laut.de-Kritik
Wenn Solange Knowles' Producer Hand anlegt.
Review von Philipp KauseDas Vibrato-Timbre klingt überaus vertraut. Fans von Simply Red, Benny Sings, Terence Trent d'Arby, Sébastien Tellier, Roachford und Gregory Porter sollten ihre Ohren bei "Lay Low" weit aufsperren: Eddie Chacon wirkt wie Quersumme dieser Musik. Der Sänger ist quasi eine Nummer eins-Legende. In vier Ländern, darunter auch Deutschland, kam "Would I Lie To You?" zu Beginn der Neunziger auf Platz eins, ein Duett mit seinem Gesangspartner - Charles Pettigrew starb schon 2001. David Guettas erreichte mit seiner Version später noch einmal Platz zwei in Österreich und Deutschland.
Abgesehen von einem kurzen Intermezzo mit einem Electro-Duo namens The Polyamorous Affair wurde Eddie jahrzehntelang unsichtbar. The Polyamorous Affair, das Projekt mit seiner Ehepartnerin, Modedesignerin Sissy Sainte-Marie, nahmen zwei Alben auf. Das Paar lebte auch von einem Online-Shop, Eddie arbeitete zudem als Fotograf und Kreativ-Direktor für das Mode-Fachblatt Autre in Los Angeles.
Behält man dieses Schicki-Micki im Hinterkopf, erschließt sich die neue Downtempo-Musik des lange verschwundenen Soul-Stars noch ein Stück besser. Denn manches auf "Lay Low" kann man sich problemlos als perfekte Laufsteg-Musik vorstellen, etwa "Let You Go".
Der 61-Jährige knüpft dabei stilistisch an jüngere europäische Acts an: Erika de Casier (Dänemark), Emma-Jean Thackray, John Glacier (beide UK), Iyebi oder French Kiwi Juice aus Frankreich. Deren manchmal kühl technischer Keyboard-Sound hallt hier nach, und in L.A. wäre Banks ein Äquivalent.
Dass sich Eddie nach der langen Auszeit so sehr nach heute anhört, mag am derzeit gefragten Producer und Tastenspezialist John Carroll Kirby, liegen. Dessen Handschrift entdeckt man bei Solange bei fast allen Tracks von "When I Get Home". Auch Steve Lacy findet sich auf der Liste von Kirbys Auftraggebern. Kirby gilt als eine der Hintergrund-Figuren des Future-Neo-Soul. Bat For Lashes - "So Good", Norah Jones - "Chasing Pirates", Harry Styles - "Canyon Moon", Blood Orange - "E.V.P." sind weitere Songs, auf denen der Kalifornier Synths, Keys oder Piano beisteuert. Als Charles & Eddie ihren Durchbruch feierten, war John Carroll Kirby gerade mal neun Jahre jung.
Schon damals, zwischen 1992 und 1995, war Eddie Chacon ein vorsichtiger Sänger. Einer, der den Schmalz zum Glück mied. Die aktuellen Tracks unterscheiden sich in ihren Referenzen: "Good Sun" kann man guten Gewissens einem Charles Bradley-Fan andienen: "Always searching for the good time / I hope you find what you're lookin' for / I just miss you how - how - how ..." Womöglich vermisst er ja immer noch den einstigen Mitstreiter Charles. Ich habe mir die alten Platten nochmal angehört, klingt erstaunlich schön!
Das neue "Empire" zeigt Chacon im Downbeat-Jazz, "Lay Low" auf einem klackernden Metronom-Beat und mit sphärischem Understatement versehen. Alles ist sehr harmonisch komponiert. Minimalistische Slow-Mo zum Innehalten und Meditieren offenbart sich in "Birds". "Let The Devil In" treibt sanft als Nu-Disco voran. "End Of The World" bietet eine stapfende funky Fusion aus 70er-Retro-Flair (Roy Ayers, George Benson) mit Broken Beats (der Sorte Nightmares On Wax) und Alternative-R'n'B (Marke Kaytranada).
Am interessantesten kommen das wabbelnd zittrige "If I Ever Let You Go" mit zerfetzten Tonspuren von Eddie und einer seltsamen Klangfärbung, als ob eine Magnetband-Kassette eiern würde. Und es gibt süße, witzige Reverbs. Seit dem Corona-Lockdown entstanden zwei Alben geübt, eines davon auf Ibiza. Eddie möchte, dass man ihm wieder zuhört, auch in Deutschland. Besser als auf "Lay Low" hätte er das nicht machen können.
1 Kommentar
Solange Knowles Producer Hand anlegt, ist ja alles gut.