laut.de-Kritik

Klanginstallation zwischen irrwitziger Intensität und lauem Lounge.

Review von

Robert Glasper, Pianist und Strippenzieher hinter dem Release, hat ein Händchen für durchdachte Erzählkonzepte, die er mit vielen Gästen präsentiert. Was besagtes Konzept betrifft, so sollte der Weg das Ziel sein - eine Art Ausnahmesituation wie der Promotext nahelegt: Zwei Tage dauerte es, dann stand "Fuck Yo Feelings" weitestgehend.

73 Minuten Spielzeit mit Session-Charakter. Ruhige Lounge-Phasen wechseln mit einem Dickicht aus Breakbeats und Jazz-Orchestrierung ab. Alternativ und hip wirkt das, eigenbrötlerisch. Aber richtig fertig scheint das Werk auch beim Release nicht gewesen zu sein: Songs mit starkem Charakter lassen sich aus dieser Art Mixtape nur wenige herausfiltern. Diese wenigen sind dafür ziemlich genial.

"Fuck Yo Feelings" kommt teils extrem emotional. Glasper und Co. kümmern sich effektvoll um Jazz, Rap, Spoken Word und Neo-Soul: Eine große Aufgabe, die aber nur teilweise gelingt. Dieser Eindruck festigt sich selbst nach dem 15. Hördurchlauf: Die Platte erinnert an eine Tiefkühl-Gemüsemischung, bei der manche Teile nach drei Minuten in der Pfanne heiß und fertig brutzeln, andere aber noch nach einer Viertelstunde nicht.

Dabei wären die Voraussetzungen gegeben. Glasper erhebt seine Free Flow-Methoden zum obersten Gesetz, Songstrukturen weichen auf. Die Stimmen besagter Features reißen die Zentrifugalkräfte im wilden musikalischen Geschehen an sich und bleiben mit ihren Worten haften. Etwa Empowerment-Poetin Staceyann Chins hingeschleuderte, atemlose, feministische Wort-Kaskade "Endangered Black Woman". Sie sorgt für den besten Abschnitt.

Die federnden Drums von Chris "Daddy" Dave umranken und pushen ihre Stimme. Er prägt dieses Mixtape gleichwohl mehr als alles und jeder andere. Sein mitreißendes, catchy Schlagzeugspiel klingt mal nach Voodoo-Trance, mal ploppen die Beats wie Basketbälle auf Tartan. Man höre sich etwa "Indulging In Such" an. Daddys Spiel klingt tropisch schwirrend, aber auch meditativ und subtil knisternd wie ein Feuer im Ofen. Souverän und flexibel spinnt er den roten Faden durch das Mixtape.

Baby Rose, ein noch unbekanntes, aber riesen Talent, nimmt den feministischen Spielball mit schmirgelnder 'Blackness' in der Stimme auf - wie Roberta Flack auf Dope in einem Rap. "Expectations" zeigt die junge Jam-Jazz-Hopperin vom ersten Atemzug an vollkommen stimmgewaltig präsent. Schlag auf Schlag geht es weiter: Im selben Track entert Rapsody die Bühne. Die energische Rapperin ("Eve") battlet klassisch ihre Punchlines. Der Mittelteil mit "Expectations" und "Endangered Black Woman" bildet den intensiven Höhepunkt des Albums.

Daneben bleibt noch "Let Me In" im Gedächtnis. Mit toller Melodie, wabernden Loops, knallenden Hi-Hats, kontrastierenden Stimmen, elektrifizierten Verzerrungen, Sample-Collagen, Echos, Drumsolo und einer süchtig machenden Akkordfolge gräbt sich dieser Track ganz tief in die Gehörgänge. "Liquid Swords" lässt mit quirligen Geräuschen aufhorchen.

Obwohl die Platte, wie erwähnt, einem Mixtape gleicht, zerfällt sie in recht heterogene Strecken. Der gesamte Approach klingt jazzig: Die Musiker und Musikerinnen verweben alles, indem sie, wie Ry Cooder sagen würde, die soziale Interaktion zum Klingen bringen. Inhaltlich gestattet Glasper eine große Bandbreite: Pamphlet, diffuses Gemurmel, Mantren, Short Story, Lautmalerei, Freestyle-Poetry, Konversation, Battle-Rap, Gedicht.

Doch je mehr sich das Album in mellow-lässigen Instrumentalstrecken verfängt, sinkt der Unterhaltungswert. Konturen werden vage, mal geht es zu früh aus einer Idee raus, dann folgen wieder zu lange Leerläufe. Dass auf "Gone" der Herbie Hancock in die Tasten tippt, kann man glatt überhören. Keine schrägen Samples oder frechen Scratchings, dafür rappt YBN Cordae, und Bilal, der zu Unrecht Vergessene, setzt zum Falsettgesang an. Bis sich das eingegroovt hat, dauert es. Und als es gerade verspricht, spannend zu werden, und Hancock in Afrogroove-Manier durchdringt, bricht der Titel ab.

Auch im zweiten Kollabosong "Trade In Bars Yo" wird Herbie abgewürgt. Glasper duldet eben keinen zweiten Keyboard-Gott neben sich. Etliches Potential bleibt so auf "Fuck Yo Feelings" ungenutzt.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. This Changes Everything
  3. 3. Gone
  4. 4. Let Me In
  5. 5. In Case You Forgot
  6. 6. Indulging In Such
  7. 7. Fuck Yo Feelings
  8. 8. Endangered Black Woman
  9. 9. Expectations
  10. 10. All I Do
  11. 11. Aah Whoa
  12. 12. I Want You
  13. 13. Trade In Bars Yo
  14. 14. DAF Fall Out
  15. 15. Sunshine
  16. 16. Liquid Swords
  17. 17. DAF FTF
  18. 18. Treal
  19. 19. Cold

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