laut.de-Kritik
Baby making-Musik klingt definitiv anders.
Review von Alexander EngelenIch glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass Neo-Soul tot ist. Dies mit dem bedauerlichen Ableben des Genre-Gründers zu erklären, maße ich mir dabei nicht einmal an. Ohnehin waren die Vertreter selbst ja stets die größten Gegner dieser Schubladen-Bezeichnung. Wie dem auch sei: Begraben wird Neo-Soul auch nach dem neuen Album von Jill Scott, einer der erfolgreichsten Genre-Vertreterinnen, bleiben.
Der dritte Teil ihrer "Words And Sounds"-Reihe, diesmal "The Real Thing", passt sich aber dennoch in das musikalische Bild der Trilogie ein. Der gemeinsame Nenner: gute Musik. Nicht mehr und nicht weniger.
Was das heißt, kann auf Produkten der letzten Jahre mit dem Prädikat Soul nachgehört werden, die nicht in die Unterkategorien Neo-Soul oder Kitsch R'n'B gefallen sind. Gut produziert ist das alles ohne Frage. Aber waren es vielleicht nicht gerade die Ecken und Kanten, die den vergangenen Soul-Sound von Stax oder Motown so erfolgreich machten?
Eigentlich startet das Projekt ja viel versprechend. Zumindest was die Aussicht auf Abwechslung angeht. Den Titeltrack "The Real Thing" unterlegt ein etwas lahmender E-Gitarren-Loop, den Jill Scott jedoch mit ihrer Interpretation immer wieder aus der Langeweile herausholt. Für "Hate On Me" schaltet die Grande Dame noch mal einen Gang hoch und wird auf fast beklemmenden Bläsern doch tatsächlich ein wenig laut. Schön, wenn ihr tatsächlich mal ein treibender Beat Feuer gibt. Mit genau dieser Power stellt sie seit einigen Jahren immer mal wieder live mit The Roots ihr Können unter Beweis.
Auf Albumlänge gelingt ihr das jedoch nicht. Wahrscheinlich will sie das auch gar nicht. Track 4 bis 14 schunkelt sich so gefühlvoll wie unspektakulär durch den Mittelklasse-Soul. Jill Scott verfällt dabei zwar nicht in die Softporno-Soundtrack-Tauglichkeit, Baby making-Musik klingt aber definitiv anders. Wenn eine Dame wie Jill Scott nämlich minutenlang über die Smooth Jazz-Spur leiert, hört sich das zwar echt schön an, aber ein Sample-Stakkato à la Ameries "One Thing" oder der Bläser-Wahnsinn einer Beyoncé könnte der recht eintönigen Vorstellung mal ordentlich in den Hintern treten. Abwechslung ist nun mal auch im Soul die Königin.
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