zugunsten eines neuen Hypes aussortiert zu werden ist auch eine Furcht, die jede Band heimsucht.
Mit "Why Make Sense?" gibt es für Hot Chip bei beiden Szenarien erst einmal Entwarnung: Dank Liveband klingen sie so frisch und dynamisch wie selten zuvor. Ihr Mix aus Gefühl, Dancefloor-Tauglichkeit und Bastelei zündet heute noch genauso wie vor 15 Jahren.
2 Kommentare mit 2 Antworten
4 sterne. ernsthaft ? das album ist gar belanglos wuerde ich sogar sagen. wenn ich daran denke dass mir noch jeder song von in our heads im kopf haengt und dieses ebenfalls 4 sterne bekommen hat. kritik ist wohl von linus volkmann
was wagst du deine Stimme gegen Andrea Topinka zu erheben! In der Hölle sollst du darben du kleiner Wicht
Als ich die Vorabsingle gehört habe, war ich als großer Fan von In Our Heads auch geschockt, wie seltsam der Song klang. Habe bisher nur die ersten paar Tracks gehört, aber die haben schon was. Klingt halt sehr viel eckiger als die geilen, aber extrem glattproduzierten Hits vom Vorgänger.
die platte macht sehr viel spaß. hat ein paar große 90s boyband momente, die man mittlerweile wieder gerne mitnimmt. kommt auf die sommer-soundtack liste!