laut.de-Kritik
Post-Metal Stinkefinger wider den grenzdebilen Zeitgeist.
Review von Thomas KlausVor zwei Jahren bescherten Long Distance Calling ihrer Heimatstadt Münster einen unwiderruflichen Eintrag auf der Post-Metal-Landkarte. Mit ihrem Debütalbum "Satellite Bay" landeten sie einen ob ihrer jungen Bandhistorie überraschenden Achtungserfolg und lösten mit diesem versiert vorgetragenen Instrumental-Koloss allenthalben Begeisterungsstürme in den Reihen der Psychedelic-, Progressive- und Ambient-Rock Aficionados aus.
Einige wohlverdiente Support-Touren mit Dredg, Envy und 65daysofstatic sowie Auftritte bei Rock am Ring und dem renommierten Roadburn Festival zu Tilburg später legen David und Florian (Gitarren), Janosch (Drums), Jan (Bass) und Reimut (Ambience) ihr nächstes Art Rock-Itinerar nach. Wie kaum anders zu erwarten, strecken die Herren dem überwiegend in grenzdebilen Gefilden umherirrenden Zeitgeist auf "Avoid The Light" zum wiederholten Mal ihren stolz erhobenen Stinkefinger entgegen.
In der Kürze soll die Würze liegen? Au contraire! Long Distance Calling beweisen mit diesen sechs detailverliebt arrangierten Epen erneut Mut zur Länge und dürften mit ihrem ausladenden Gestus wieder all jene armen Büttel in die geistige Umnachtung treiben, deren Aufmerksamkeits-Fahnenstange an der Drei-Minuten-Marke ihr jähes Ende findet. Unterhalb von sieben Minuten und dreizehn Sekunden läuft hier nämlich gar nix.
Auch musikalisch gehen LDC auf "Avoid The Light" keine Kompromisse ein, konfrontieren einlullende Ambient-Loops mit halsbrecherischen Riffabfahrten, setzen mal auf schöngeistige Atmosphäre, mal auf Testosteron-mariniertes Rockbrett. Als ob (frühe) King Crimson unschön von Karma To Burn belästigt würden, um
sich hernach von Mono trösten zu lassen.
Der Fortschritts-Teufel steckt ein weiteres Mal im Detail und manifestiert sich anno 2009 am auffälligsten im Soundgewand. Denn wenn Blackmails Gitarren-Hüne Kurt Ebelhäuser seinem zweitliebsten Hobby frönt und sich in der hauseigenen Tonwerkstatt als Studioschrauber verdingt, kann man getrost davon ausgehen, dass sein Plan funktioniert. "Die Zusammenarbeit mit ihm hat sich ausgesprochen positiv ausgewirkt," bestätigen demzufolge auch die Bandmitglieder selbst und meinen damit wohl Kurts Geberqualitäten in Sachen ehrlichen, rohen Gitarrensounds und einer zu gleichen Teilen transparenten wie durchschlagenden Produktion.
Erweiterte Pete Dolving von The Haunted bereits auf dem Debüt das instrumentale Spektrum um eine ansprechende Gesangsnummer, bereichert diesmal Katatonias Jonas Renske um eine sich nicht gerade schmalspurhaft ausnehmende Stilvielfalt am Mikrofon. "The Nearing Grave" belegt eindrücklich, dass vokaler Input auch Long Distance Calling sehr gut zu Gesicht steht, so dass man sich für die Zukunft mehr davon erhofft. Auch wenn die Münsteraner ihr technisch anspruchsvolles Handwerk tight wie ein Kobesteak zum Stereogenuss servieren, entfalten sie unter stimmlicher Schützenhilfe noch mehr Dynamik und Kontrastwirkung. Bon appetit!
1 Kommentar
Mir gefällt "Satellite Bay" besser.
Nicht daß "Avoid The Light" schlecht wäre, aber die "Ambienceabteilung" kann einem wirklich derbe auf den Sack gehen, der Herr hielt sich auf dem Vorgänger doch angenehm im Hintergrund.
Wie man richtig mit hörbaren Elektronik-Synthiespielereien umgeht, sollte man mal bei beispielsweise God Is An Astronaut erfragen.
Rocken können LCD, zeigen dann auch immer ihre tollen Momente, aber das Atmosphärische ist nicht so ihre Stärke - erahnte man bei "Satellite Bay" und fühlt sich nun bestätigt.
Handwerklich nichts daran auszusetzen, von Genregrößen und vielen mehr oder weniger bekannten Nachfolgern bleibt man aber weit entfernt.
Trotzdem: weiter machen. Ich kauf' auch das nächste Album.
3/5