laut.de-Kritik
Ein wahres Erlebnis für jeden Pop-Liebhaber.
Review von David HilzendegenNicht ihre Heimatstadt Kansas City und schon gar nicht New York gelten als die Städte, in denen Janelle Monáe ihre "Bewegung" startete, wie sie es nennt. Nein, auf Atlanta fällt ihre Wahl jenes mythischen Orts. Die Stadt, die Outkast beherbergt und in der sie Chuck Lightning und Nate Wonder traf.
Etwa vier Jahre sind vergangen, seit Monáe mit den genannten Persönlichkeiten bekannt wurde. Vier Jahre, in denen sie gemeinsam mit Lightning und Wonder die Wondaland Arts Society aufgebaut hat, die ihr als Studio und Label dient. Vier Jahre, in denen ihr Stern immer weiter aufging, in die eine Grammy-Nominierung für die EP "Metropolis Suite I of IV: The Chase" fiel und in denen sie einen Vertrag bei P.Diddys Bad Boy Records ergattern konnte - unter Zusicherung der vollen kreativen Kontrolle.
Puffy lobt sein Signing seither bei jeder Gelegenheit in den höchsten Tönen: Monáes Unterschrift sei eine der wichtigsten seiner Karriere gewesen. Trotzdem kommt "The ArchAndroid" mit geschlagenen zwei Monaten Verspätung über den Teich. In den USA wurde die Platte absurderweise bereits Ende Mai veröffentlicht.
Denn "The ArchAndroid" ist ein wahres Erlebnis für jeden Pop-Liebhaber, der etwas mehr Anspruch erwartet, als Mitsummmelodien und wackelnde Ärsche in Videoclips. Welches Genre Monáe nun genau bedient, ist schwer zu sagen. Zu weitreichend sind ihre Einflüsse, die sich von "Stankonia" über Stevie Wonder zu Ziggy Stardust hinziehen und unterwegs Andy Warhol und Salvador Dalí abholen.
Müßig zu diskutieren, ob der Name R'n'B diesem Facettenreichtum gerecht wird oder ob es sich eher um Neo-Soul oder gar Art Pop handelt. Es spielt auch überhaupt keine Rolle. Ob Monáe nun Klassik bedient, Hip Hop, Indiepop, Funk oder was auch immer: Grenzen verschwimmen, Schubladen werden eingemottet und Scheuklappen gehen in Rauch auf. Was bleibt, ist der Schall des zweiten und dritten Teils der Geschichte von Cindi Mayweather, der noch lange hallen wird.
Wir schreiben das Jahr 2719 in einem Ort names Metropolis. Mensch und Maschine leben nebeneinander, die Technik ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass Androiden menschliche Gefühle adaptieren können. Doch die Gesellschaft ist gespalten. Den Androiden ist es strengstens untersagt, Gefühle für Menschen zu entwickeln. Über die Einhaltung der Gesetze wacht die Geheimorganisation The Great Divide, die das Mittel der Zeitreise beherrscht, um Freiheit und Liebe nachhaltig zu unterdrücken.
Alle Hoffnungen liegen auf den Schultern eines speziellen Androiden. Der "ArchAndroid" soll eines Tages kommen und die Unterdrückung beenden. Cindi Mayweather ist dieser Android. Mitunter hergestellt aus Janelle Monáes DNA, deren Erbinformationen wiederum bei einem Überfall gestohlen wurden, bevor sie durch einen Zeittunnel zurück in unsere Zeit geschickt wurde. Fans von Fritz Langs Klassiker "Metropolis" erkennen Parallelen.
So weit, so abgefahren. Beim bloßen Hören wird dieser Hintergrund allerdings kaum klar. Die Texte befassen sich vielmehr mit der Ungerechtigkeit, der Einsamkeit sowie der Entfremdung einerseits und der tiefen Liebe, die Mayweather für einen Menschen namens Anthony Greendown andererseits empfindet.
Diesen Makel vergibt man der Vollblutkünstlerin allerdings gerne. Über eine Stunde legt sie sich ins Zeug und überzeugt mit einer Vielfältigkeit, die so manche Kollegin staunen lässt. Ob schreiend in "Come Alive (The War Of Roses)" oder wimmernd in "Sir Greendown", auf Outkast-Hip Hop getrimmt ("Tightrope ft. Big Boi") oder psychedelisch rockend mit Of Montreal, Monáe macht in jeder Situation eine gute Figur. Kaum vorstellbar, wie die Dame mit einer wirklich organischen Backing-Band wirken würde.
Drums aus dem Computer werden dieser Frau nämlich kaum gerecht. Mit erst 24 Lenzen bleibt jedoch noch genug Zeit, das nachzuholen. Vielleicht schon beim nächsten Teil der Geschichte. Schließlich endet "The Archandroid" nach dem dritten von insgesamt vier geplanten Teilen.
9 Kommentare
ein herrliches crossover durch alle richtungen!!
super produziert , nie langweilig.
es klingt lebendig und nach jedem hören entdeckt man neues.
ich finde es ist so ein wenig in richtung Nneka einzuordnen , nur das janelle Monae den crossover noch stärker bedient also sich auch im rock und im electronica austobt. zwischendurch mal ein schnippserl klassik oder ein wabbernder Soundteppich !
grossartig.
an dem Album werden viele ihre freude haben.
mitunter das album des monats ...........neben prince - 20ten )
hammeralbum.
schliesse mich placebo voll an. platte des monats mindestens. würde sogar sagen: popalbum des jahres. immer wieder was neues zu entdecken. super!
Diese Frau ist einfach ein Sinnbild für Pop ohne Anbiedern, aber mit jeder Menge Frische, Eigenheiten und Unbeschwertheit.
Großartig!
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Gutes Ding, echte Empfehlung!
Gestern live in Köln gesehen! Sensationell! Also, wer noch die Möglichkeit hat sie live zu erleben.... HIN!