laut.de-Kritik
Die Briten geben sich optimistisch wie welkendes Laub.
Review von Ulf KubankeDie Nacht ist dunkel und voller Schrecken! Wenn die sinistren Majestäten Paradise Lost alle paar Jahre ihr beladenes Haupt recken, um Metallern und Gothen gleichermaßen zu zeigen, wo der finstere Hammer hängt, ist die Aufregung stets groß. Die Troika der ewigen Urgesteine - My Dying Bride, Anathema und eben diese Herren aus Nordengland - haben in verschiedenster Art und Weise das musikalische Pegelhalten auf Berggipfelniveau kultiviert. "The Plague Within" bildet keine Ausnahme. Das Album legt sich als pechschwarzer Schatten über die metallischen Lande, bis alles Licht vergeht.
Schon konzeptionell ist der Bogen großartig gespannt. Über weite Strecken präsentiert sich Studioalbum Nr. 14 so optimistisch wie welkendes Laub. Neun Lieder lang lassen Paradise Lost in Note und Zeile alle Hoffnung an den Felsen von Unbill und Verzweiflung zerschellen. Das sich in aussichtlosem Kampf windende Individuum hat nicht die geringste Chance, seinem Untergang zu entrinnen. "It's a battle as the years start to fade. No Hope in sight, the light before us dies!" Dunkle Klänge, dunkle Worte!
Der finale Track jedoch verkündet in bester per Aspera ad Astra-Tradition das immerhin theoretisch mögliche Ende des Tunnels und eine Rückkehr zur Sonne. Ganz alte Storyteller- und Philosophenschule! Vor allem das Heer zahlloser Clown- und Narrencombos artverwandter Schwarzkittelgenres sollten das hier Gebotene verinnerlichen. Die künstlerische Wucht von Holmes und co zermalmt alle Kitschbarden unter den Füßen Paradise Losts wie lästiges Unkraut. Gäbe es mehr solcher Qualität im Bereich dunkler Musik, wäre ihr Ruf nicht ruiniert.
Schon für die Verpackung wählen sie sich einmal mehr die richtigen Leute. Das ausdrucksstarke Artwork vom Covergemälde Zbigniew M. Bielaks unterstreicht die Stimmung der Platte perfekt. Der polnische Maler und Grafiker veredelte u.a. bereits Behemoths "The Satanist", Ghosts "Infestissumam" oder Mayhems "Esoteric Warfare". Bei "The Plague Within" gelingt ihm die vorläufige Krönung seines Schaffens.
Mit Jaime Gomez Arellano sitzt genau jener Knöpfchendreher an den Reglern, den eine Individualistenband wie PL benötigt. Bei Rock der Marke Ghost hatte er ebenso seine Hände im Spiel wie bei den großartigen Oranssi Pazzuzu, Primordials "Where Greater Men Have Fallen" und manchem Ulver-Werk. Ein jeder Mann muss dienen. So besteht seine große Leistung stets darin, dass man nicht ihn hört, sondern er den besonderen Charakter der jeweiligen Truppe klar und transparent hervorhebt. Das wechselhafte Naturell Paradise Losts bringt er soundtechnisch absolut auf den Punkt.
Heftige Passagen, die an die Frühzeit des Quintetts erinnern, kommen dabei ebenso kraftvoll zur Geltung wie auch ihr Sinn für instrumentale Details oder die zwischendrin aufblitzende theatralische Dramaturgie. All das kann man besonders gut in "Flesh From Bone" erkennen. Zwischen kargem Death'n'Doom taucht zwischenzeitlich zum Kontrast ein sakraler Chorgesang auf. Diese Backingvocals geraten weder zu versteckt, noch platziert er sie käsig im Vordergrund.
Die zehn Lieder halten kompositorisch und stilistisch alles, was Paradise Lost seit einem Vierteljahrhundert versprechen. Es ist ein Hördurchgang durch das Labyrinth ihrer vielfältigen Menagerie. Hierbei treten die alten Götter Death und Doom harmonisch neben den später hinzu getretenen Melodie, Klassik und Gothrock auf. Alles fließt zwanglos ineinander und tritt gelegentlich simultan auf.
Holmes Gesang pendelt ebenso mühelos wie songdienlich zwischen klarem Pathos und bösartig knurrender Bestie. Das mit dezenter Kammermusik verzierte "An Eternity Of Lies" ist ein Höhepunkt solchen Wechselspiels. Die darin eingewebten Vocals von Heather Mackintosh machen den musikalischen Sack als Gegenstück so richtig zu.
Auch Gatte Gregor glänzt an der Sechssaitigen. Sein variables Spiel ist eine Hauptstärke der Platte. Besonders der leichte Iommi-Touch, den er in den angedoomten Slomo-Passagen präsentiert, macht Laune. Als Sahnehäubchen serviert Mackintosh in "Cry Out" ungewohnt partytauglichen Pubrock, der den Friedhof der anderen Tracks in schweißtreibendem Groove erzittern lässt.
Allen Freunden ihres tonnenschweren Walzensounds sei besonders der Opener "No Hope In Sight" und das Endstück "Return To The Sun" ans Herz gelegt. Beide Songs passen in einer Playlist ausgezeichnet hintereinander und bieten eine Demonstration schnörkelloser Atmosphäre. Zwei fette Monolithen, die sicher auch live echte Zierden der Setlist werden. So gelingt Paradise Lost einmal mehr ein großer Wurf, der ganz für sich allein steht und jeden Vergleich zu früheren Platten überflüssig macht.
9 Kommentare mit 5 Antworten
Gefällt mir sehr gut!
Jap! Fettes Teil!
Klingt wieder wie die frühen PL.
Wieder ein Klasse-Album! Alles dabei was man braucht - vielseitig, kreativ und kraftvoll-melodisch....die alten Herren können es wahrlich immer noch!
Ulf Kubake ist der Beste hier! Er hat wirklich Ahnung von Musik das merkt man [2]
Es war ja zu erwarten wohin die Reise geht. Aber dennoch für meinen Geschmack zu viel Gegrunze und zuviel Doom. Nicht mein Ding.
Das ist traurig.
Geschmäcker sind nun mal verschieden.