laut.de-Kritik
Für Menschen, die Angst vor der Stille haben.
Review von Sven KabelitzSchön zu wissen, dass es in diesen unsicheren Zeiten noch Dinge gibt, auf die man sich wirklich verlassen kann. Den nächsten Weltmeistertitel von Hamilton, Thomas Gottschalks Frisur und die Dummheit des Michael Wendlers zum Beispiel. Oder aber auf Schiller.
Wer schon einmal eines von Christopher von Deylens Alben gehört hat, weiß genau, was einem bei einem neuen Werk dieses AC/DCs des Pop-Ambient erwartet. In den 22 Jahren seit "Zeitgeist" waren die Überraschungen eher rar gesät.
Dorthin, wo einst Brian Eno, Klaus Schulze oder Jean Michel Jarre als Entdecker aufbrachen, reist von Deylen als Pauschaltourist. Schiller liefert in die Länge gezogene Nichtideen, unterlegt von botschaftsleerem Geblubber. Musik für Menschen, die Angst vor der Stille haben, denen Musik aber zu anstrengend ist.
Angetrieben vom "Dream Of You"- und "Weltreise"-Erfolg entschied sich von Deylen schnell, den zumindest interessanten Ansatz des ersten Albums zunehmend hinter sich zu lassen und Deutschland von nun an einzulullen. Um das Publikum bei der Stange zu halten, unterbrechen seitdem kleine, eingängige Electro-Pop-Singles mit illustren Gast-Sänger*innen seinen erzkonservativen Ambient. Aber immerhin klingt das alles sehr gut. Zudem gibt es viel davon. Sehr viel. "Summer In Berlin" alleine in unzähligen Editionen.
Klassisch eröffnet Franziska Pigulla – Gott habe sie selig – das Album. "Guten Abend. Herzlich willkommen in der neuen Welt von Schiller. Schließen Sie die Augen, entspannen Sie sich", gibt uns Agent Scully mit auf den Weg durch Berlin. Der Longplayer soll einen cineastischen Roadtrip durch die Hauptstadt darstellen. Trotz Namen wie "Der Goldene Engel" oder "Liebe Aus Asphalt" bleibt das einzige Stück, das wirklich eine Beziehung zu Berlin herstellt, der Titeltrack. Ein Lied, das bereits 37 Jahre auf dem Buckel hat.
Auf Alphavilles Debüt "Forever Young" stellt das unterkühlte "Summer In Berlin" einen Klassiker unter Klassikern dar. Diesem gelang es damals perfekt, des zwischen den Weltmächten aufgeschundene, noch von einer Mauer getrennte Berlin in Klang und Bilder zu fassen. Weit weg vom Europapark-Charme, den die Hauptstadt heute rund um den Potsdamer Platz versprüht. Schillers Version stellt viel mehr einen Remix, anstatt einer wirklichen Zusammenarbeit mit Marian Gold dar.
Dagegen steht "Der Klang Der Stadt", das über fast zwanzig Minuten versucht mit endlos loopenden Hooks und unmotiviert vor sich hin brummenden Synthesizern eine Verbindung zu finden. Doch die einsame Person, die in der Mitte des zweigeteilten Tracks durch die Straßen schreitet, könnte ebenso durch Gründau-Lieblos oder Kleinbadegast latschen, es würde keinen Unterschied machen.
Janet Devlin schenkt der kitschigen Pop-Nummer "Better Now" ihre Stimme. Der Bruch vom einschläfernden "Menschen Im Hotel" zum fast schon energischen "Guardian Angel" fällt hart und störend aus. "Just like a rainbow that follows the storm", singt Tricia McTeague hier. Wie wenig Kraft all dies zu bieten hat, beweist sich Schiller dann ausgerechnet selbst, in dem die auf der zweiten CD enthaltenen Live-Aufnahmen, die einen Querschnitt durch die bisherige Karriere bieten, über so viel mehr an Energie und Abwechslung verfügen, als alles auf "Summer In Berlin".
In "Dem Himmel So Nah", das zusammen mit "Der Klang Der Stadt" eine Klammer um "Summer In Berlin" schließt, kommt es zu einer Kooperation mit Thorsten Quaeschning von Tangerine Dream. Bezeichnend, welche entschlossene, dunkle Dynamik und Atmosphäre diesen Track sofort umgibt. Schade, dass Schiller dafür erst eine helfende Hand braucht.
Denn abseits davon verfügt von Deylen über genau fünf Werkzeuge, um Stimmungen aufzubauen: Mysteriöses Wabern, Field Recordings, Hall, Hall und Hall. Gebt mir eine Tropfsteinhöhle, ich bastle euch ein Schiller-Album. Zu wenig, um Spannung in einen fast eineinhalbstündigen Gleichklang zu bringen. Es bleiben bekannte Versatzstücke, verlinkt in die frühen 2000er, aus denen Schillers Musik bis heute keinen Ausweg gefunden hat.
5 Kommentare mit 9 Antworten
Einige Ansätze finde ich sogar recht gut, dann fällt es aber immer wieder recht schnell in die alten und bekannten Strukturen welche die Songs dann eher absaufen lassen. Wenn man alles was nicht interessant ist abzieht, bleibt dann wirklich oft nur der übermäßig benutzte Hall. Was bei den eher ruhigen Songs aber noch gut funktioniert, wirkt dann bei den "Pop" Songs eher unmodern und merkwürdig. Nunja, Schillers eher zweifelhafter Ruf als Yoga- und Fahrstuhlmusik Projekt ist wohl nicht in Gefahr.
...braucht mehr Hall.
Tja, sehr dumm liebe Laut Redaktion.....von 0 auf Platz 1 in den Charts?! Soll das noch Fahrstuhlmusik sein??! Ich glaube nicht.....besorgt Euch dringend mal Leute, die wirklich Ahnung von Musik haben.....
".....von 0 auf Platz 1 in den Charts?! Soll das noch Fahrstuhlmusik sein??!"
Erklär mir bitte mal, warum das eine das andere ausschließen sollte.
Und warum benutzt ihr immer entweder keine Interpunktion oder müllt eure Sätze übertrieben damit zu? Ist das der übliche Duktus in Birgits Häkeldeckchengruppe auf facebook?
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Ja, von 0 auf 1. Wie ein Fahrstuhl halt.
Es reichen heute zum Teil schon 1000 Verkäufe aus um in die Charts zu kommen. Schiller war mit einigen Alben in den Charts, weil er mindestens seine 2000 Einheiten zum Release verkaufen wird (seine Fanbasis ist nicht gerade klein).
Insgesamt dürfte Schiller auf die 60-80.000 verkaufte Einheiten kommen (2013 lag er bei 100.000 und die Verkäufe sind insgesamt seitdem extrem bei allen gesunken) aber damit ist ein "low seller". Nur mal als Vergleich... Helene Fischer verkauft zwischen 1-2 Mio, also das 10 bis 20- fache von Schiller...
ein hoch auf Klaus Schulze
"Musik für Menschen, die Angst vor der Stille haben, denen Musik aber zu anstrengend ist."
Was für ein Kritiker-Schwachsinn!
Wir hier nennen es ja auch gerne mal "Humor". Ganz ohne die Hand davor zu halten!
Klar, man kann das Ganze natürlich auch durch die "Humorbrille" betrachten. Aber ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, dass der Autor die Musik von Schiller banalisiert. Schillers Werkzeugkasten besteht eben nicht nur aus mysteriösem Gewabere, Field Recordings & Hall. Man sollte sich dann schon mal die Mühe machen und die Musik unter Kopfhörern analysieren. Hier erschliessen sich Soundwelten, die, wie ich finde, alles andere als einfach gestrickt sind. Außerdem spricht der Autor von "botschaftsleerem Geblubber". Welche Art von Botschaft erwartet er denn? Diese Art von Musik soll Emotionen erzeugen. Wenn sie das erfüllt, ist die Botschaft angekommen! Wer aber für diese Art von Botschaft nicht empfänglich ist, sollte sich dann aber vielleicht ein anderes Genre für eine Musikkritik aussuchen!
...jaja, bin da schon ab und an bei dir. Schillers Musik hat ja bei mir auch bisher nur das Gefühl wecken können, dass sie noch ein wenig mehr Hall vertragen könnte.
aber hier, falls du auf Rezensionen von Leuten stehst, die den Scheiß fühlen und dir auch uneingeschränkt für einen Kauf weiterempfehlen würden: Schon mal Amazon-Rezensionen gecheckt? Und bei EMP z.B. kommen die meisten Neuerscheinungen meiner Erinnerung nach auch vergleichsweise gut weg...
Schiller galt schon immer als eher Banal und von Deylen selbst hat auch nie ein Hehl daraus gemacht eher einfach gestrickte Musik ohne viel Komplexität und Tiefgang zu machen. Die Fans lieben es, alle anderen eher nicht. Deswegen ist die Rezension aus der Perspektive eines Nicht-Schiller-Fans durchaus verständlich. Ich würde mich eher wundern wenn man von Deylens Kreationen in den höchsten Tönen loben würde. Schiller ist halt "Wonderful German-Kitsch"