laut.de-Kritik
Das ist keine Band, das ist ein Event!
Review von Jasmin LützWeltmusik, da sträuben sich bei manchen Leuten gleich die Nackenhaare. Irgendwie ist dieses Genre gleichgesetzt mit losgelösten Menschen, die sich mit der Trommel ihr Leid von der Seele schlagen oder barfuß und bekifft durch den Park schweben. Ob irgendwelche Halluzinogene bei Africa Express eine Rolle spielen, soll hier nicht das Thema sein. Sondern die unglaubliche Anziehungskraft die dieses weltweit gefeierte Musikprojekt auslöst.
Musikerinnen und Musiker aus vier Kontinenten treffen hier zusammen. Mitbegründer ist Damon Albarn. Der mal eben nach seiner großen Blur-Reunion und vor neuer Gorillaz-Veröffentlichung mit Africa Express um die Welt tingelt. Mit Sicherheit ist es auch sein Verdienst, dass dieses Kollektiv so erfolgreich ist und neben Reggaeton, Hip Hop, Salsa, Latin-Jazz, Soul auch sehr viele Pop-Elemente mitbringt.
Die Reise beginnt 2006 in Mali. Hier trafen sich die lokalen Stars Toumani Diabaté, Bassekou Kouyaté und Amadou & Mariam mit Martha Wainwright, Fatboy Slim und eben Albarn. Seitdem wächst das Musikprojekt mit dem Ziel, die musikalische Vielfalt Afrikas in den Vordergrund zu stellen. Im Laufe der Zeit sind noch weitere Kontinente dazugekommen, um etwas Besonderes zu erschaffen: Einen musikalischen Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen. Das neue Studioalbum "Bahidorá" zeichnet diesen kulturellen Austausch aus. Diesmal wurden die Stücke in Mexiko aufgenommen.
2024 spielen Africa Express als Headliner auf dem mexikanischen Bahidorá-Festival. Hier treffen DJs und Künstler aus Afrika, Mexiko, Südamerika, USA und Großbritannien zusammen. Es bilden sich neue Freundschaften, neue Konstellationen, gegenseitige Inspirationen und Motivation. Sie improvisieren und profitieren voneinander. Es entstehen berührende, lebendige und kreative Songs. 21 davon gibt es nun als Longplayer auf Africa Express Presents ... Bahidorá.
Ein Highlight und Gänsehaut-Moment ist "Soledad" (Einsamkeit). Damon Albarn im Duett mit der mexikanischen Sängerin Luisa Almaguer. Zwei Stimmen, die man nie wieder trennen möchte. Jeder Song ist eine impulsive Reise, durch verschiedene Genre und Länder. Darunter typische Musikstile aus Ghana von Rapper und Produzent Kwame Ametepee Tsikata, besser bekannt als M.anifest ("Defiant Ones").
Moonchild Sanelly ist eine südafrikanische Sängerin und Tänzerin, die den Afro-Punk mit ins Projekt bringt und den Tanzstil "Kudoro", der zugleich Titel des Songs ist. Eine energiegeladene Musik aus Angola. Mit Mexiko hatte Sanelly vor den Aufnahmen gar nichts zu tun, aber nach dieser Begegnung will sie nun auch ihr Soloalbum dort aufnehmen. Ihre Energie spürt man vor allem auch bei ihren Live-Auftritten. Ihr Stil ist extravagant und auch gerne provokant. Da wundert es auch nicht, dass sie ihr eigenes Genre kreiert: Future Ghetto Funk.
Die Stimme von Hak Baker bestimmt "Frenemies". Die Steigerung seiner Vocals haben schon viele Geschichten über das Leben in seiner Geburtsstadt London beschrieben. Mit seinen politischen und poetischen Worten gehört er zu den bekanntesten Rap- und Folksängern in der alternativen Musikszene in Großbritannien.
In "Raise A Glass" harmonieren Django Django, Mare Advertencia und Seye Adelekan. Mexikanischer Rap (Mare) trifft auf nigerianisch-britische Basslinien (Seye) und englischen Indie-Art-Pop. Top!
Africa Express haben mit ihrem neuen Werk auch schon einige Konzerte und Festivalauftritte hinter sich. In Hamburg begeisterten diese musikalischen Talente das Publikum in der Elbphilharmonie. Damon Albarn war auch dabei, hielt sich aber mehr im Hintergrund, wobei seine Stimme und Performance (immer wieder gerne am Klavier oder mit Melodika) so manchen Song gekonnt, prominent in Szene setzen. Dennoch stehen seine neuen Freundinnen und Freunde im Vordergrund und man weiß nie, wie so ein Song endet. Spontane Konstellationen, Tanzausbrüche und Gesangseinlagen inklusive. Das mag manchmal chaotisch wirken, aber das macht diese Veranstaltung eben auch zum unvergessenen Highlight. Am Ende steht man plötzlich selbst auf der Bühne und tanzt vor über 2.000 Leuten. Das ist keine Band, das ist ein Event!
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