laut.de-Kritik

Das wirrste Vaterunser.

Review von

Gautier Serre hätte so einen schönen Namen – stattdessen geistert er als Igorrr durch die Musikwelt. Die recht einmalige Mischung aus Metal und Electronic, alles auf einem Industrial-Fundament gebaut und mit Blastbeat-Mörtel zusammengehalten, erfährt mit "Amen" ihre schon fünfte Reinkarnation. Zwar dominiert Serre die Band weiterhin, die Entwicklung hin zu einem Bandprojekt setzt sich gleichwohl fort. Bis auf zwei Songs haben alle Co-Songwriter aus der Band.

"Daemoni" ist der erste und bandtypisch von Scham in der Namensfindung befreite Songtitel. Auf dem gehen gefühlt zwanzig verschiedene Sachen ab und damit zeigt er recht repräsentativ, was da noch kommt. Beim Opener eine Akustikgitarrenphase, die sich zwischen die Blastbeats stiehlt, bei "Limbo" Episkopalrock neben Black Metal-Passagen, bei "Blastbeat Falafel" ist der Name Programm. Das Ergebnis wirkt samt Trey Spruance wie eine Musik-Tech-Demo. Fast schon so selbstverständlich wie seltsam, dass mit "Ancient Sun" dann ein astreiner, nicht verwässerter Trip Hop-Song aufwartet, und zwar auch noch ein guter.

Kurzum, es ist viel los und das ist einerseits per se nicht verkehrt, nur übertüncht die Melange bisweilen, dass einige der Ideen nicht gut genug sind. Die Bassfigur von "Daemoni" fängt spätestens an zu langweilen, als ein blutleerer Gregorianerchor darauf trällert, der Breakcore von "ADHD" wird durch Chor und Kirmeskeyboard für sich genommen nicht besser. Die Ideen stehen nebeneinander und ergeben zu selten ein neues Ganzes. "Pure Disproportionate Black And White Nihilism" hätte wie das Gros des Albums ohne Chorwälle einen besseren, tighteren Song ergeben. Wie das geht, zeigt "Mustard Mucous". Scott Ian hilft aus, heraus kommt ebenso aktuell wie zeitlos wirkender Metalcore von weit gehobener Qualität mit ein paar nicht störenden elektronischen Spielereien. Der Albumhöhepunkt "Infestis" baut die tiefe, kernige Tibet-Tröte Dung-Chen ein, bleibt im Kern aber ein Metalsong. Die klare Struktur tut dem Lied unendlich gut und gibt der Dung-Chen erst die Möglichkeit, songdienlich und nicht als rangeklatschtes Gimmick zu fungieren.

Die Zutaten sind ja alle da: Vom tollen Sänger und Bandchef über Musiker wie Mike Leon am Bass. Wer über das viel zu dringend nach Dadaismus sehnenden Beiwerk von Igorrr hinwegsehen kann, bekommt mit "Amen" tatsächlich die zugänglichste, metal-lastigste und dadurch auch stimmigste Platte des Bandprojekts. Igorrr tut sich vielleicht kommerziell einen Gefallen, wenn er beim in seinen Metalpassagen guten "Headbutt" das Piano mit einem Bagger spielt und auf dem zum Schluss exzellenten "Pure Disproportionate Black And White Nihilism" Amboss und Hammer herausholt.

Neben der berechtigten Frage, wen das über 12 Jahren abholen soll, lenkt er sich scheinbar selbst am meisten ab und gefällt sich zu sehr in der Pose des vermeintlich tabubrechenden Tausendsassas. Das Ergebnis ist "Étude n°120", ein vernünftiger, aber nicht weiter bemerkenswerter Akustiksong, der fremd wirkt statt exotisch. Das wäre nicht weiter schlimm, würde man nicht bei den kohärenteren Metalsongs- und Passagen so oft durchblitzen sehen, wozu Serre bei mehr Disziplin und künstlerischer Ernsthaftigkeit in der Lage wäre.

Trackliste

  1. 1. Daemoni
  2. 2. Headbutt
  3. 3. Limbo
  4. 4. Blastbeat Falafel
  5. 5. ADHD
  6. 6. 2020
  7. 7. Mustard Mucous
  8. 8. Infestis
  9. 9. Ancient Sun
  10. 10. Pure Disproportionate Black And White Nihilism
  11. 11. Étude n°120
  12. 12. Silence

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1 Kommentar

  • Vor einer Minute

    Diese Rezension wirkt, wie leider zu oft auf diesem Portal, mal wieder völlig willkürlich. 2 Sterne? Und dann wirft er Serre auch noch fehlende Disziplin vor? Ernsthaft?? Der Schreiberling sollte sich mal die Dokus auf Youtube anschauen, wo man sieht wie die Alben von Igorrr entstehen. Aber wies scheint hat er ja nicht mal das Album gehört...