laut.de-Kritik
In deinem Herz sind zwei Gärten und beide sind horny.
Review von Yannik GölzBis heute ist es schwer zu sagen, was eigentlich das Ding von J Hus ist. Der Londoner hat seit seinem ersten Album "Common Sense" mit mehreren Sounds von sich hören gemacht, gilt als Pionier eines Stils namens Afroswing und ging gleichzeitig doch auch mit allen anderen britischen Sounds der Gegenwart schon erfolgreich um. Da ist immer eine Zweiseitigkeit: Ein J Hus als hartgesottener Straßenrapper und ein J Hus als Pidgin sprechender, Penis-Witze machender Verführer. Einen "Beautiful Yard" und einen "Brutal Yard" eben.
Er ist bei weitem nicht der erste Rapper, der diese Zweiseitigkeit an sich entdeckt. Irgendwo ist das ein bisschen Babys erstes Konzeptalbum, diese Entdeckung, dass harte Kerle auch eine sensible Seite haben können, so dass das auch von Future über Haftbefehl bis Kodak Black schon fabriziert wurde. Auf welche Seite Hus sich fokussiert, wird klar, wenn man merkt, dass ein etwas bemühter Albumtitel abgekürzt "B.A.B.Y" ergibt. "Beautiful And Brutal Yard" beschäftigt sich sehr viel damit, mit R'n'B und Afrobeat irgendwelchen Frauen den Hof zu machen. Schade, denn wo das Album wirklich stark ist, ist in den Songs des "Brutal Yards".
Gerade im letzten Drittel verstecken sich die Songs, in denen J Hus zeigt, wie irre Hype er klingen kann. Sofort bleibt der massive Banger "Bim Bim" im Kopf, der schlicht überlebensgroß klingt mit seinen Chor-Samples gegen die Mischung aus Drill und Riddim. "It's Crazy" und "Playing Chess" zeigen, dass er gar nicht in Meek Mill-Aggressionsgefilde vordringen muss, sondern auch auf chillem Rhythmus fantastisch klingt.
J Hus ist eine Wucht von einem Performer. Er rappt absolut jede Line mit einer Energie und einem Nachdruck, rückt den Fokus aggressiv auf seinen Dialekt, nutzt den, um interessante Flow-Varianten aus einzelnen Worten zu ringen. Er ist eine Charisma-Bombe, hat eine großartige, kehlige tiefe Stimme, die er teils so variantenreich einsetzt, dass man ab und zu einen neuen Part für einen Sekundenbruchteil für einen Feature-Gast halten möchte und wechselt so viel ab, dass es keine Sekunde langweilig wird, ihm zuzuhören.
Nur kommen diese Stärken nicht ganz so groß zur Geltung, weil er mindestens zwei Drittel dieses ohnehin schon überlangen Albums mit Crooning und Horny-Jams vorstellt. Und allein sein vom "Certrified Lover Boy" abgekupfertes Promo-Konzept macht leider irgendwie klar: Hus wäre sehr gern der britische Drake. Womit er wahrscheinlich nicht der einzige ist, denn auch hierzulande gibt es viel zu viele Hanseln, die gern der deutsche Drake wären. Aber oft bedeutet das für Artists: Lange, inkohärente Alben für die Streams, Features mit großen Artists aus keinem nennenswerten Grund und Track-Experimente, die den Album-Fluss ruinieren. Dann macht doch lieber ein "Nothing Was The Same", wer zur Hölle will ein "Certified Lover Boy"?
Klar macht es Sinn, dass sein panafrikanischer Ansatz Kollaborationen mit Popcaan, Burna Boy oder Jorja Smith ermöglicht, aber gleichzeitig wirken die Songs nicht wie sinnig in einen Track-Verlauf gebettet. Es sind ähnliche Grooves, ähnliche musikalische Ideen, sehr ähnliches Gefasel back to back to back. Dass dann Drake noch höchstpersönlich auf dem ersten Fuß des Albums auftaucht, um eine bedrückend schlechte London-Dialekt-Pastiche zu hinterlassen, sabotiert dann irgendwo auch noch die Ernsthaftigkeit des Ganzen.
Nicht, dass irgendeiner dieser Songs schlecht wäre, das Niveau hält sich immer mindestens auf dem Durchschnitt, so richtig in die Hose gehen kann das mit der Stimme von Juju J auch einfach nicht; aber es ist doch irgendwie ein bisschen ernüchternd, wenn das Album mit diesem größenwahnsinnigen, triumphalen Intro anfängt, auf dem er proklamiert, der Goat zu sein und es jetzt allen zu zeigen; und dann gibt es erst mal eine Dreiviertelstunde nette, ein bisschen seichte Sexmusik, bevor er am Ende ganz kurz aufflackern lässt, zu was er fähig gewesen wäre. Ja, das ist ein "Beautiful And Brutal Yard" auf diesem Album. Aber ein wirklich durchdachtes Albumkonzept sieht anders aus.
Noch keine Kommentare