laut.de-Kritik

Futter für die Tina-Hasser.

Review von

Mit Vorsicht zu genießen ist, wer Tina Turner-Platten im Regal stehen hat. So lautet eine der festen Überzeugungen des Protagonisten aus Nick Hornbys "High Fidelity", dem Standardwerk für Plattenhändler, -freaks und alle, die es werden wollen. Schwer vorzustellen aber, dass Hornbys Held an den röhrenden Soul-Nummern viel auszusetzen hat, mit denen Anna Mae Bullock an der Seite ihres prügelnden Gatten Ike Turner zwei Dekaden zuvor ihre Karriere begann.

Die kommen auf Best-Ofs üblicherweise zu kurz. "Tina!" macht da keine Ausnahme, auch sie quält sich durch den üblichen Brei. Abgesehen allenfalls vom schartigen, noch hörbar Gospel-beeinflussten "River Deep, Mountain High", den rockenden "Nutbush City Limits" und "Proud Mary", das jedoch in einer polierten Version von 1993 Aufnahme fand, die sorgsam vom Dreck des Originals befreit wurde.

Vergleicht man die Trackliste mit der der vor vier Jahren veröffentlichten Doppel-CD "All The Best", wird der Betrug am Fan offenbar: Kein diggin' in the crates, keine Neuentdeckung verschütteter Perlen. Gerade einmal das aus dem Soundtrack der Rock-Oper "Tommy" stammende "Acid Queen" findet sich nicht bereits auf dem voran gegangenem Hit-Sampler.

Die vollmundig als "bisher unveröffentlichte Live-Aufnahmen" angepriesenen Songs beschränken sich auf "Let's Stay Together", das einst Al Green schmachtete, und - ebenfalls ein Cover, diesmal von Ann Peebles - "I Can't Stand The Rain". Nichts Neues, nichts Unerwartetes, auch hier nicht.

Lieb- und gefühllos aneinandergewürfelt, ohne Rücksicht auf Entstehungsjahrzehnt, Stimmung, Tempo oder Stil, holpert sich "Tina!" von Hit zu Hit. Man muss kein Tina-Hasser sein, damit einem Nummern wie "Private Dancer", "The Best" sowie in Zeiten, in denen der neue 007-Streifen in den Startlöchern steht, selbstverständlich "Goldeneye" meterweit zum Halse heraus hängen. "We Don't Need Another Hero." Nein, danke. Wirklich nicht.

Frische Songs verstecken sich erst im Bonus-Material: satte zwei an der Zahl. Respekt, da bekommt man für einen Kaufpreis von um die 15 Euro ja mal wirklich üppig aufgetischt. "It Would Be A Crime" verpasst der charakteristischen Stimme Tinas ein modernes Sound-Gewand mit Claps und dicken Bässen, ohne allzu sehr in eine Hip Hop- oedr R'n'B-Richtung abzudrehen, die die Fangemeinde vermutlich verschrecken würde.

Das Maß der von Akustikgitarre getragenen Zopfigkeit von "I'm Ready" male man sich bitte an dem Umstand aus, dass sich seit Genuss dieses Tracks nun "Tausendmal Du" von der Münchener Freiheit ohrwurmartig durch meine Gehörgänge windet.

Die unbestrittene Wandlungsfähigkeit der Interpretin, von der Soul-Königin über die harsche Rocklady zur ecken- und kantenlosen Popnummer bleibt immerhin beeindruckend.

Trackliste

  1. 1. Steamy Windows
  2. 2. River Deep-Mountain High
  3. 3. Better Be Good To Me
  4. 4. Acid Queen
  5. 5. What You Get Is What You See
  6. 6. What's Love Got To Do With It
  7. 7. Private Dancer
  8. 8. We Don't Need Another Hero (Thunderdome)
  9. 9. I Don't Wanna Fight
  10. 10. Goldeneye
  11. 11. Let's Stay Together (Live in Amsterdam)
  12. 12. I Can't Stand The Rain (Live in Amsterdam)
  13. 13. Addicted To Love (Live at Camden Palace)
  14. 14. The Best
  15. 15. Proud Mary
  16. 16. Nutbrush City Limits
  17. 17. It Would Be A Crime
  18. 18. I'm Ready

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19 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    @dein_boeser_Anwalt (« man sollte hierbei nicht vorschnell urteilen, swingy und lars.

    too old for rock and roll zeigt sich hier doch ausschließlich auf der der bühne als messlatte, solch halbgare complations sind da kein maßstab.
    und dort wird sie sicherlich nichts verlernt haben.

    und zum vorwurf "der peinlichkeit, einen solchen müll zu veröffentlichen":

    sicherlich ist das eine mutlose nummer-sicher-zusamenstelllung. nur sind diese fälle oft weder die idee des künstlers, noch unterliegen sie desn einflussbereich.

    die verwertungsrechte in bezug auf wiederveröffentlichung (inkl outtakes, die dann als "neu" dargestellt werden) liegen oft bei den labels, nicht bei den künstlern/komponisten.

    also bitte etwas reflektierter, meine herren, ihr seid doch sonst nicht so platt. »):

    Was heisst hier platt... dieser Kommentar bezieht sich ausschliesslich auf die Zusammenstellung der CD die lieblos und ohne erkennbares Muster ist. Dies hat nichts mit Tinas sonst sehr guten Arbeiten zu tun und schon gar nichts mit Ihrer Musik da diese zeitlos gut ist. Vielleicht sollte man den tieferen Sinn hinter dieser Kritik sehen.

    Allerdings sind ja auch zwei neue Tina Songs auf der Compilation von daher muss sie ja wohl auch ein Wörtchen mitreden oder? Vielleicht hätte sie besser ein neues Album aufnehmen sollen statt altes Futter aufzuwärmen.

  • Vor 16 Jahren

    Laut Eingangssatz der Review bin ich wohl mit äußerster Vorsicht zu genießen.
    Um aber keinen schnellen Tod zu sterben, behaupte ich mal, daß Tinas Managment bzw. ihr Label ihr mit diesem Album keinen wirklichen Gefallen getan haben.
    Es dient sicherlich dem Anschub ihrer Rückkehr auf die Bühne, lässt aber ebenso sicher sehr viele ihrer alten Fans wohl auch kalt.
    Ich mag Tina Turner immer noch und erinnere mich ab und an, wie sie vor mehr als 25 Jahren fulminant aus einem riesigen Desaster den Weg zurück fand.
    Und ich kann auch jetzt einen gewissen Respekt vor ihr nicht verhehlen, wenn sie mit 70 (aus welchen Gründen exakt auch immer) noch einmal wissen möchte, wie sich große Bühnen anfühlen.
    Wirklich verstehen kann ich es nicht, aber ich denke, es dürfte in erster Linie nichts mit merkantilen Gründen zu tun haben. Die sporadischen Single-Einspielungen mit anderen Sangeskollegen in den vergangenen Jahren haben ihre offensichtlich immer noch vorhandene Power nicht wirklich ausgereizt...wer weiß?
    Ich warte also in aller Ruhe ab, wie sie sich demnächst auf der Bühne präsentiert. Ich hoffe dabei allerdings, daß sie sich nicht ernsthaft überschätzt und daß aus der Sache keine offensichtlich peinliche Angelegenheit wird.