laut.de-Kritik

Der König Midas der KMN Gang singt vom Schmerz wie Édith Piaf.

Review von

"Zwei Singles und ich konnte schon in Rente geh'n." Miami Yacine gehört seit vier Jahren zu den erfolgsverwöhntesten Rappern in Deutschland. Über die Singles "Kokaina" und "Bon Voyage" ergoss sich ein warmer Regen Edelmetall und auch das dünne Debüt "Casia" schlug sich überzeugend in den Albumcharts. Mit "Intro-Réumé", "Hayabusa", "Alessandra Ambrosio", "Gang Gang" und "McQueen" tummelten sich bereits im Vorfeld seines zweiten Langspielers "Welcome 2 Miami" wieder fünf Stücke in den Singlecharts herum.

Ein Resümee der vergangenen Jahre sollte dem entsprechend einigermaßen ruhmvoll ausfallen. Doch während andere Straßenrapper selbst als Pleitegeier einen glamourösen Lebensstil halluzinieren, vermögen es auch Platin-Schallplatten nicht, dem König Midas der KMN Gang ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Rückblickend überwiegt für Miami Yacine im "Intro-Résumé" das Negative. "Sing' von Schmerz wie Édith Piaf", erklärt der Dortmunder betrübt. Und zwischen den Strophen echot sein großer Hit "Kokaina" trostlos aus der Vergangenheit.

Nach gelungenem Einstand enttäuscht es fast ein wenig, wenn Miami Yacine bereits in "Navy Seals" ein Klischee-Feuerwerk abbrennt. Zu Singsang und Siesta-Trap gibt er eine schwachbrüstige Story darüber zum Besten wie die US-Spezialeinheit in seine Suite einfällt, um ihn in eine Schießerei zu verwickeln. Unvermeidlich kommt auch die hüben wie drüben totgerittene Onomatopoesie zum Einsatz ("Skrrt, skrrt, skrrt, skrrt"). Das lautmalerische Motorengeräusch der "Hayabusa" vermittelt da schon bessere Laune. Ohnehin legt er an der Seite von Azet deutlich mehr Nachdruck an den Tag.

Neben Capital Bra fällt Miami Yacine dagegen wieder in schlimmste Stereotype zurück. Mit einem am Reißbrett entworfenen Trap-Beat verbindet "Narco Ben" Autotune-Gesang mit drögem "Le-le-le". Angesichts der oberflächlichen Stilistik erscheint der Song widersinnig ernsthaft ("Ihre Nase blutet, denn sie zieht vom Glastisch"). Die überschaubare Musikalität des "CB6"-Rappers fällt etwa im direkten Vergleich mit dem italienischen Superstar Sfera Ebbasta ins Auge, der sich in "McQueen" trotz oder vielleicht sogar wegen der Sprachbarriere hervorragend konsumieren lässt.

Das Gros der Songs umweht eine leichte Brise der Melancholie. In "Kein Pardon" unterstützt die schüchterne Klavierbegleitung von Lucry und Suena den Weltschmerz des Rappers: "Ich wollte niemals was umsonst. Im Ghetto gab es keine Chance". Gelegentlich wirkt es aber so, als seien die Räuberpistolen auf Autotune nur seine Masche. Das gilt etwa, wenn er in "Casablanca" den Eindruck vermittelt, dass sich das Leben in der Armut per On/Off-Schalter beenden ließe: "Du bist très jolie, lass aus'm Ghetto zieh'n". Und falls ihnen das Brot ausgeht, greifen sie beherzt zum Kuchen.

Auffällig off-brand erscheinen auch die eingestreuten Querverweise, die wahrscheinlich nur eine Minderheit seiner Hörer verstehen. Mal nimmt er Bezug auf Ephialtes von Trachis aus dem Antiken Griechenland, mal erwähnt er den japanischen Künstler Takashi Murakami. In "Alessandra Ambrosio" ernennt er sein zweites Album zum "Pièce de résistance". Im "Outro 2000" vergleicht er sich mit dem Komponisten Richard Strauss, nur um anschließend "Disco Inferno" von 50 Cent, "Fuck Tha Police" von N.W.A. oder "What's The Difference" von Dr. Dre, Eminem und Xzibit zu samplen.

"Mein zweites Album wird releast in einer Kunstgalerie." Auch nach mehrmaligem Hören bleibt unklar, ob Miami Yacines persönlicher Anspruch darin besteht, eine künstlerische Vision umzusetzen oder ein Fast-Food-Produkt auf den Markt zu schlenzen. Trotz der wiederkehrenden Behauptung hat er aber mit Sicherheit weder etwas mit Beethoven noch mit Biggie gemein. Mit "Welcome 2 Miami" hat der Rapper vielmehr ein äußerst selbstreferentielles Album aufgenommen ("Roll' im Benz und baller 'Kokaina'"), dem es durch die Vielzahl an Produzenten auch ein wenig an Kohärenz mangelt.

Trackliste

  1. 1. Intro-Résumé
  2. 2. Navy Seals
  3. 3. Vamos A La Playa
  4. 4. Hayabusa (mit Azet)
  5. 5. Tony & Elvira
  6. 6. Narco Ben (mit Capital Bra)
  7. 7. Alessandra Ambrosio
  8. 8. Ghettosuperstars (mit Nash)
  9. 9. Gang Gang
  10. 10. McQueen (mit Sfera Ebbasta)
  11. 11. Casablanca
  12. 12. Kein Pardon
  13. 13. Outro 2000

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Miami Yacine

Dank YouTube geht Miami Yacine seit Spätsommer 2016 quasi von Null auf die Hundert: Innerhalb weniger Monate sammelt der gebürtige Marokkaner aus dem …

7 Kommentare mit 6 Antworten