laut.de-Kritik
Entfremdet steht Steve Bays vor der eigenen Vergangenheit.
Review von Sven KabelitzWährend manche Songs sich für immer in unser Hirn fräsen, verblassen andere komplett, und mit ihnen verwischt die Erinnerung an die Interpreten. Wenn sie ohne Vorwarnung wieder in unser Leben kracht, stellen sich Verblüffung und ein kuscheliges Gefühl der Nostalgie ein. Ein Blick auf die frühen 2000er bringt neben Havens "Say Something", Clients "Price Of Love" und Spillsburys "Jona" auch Hot Hot Heats "Bandages" zutage.
An genau diesen Ort und genau diese Zeit knüpfen die Letztgenannten nun mit ihrem selbstbetitelten Album "Hot Hot Heat" an. Nach diversen Umbesetzungen und Neuausrichtungen drücken die Kanadier die Rewind-Taste. Zurück zum Debüt "Make Up The Breakdown" mit seinem eingängigen Indie-Rock, das damals treffend mit "Jeden Tag ein neuer Ohrwurm!" umschrieben wurde. Nicht einfach so, sondern um den Kreis zu schließen. Ihr fünftes Album soll das letzte der Bandgeschichte sein.
Vom ersten Moment an steht Sänger und Keyboarder Steve Bays, der als einziger aus der Blütezeit der Band übrig blieb, im Mittelpunkt. Die anderen Musiker bleiben austauschbare Erfüllungsgehilfen. Zwar erreicht er ohne Gitarrist Dante DeCaro nicht mehr die Klasse von "No, Not Now" oder "Talk To Me, Dance With Me", mit denen Hot Hot Heat das erst 2004 erschienene Franz Ferdinand-Debüt vorweg nahmen, aber einen sonnendurchfluteten Opener wie "Kid Who Stays In The Picture" schüttelt er immer noch im Vorbeigehen aus dem Ärmel. Die honigsüße Persönlichkeits-Studie "Pulling Levers" orientiert sich auffallend deutlich an Tears For Fears' "Everybody Wants To Rule The World".
Leider zählen diese beiden fokussierten Stücke zu den raren Momenten auf "Hot Hot Heat", in denen die Band sich nicht in ihrer eigenen Vergangenheit verläuft. In "Mayor Of The City" oder "Bobby Joan Sex Tape" greifen sie schablonenhaft auf ihre alten Muster zurück, ohne diese wirklich mit Leben zu füllen. "Alaskan Midnight Sun" wirkt wie ein unmotivierter Dancehall-Remix eines beliebigen Tracks des ersten Vampire Weekend-Longplayers. Wenn im wehmütigen "The Memory's Here" schließlich der finale Vorhang fällt, kommen Hot Hot Heat gerade noch rechtzeitig zur eigenen Beerdigung. "The memory's here, it won't fade away."
Egal wie sehr einen die vergangenen Lieder in die Nostalgie ziehen, Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Schnell fordert die Gegenwart ihren Platz ein. Nur weil man die alten Klamotten aus dem Schrank holt und noch einmal anzieht, ist man noch lange nicht wieder jung. So steht Steve Bays mit den drei anderen auf "Hot Hot Heat" in viel zu engen Konfirmationsanzügen herum und sieht darin knuffig, sympatisch, aber eben auch etwas dämlich aus. Das von Motten angeknabberte Outfit bringt zwar Erinnerungen zurück, aber die meiste Zeit zwickt es, da es Hot Hot Heat einfach nicht mehr passt.
Egal wie sehr man sich anstrengt: Dank der Erfahrungen, die einem das Leben mit auf den Weg gibt, kann man nicht mehr der Mensch von einst sein. Daher bleibt zum Abschied ein aus der Zeit gepurzelter Fan-Pleaser mit einigen netten Hooks und Melodien, der sie selbst jedoch nicht widerspiegelt und daher über weite Strecken leblos erscheint. Entfremdet steht Steve Bays vor der eigenen Vergangenheit. Hoffen wir, dass sich Hot Hot Heat an ihre Aussage halten, ihnen das Schicksal so vieler Bands erspart bleibt und sie nicht eines Tages als Untote zurückkehren.
3 Kommentare
Ach je, das braucht doch keiner mehr...
Ich befürchte auch, das durch die Bad News diverser Kritiker, nun die Truppe auch noch auf die Idee kommt ein sechstes Album zu machen. Hobbygraböffner Sven, dachte das mit den Gräbern wäre Anwalt sein Ding?
Schade, dass sie nicht weiter in Richtung Future Breeds gearbeitet haben. Das Album fand ich aufgrund seiner hyperaktiven Energie mit am ansprechendsten. War aber auch das erste, was ich von der Band gehört habe (übrigens dank der positiven Review hier).