laut.de-Kritik
Opulenz und Fragilität, Melodieverliebtheit und Brachialgewalt.
Review von Thomas KlausVor gut einem Jahr kredenzte das wohl doomigste Progressive Metal-Kollektief zur Feier seines zehnjährigen Wiegenfests einem erlauchten Kreis von 600 flinken Klickfingern eine streng limitierte LP-Box, die es wahrlich in sich hat - birgt "Shades of the Swarm" doch auf insgesamt zwölf (!) 180-Gramm-Vinyltellern die bis dato komplette Diskographie der fünf Wahl-Kalifornier.
Dem Titel entsprechend rekapitulierten Isis mit jener pompösen Retrospektive ihren mit musikalischen Meilensteinen inzwischen dicht gepflasterten Weg in all seinen tonalen Facetten, um danach die zweite Dekade ihres experimentellen Schaffens einzuläuten. Aber was hatte diese Zäsur zu bedeuten? Hatten Turner, Gallagher, Caxide, Harris und Meyer etwa einen Paradigmenwechsel im Sinn? Den spärlichen Infos nach zu urteilen, die im Vorfeld der Veröffentlichung von "Wavering Radiant" durchsickerten, standen die Zeichen im Hause Isis tendenziell auf Reformation.
Abgesehen von Aaron Turners Entschluss, sich im Gegensatz zu "Panopticon" und In "The Absence Of Truth" beim fünften Studioalbum hinsichtlich des zugrunde liegenden Konzepts völlig bedeckt zu halten, ist die einschneidendste Neuerung sicherlich in der Wahl des Produzenten "Evil" Joe Barresi zu sehen.
Immerhin unternahmen sie damit den mutigen Schritt, ihre seit dem Debütalbum "Celestial" von Matt Bayles zuverlässig festzementierte Wall of Sound in fremde Hände zu geben. Wobei "mutig" im Falle von Maestro Barresi sicher der falsche Ausdruck ist - hat der exzellent beleumundete Fachmann für tieffrequente High-End Gitarrenklänge doch zuletzt auf "10.000 Days" selbst Tool zum vielleicht brillantesten Sound ihrer Karriere verholfen. Für seine Arbeiten mit Kyuss, Melvins, Tomahawk oder QOTSA muss sich der Gute nun auch nicht gerade schämen.
Jegliche Zweifel an den akustischen Früchten dieser Liaison werden dann auch prompt von den unnachahmlichen messerscharfen Slo-Mo-Monsterriffs in "Hall Of The Dead" zu Staub zermahlen. Ohne lange zu fackeln lassen Isis dem erwartungsfreudig harrenden Connaisseur das innig vertraute Klangbad ein: schwer wie Blei, mit semi-kriminellem Wellengang, aber dicht bedeckt mit Ruhe-Inseln von erhabener Schönheit. The Swarm Strikes Back! Mit chirurgischer Präzision sticht der Moskito abermals so erbarmungslos wie raffiniert zu, dass man ihm den roten Saft kampflos überlassen möchte.
Bereichert durch zusätzliche Gitarrentexturen von Tools Adam Jones, offenbaren Isis bereits in diesem infernalischen Eröffnungstrack jene stilistischen Nuancen, die auf Albumlänge die feinen Unterscheide zu ihren vorangehenden Epen ausmachen. Turner & Co gehen in Punkto Arrangement noch fokussierter zu Werke, kommen wie im hypnotischen "Stone To Wake A Serpent" schneller auf den Punkt und schälen durch variablere Verschränkung von Opulenz und Fragilität, Brachialgewalt und Melodieverliebtheit sowie Licht und Schatten eine noch überwältigendere Kontrastwirkung heraus.
Drummer Aaron Harris zufolge ist das ausgereiftere Songwriting insbesondere dem Umstand zu verdanken, dass erstmals alle Bandmitglieder in L.A. wohnten und somit alle Zeit der Welt für intensives Jamming und Feintuning hatten. "Aufgrund von all den unterschiedlichen Sounds und dem Lautstärkelevel, mit dem wir spielen, ist es verdammt schwer herauszuhören, was der Einzelne macht. Wenn ich an die Aufnahmen von Celestial oder Oceanic zurückdenke, war es so, dass wir erst im Studio kapiert haben, was eigentlich so alles innerhalb der Songs abgeht."
Diesmal haben alle verdammt gut zugehört, ihre vereinten Kräfte gebündelt und ein weiteres Meisterwerk voller Kraft und Anmut für die Ewigkeit geschaffen, dass selbstredend erst nach mehrmaligem Herantasten in seiner ganzen fließenden Pracht erstrahlt. Wie schon beim Vorgänger setzt Turner seinen markerschütternden gutturalen Growls vermehrt harmonische Vocals entgegen. Schien dessen Gesangsdarbietung damals noch überwiegend von der Heimwerker-Maxime "Was nicht passt, wird passend gemacht" inspiriert gewesen zu sein, trifft er auf "Wavering Radiant" die richtigen Töne und sorgt mit seiner stimmlichen Bandbreite für einen nicht zu unterschätzenden, Melodie bejahenden Mehrwert. Auch Multiinstrumentalist B.C. Meyer erschließt der Band durch den wohltemperierten Einsatz von Hammondorgel und Fender Rhodes ungeahnte psychedelische Horizonte.
"Es ist schier unmöglich, das Album zu hören, ohne den alten Geist jener Ära der Rockmusik zu verspüren, als Musiker sich nicht davor scheuten, Risiken einzugehen, sich nicht darum scherten, kurze Aufmerksamkeitsspannen zu bedienen und nicht dazu verpflichtet waren, ihre Kunst in ein radiofreundliches Format zu pressen." Der Laudatio von Russian Circles-Bassist Brian Cook ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
27 Kommentare
Ein Wort:
Juhu!
@Freddi (« Ein Wort:
Juhu! »):
+1
@puffel (« @Freddi (« Ein Wort:
Juhu! »):
+1 »):
mit sahne oben drauf.
adam jones hat gitarre auf mehreren tracks gespielt, das sollte etwaige tool'sche anwandlungen erklären, aber das ist ja nichts neues...
adam jones hat aber nich besonders viel zum album beigetragen, sondern mehr ein paar atmosphärische verrückte sounds wie auf dem titeltrack gemacht. (hab ich aus nem interview mit aaron turner)
Hat mich bissl überrascht ich find der letzte Track erinnert mich teilweise schon an 10.000 days
@dein_boeser_anwalt stimme dir zu was albumvergleiche angeht, finde das fast so unverständlich wie leute die meinen dass tool seit aenima sich nich geändert haben.. klar sind sie vom stil nich komplett verschieden, aber fühlen sich einfach extrem anders an.
Ich liebe ja das Gitarrensolo, falls man das so bezeichen kann von "stone to wake a serpent", vom gespielten nix besonderes aber der Sound klingt einfach....... woah...
Bin heut nach einer Klangbild-Diskussion mit einem Kollegen mal wieder auf Isis gestoßen und hör mich quer durch die Lieblingstracks der Alben... Sehr schade um die Band, sie waren die erste Gitarrenband nach Tool und Oceansize, bei der ich emotional so mitgehen konnte, und die mein musikalisches Schaffen so sehr prägten wie außer den genannten nur noch Pink Floyd. Eigentlich sogar mit der Hauptgrund, nach über 10 Jahren Bass auch mal in einer Band Gitarre spielen zu wollen. Von meinen 3 allerliebsten der letzten 20 Jahre sind somit nur noch Tool übrig
Schnapp mir jetzt die SG und klampf ma "So Did We" mit - finde es nämlich geil, wie der Anwalt einen ähnlichen Film auf "hall of the dead" schiebt, wie ich auf "So did we" - hab nach der letzten Steigerung und der folgenden Gitarrenwand immer das Bild von Wellen vor Augen, die mit einer Urgewalt gegen Klippen preschen... Während "hall of..." bei mir einen sehr psychedelischen "Ägypten / in einer Pyramide"-Film bewirkt, der als Krönung einen Fiebertraum des Protagonisten mit einer Art Kleopatra enthält...
Viele der anderen Kommentare wie todesposter sagten bereits alles weitere: Musikalisch spürbare Nähe zu Tool (v.a. der Bass geht ab der Oceanic stark in die Richtung) und Pink Floyd (v.a. auf In the Absence), Klargesang zwar nur mäßig von der Stimme, aber immer perfekt in den Song eingepasst (wie z.B. ja auch bei Mogwai). Überhaupt, musikalisch nicht so verkopft und schräg überladen wie bei Kollegen, aber mit einfachen Mitteln unglaublich viel Gefühl transportiert (Gitarrensoli sind eher Soundteppiche, viele geloopte einfache Gitarrenlicks werden zu einem komplexen Soundgerüst verwoben etc).
Eine Band, der ich für ihren Beitrag auf dem Soundtrack meines Lebens ewig dankbar sein werde, und über deren Auflösung ich im stillen Kämmerlein noch die ein oder andere Träne vergießen werde, während im Hintergrund der Finalpart von "Grinning Mouths" läuft... (Perfekter Lückenfüller für den Sommer, der keiner ist)