laut.de-Kritik
Hirnhälften-Pogo zwischen Wohlklang und Krach.
Review von Yan VogelSeit sechs Alben fahren Rolo Tomassi ihre Mischung aus Hirnhälften-Pogo und harmonischem Miteinander. Ihre Heimat Sheffield ist gleichermaßen geprägt durch Natur und Industrie. Entsprechend münzt das Quintett die Einflüsse in Musik, die zwischen Wohlklang und Krach angesiedelt ist.
Oathbreaker oder die neue Converge-Platte "Bloodmoon: I" dienen als Richtschnur, wobei auch Post-Hardcore im Stile von Thrice oder Boysetsfire sowie Prog-Metal à la Between The Buried And Me auf das Konto der Einflüsse einzahlen. Die Sheffield-Homies Bring Me The Horizon taugen in der abgebildeten Stil-Vielfalt ebenfalls als Referenz.
Die Klammer des Albums liefern die poetisch betitelten "Almost Always" und "The End Of Eternity", zwei Piano-Balladen gespickt mit Post rockigen-Landschaften und einer emotionalen Ausdrucksweise in den Vocals, die das Spektrum an Gefühlszuständen komplett durchmisst. Konzeptuell beschreiben beide Songs den Hoffnungsschimmer, der jedem Anfang, aber auch jedem Ende innewohnt.
Der Sound des Kollektivs lebt von der Dynamik der Geschwister Spence. Eve verbindet in ihrem Gesang die Aggressivität einer Alissa White-Gluz mit der Grandezza von Anneke Van Giersbergen. James pendelt stetig zwischen Piano und Synthie, was zur starken Kontrastierung der Parts führt.
"Drip" beginnt mit Horror-Soundscapes der Marke Carpenter, steigert sich über stoische Stakkato-Snareschläge zu einem Math-Metal-Trip der Marke Meshuggah hoch. "Prescience" mündet in einer Tempo-Abwärtsspirale, die die Band nah an die düstere Spielart des Doom führt.
Die cleanen Gesangsanteile ihres Bruders James bei "To Resist Forgetting" schreit Eve gnadenlos an die Wand. Das davor platzierte "Stumbling" stellt den dynamischen Kontrapunkt des nachfolgenden Geschehens dar. "Labyrinthine" markiert den brachialen Leuchtturm. Aus einer einleitenden Wall Of Noise erwächst ein immenses Inferno, das ein fantastisch intonierter Melodieteil unterbricht. "Closer" hingegen ist ein gutes Beispiel, wie aus einer kleinen Tonfolge großes Kopfkino erwächst, flankiert von verhuschten Piano-Patterns und perlenden, lang ausklingenden Akkorden. Anathema lassen grüßen.
Bei aller Polarität, die in der Musik zu finden ist, erschöpft sich das Gesamtbild nicht in Schwarz-Weiß-Malerei, sondern erzählt von dem Kampf mit den inneren Dämonen. Klingt das Debüt "Hysterics" noch wie der Fiebertraum eines wahnsinningen Teenagers, verfeinert das Quintett seine irre Mixtur auf den folgenden Platten wie "Time Will Die And Love Will Bury It". "Where Myth Becomes Memory" bildet die logische Entwicklung, ohne je das Gefühl zu vermitteln, am Ende angelangt zu sein.
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