laut.de-Kritik

Die federnden Beats lassen keine Zeit für schlechte Laune.

Review von

J.J. Fad beschritten in vielerlei Hinsicht einen eigenen Pfad von Hip Hop-Culture, mit dem sie ein bisschen früh dran waren. Ihre starke Hinwendung zu House, Dance, Electro speiste sich aus der Freestyle-Szene der '80er. Da waren viele Frauen für jeweils kurze Zeitspannen aktiv, rappten und sangen im Rahmen ein und desselben Tracks zu klapprigen Computer-Beats von Disco-Produzenten. Das sprach J.J. Fad an.

Mit "Supersonic" hatten sie bereits einen Hit gelandet. Er beruhte auf dem Einsatz von Dance-Stakkato aus 808-Synthesizern und wurde in seiner Simplizität schnell zum Klassiker. Dr. Dre stand hinter dem Lied und der zugehörigen EP, hatte für den nächsten Streich jedoch keine Zeit. Besser gesagt, sie warteten ein bisschen, hatten dann aber keine Zeit mehr für ihn. Als Pionier der 808-Ästhetik galt in Dres Umfeld der Arabian Prince. Zusammen mit DJ Yella übernahm er das Beatmaking und die Produktion des Nachfolgers und einzigen wirklichen Longplayers der Girls-Group: "Not Just A Fad".

Damit ließen sich die drei Rapperinnen im N.W.A.-Umfeld auf eine geballte Ladung an James Brown-Samples ein. Fast das gesamte Album lässt den Godfather of Funk in die zehn Songs einfließen, weil die meisten Beats irgendwie auf seinem "Funky Drummer" beruhen. Zwei Stücke schlagen sogar vorrangig Funk ein. "Be Good Ta Me ft. Arabian Prince" spielt mit Electrofunk-, Funkhouse-, Breakbeats-Style, einer G-Funk-Reminiszenz in manchen Takten, bewegt sich nah am Power-Eurodance der (europäischen) Strömung rund um Technotronic und die CNC Music Factory. Das Lied macht Spaß - ein Hauptmerkmal des ganzen Albums und des Choreographie-freudigen Trios. Eine der drei war auf der Schule Cheerleaderin, Tanzen, Bewegung, Beatlastigkeit wurde Hauptauftrag der J.J. Fad.

"We Want It All" funkt noch mehr Funk-Vibes. In ihnen lag der Reiz, in der positiven, entspannten Art dieser Politik-freien Party-Raps einfach eine gute Zeit zu verbringen. Die überschäumende Begeisterung der drei Stimm- und Sprachgewaltigen holt erst mal auf emotionaler Ebene so richtig ab. Die federnden Beats lassen keine Zeit für schlechte Laune. Schon "We In The House" und "Gold" ziehen Ohren und Tanzbeine so zielstrebig ins Album-Geschehen hinein, als fingen sie sie mit einem Lasso ein, einem aus Gummi, so elastisch wie die Musik. Das stürmische Drauflos-Rappen über sich selbst - denn ein anderes Thema gibt's bei J.J. Fad nicht - ist ein tolles Zeitdokument der Rap-Geschichte. Es bekundet starkes, natürliches weibliches Selbstbewusstsein, das für Frauen, Teamwork, überhaupt für menschliche Selbstsicherheit und nicht gegen Männer eintritt.

Das symbolisch Bedeutende des Albums liegt darüber hinaus in seinen vier weiteren musikhistorischen Funktionen. Das kalifornische Gespann verdrahtete zwei noch junge Musikarten: Westcoast-Rap voller G-Funk-Groove mit House-Beats, die dem Warehouse-Acid-Sound in dieser Phase gerade entwuchsen. Digitale Drum-Machines der blechernen Sorte hatten zuvor ähnlich selten Auftritte in Rap-Tracks wie hymnische House-Konstruktionen.

Rap feierte hier zudem auch Pop-Premiere, weil er dieses Mal weder Stories aus Stadträndern vortrug noch die Standfestigkeit kritischer Stimmen. J.J. Fad und ihre DJs vertonten keine geplanten Reime, sondern Dialoge von Freestyle-Wertigkeit, und diese Dialoge waren sehr alltagsnah. Heute ist Deutschrap - und nicht nur der, sondern eine ganze Charts-Palette von aktuellem French-Rap bis zu den Billboard-Charts in erster Linie Dance-Pop-durchtränkt, eine breite multinationale Phalanx von Juju bis Iggy Azalea mischt mit, J.J. Fad lieferten musikalisch die Blaupause.

Dann gab's die quasi am Reißbrett konzipierte 'Gangsta'-Attitude und eine gewisse Rawness, deren kommerzielles Potenzial noch nicht erschlossen waren. Gruppen, die als Programm das Heraushängen ihrer eigenen Entschlossenheit und Kompromisslosigkeit hatten, und in Hardcore-Style shouteten, ohne Luft zu holen, waren ein neues Phänomen. Dass sich das kantige Auftreten im weichen Plüsch der harmlosen Electro-Bubble-Bass-Beats verpackt, entspricht der ironischen Grundhaltung der Fads. In ihren Worten: "Super ironic, super exotic, rockin' your world / Supersonic beats for some supersonic girls!"

Und schließlich fungieren sie als damals innovative und originell klingende Antwort der Westcoast auf die ersten Erfolge von Salt'n'Pepa, insbesondere auf "Push It" (1986). Dafür konnten nur Frauen ans Mikrofon, wobei sie im Unterschied zu Salt'n'Pepa sehr, sehr jung, nämlich Teenager waren und nicht selbst scratchten. Das hatte DJ Spinderella bei den Eastcoast-Ikonen zumindest anfänglich getan. Dass man als Teenager dieselbe Überzeugungskraft haben kann, hatte Roxanne Shanté bereits bewiesen, und sie war eine von J.J. Fads Vorbildern. Nun brauchte man drei solche Frauen: Denn das Konzept lag darin, die Lines auf mehrere kontrastreiche Stimmen auf zu splitten, in Dialogen zwischen MCs und DJ aufzubereiten und kurze "Intro"-Sequenzen dazwischen zu droppen.

"Step", "We Want It All", "Ain't Nothin' Comin'" oder "It's Da Fad": Hier hotten Juana, Sassy und Dana durch hoch energetische Tunes. Das peitschende Marker-Riff von "Step" wandert extrem unwiderstehlich in die Waden und fordert spontanes Mitspringen und Breakdancen. Wie sie auf der Vorgänger-CD im Song "Let's Get Hyped" klar stellen, ging es ihnen genau um diese Unbeschwertheit. Vieles andere gab's schon, sie switchten in die Nische. "They make me wanna grab my mic and issue something terrible / But sometimes I don't. / Just laugh, kick back, and say, I wonder how many MCs rap like that."

In der mp3-Ära kennt man's kaum noch: CD-Booklets in den 80er/90er Jahren enthielten oft Dankeslisten. Hunden, Herstellern, Team-Mitgliedern, manchmal ergoss sich da viel Dank im Kleingedruckten. Die Kalifornierinnen nutzten den letzten Track direkt als Plattform, um drei Minuten lang durch zu danken: "We'd Like To Thank". Schön, denn Dankbarkeit ist ja eine seltene Tugend, die gerade in der Selbstdarstellung der Kurz-Clip-Kultur zu kurz kommt. Gott, Geschwister, Eltern, Partner, Produzenten, viele werden bedacht, bis alle drei zuende gedankt und gelobt haben. Irgendwie süß.

Sample-technisch gäb's sogar auch einiges zu danken, Basics, ohne die sich kaum so konsequent Vibez breit machen würden: nämlich Wilson Pickett, benutzt in "Gold", Otis Redding für "Tramp", eingesetzt eben in "We'd Like To Thank", und zum Beispiel Afrika Bambaataa auf seiner Suche nach dem "Perfect Beat", tragende Säule für "We In The House".

L'Trimm aus Miami mit ihren "Cars With The Boom" bounzten spiegelbildlich auf ganz ähnlichem Sound zur gleichen Zeit - ihre LP "Grab It!" lässt sich nett an, macht Spaß, liefert aber nur wenige echte Hinhör-Momente. Vergleichbare Ladies-Combos folgten kaum, wenn sie nicht wie TLC und Destiny's Child deutlich tiefer im R'n'B wurzelten. Das Duo Il Tru zählt zu den Erbinnen der J.J. Fad, strahlte auf seiner CD "A New Breed Of Female" zwar feministische Symbolik aus, hinterließ aber keine gravierenden Glanzleistungen in den Annalen der Musikgeschichte. Die drei Fads hatten eben auch einen hohen Anspruch, den sie im Track "Let's Get Hyped" auf den Punkt brachten: "Something attractive, something that gets me hyperactive / something that gets my adrenaline flowing." - Selbiges ist ihnen zeitlos gut gelungen, und obendrein sind die Looks ihrer Videos und Fotos 32 Jahre später nun, wo jede der Rapperinnen je vier Kinder hat, wieder brandaktuell.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. We In The House
  3. 3. Intro
  4. 4. Gold
  5. 5. Intro
  6. 6. Be Good Ta Me ft. Arabian Prince
  7. 7. Work It
  8. 8. Intro
  9. 9. It's Da Fad
  10. 10. Intro
  11. 11. Not Just A Fad
  12. 12. We Want It All
  13. 13. Step
  14. 14. Intro
  15. 15. Ain't Nothin' Comin'
  16. 16. We'd Like To Thank

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    So sehr ich Supersonic damals als Möchtergern-Breakdancer gefeiert habe, den Rest fand ich musikalisch doch eher mau. Ähnlich wie die Jonzun Crew, die bis auf Pack Jam und Ground Control auf dem Rest ihrer Platten nach ziemlich müdem RnB geklungen haben. Aber zumindest den Punkt, dass sie eine der ersten erfolgreichen Rapperinnen waren, kann man ihnen lassen, wenn auch zu der Zeit nicht so nachhaltig wie hoffentlich heute. Aber als Ergänzung, es gab damals auch noch ein paar sehr coole Frauen im Rap, wie etwa Debbie Deb, Roxanne Shante oder natürlich Queen Latifah.