laut.de-Kritik
Intelligenter Outsider-Pop aus dem Herzen Londons.
Review von Toni HennigDer 21-jährige Alex Crossan alias Mura Masa gilt als aufstrebender Produzent des Pop. Schon die BBC prognostizierte dem Briten Anfang 2016 eine große Karriere. Mit "Love$ick" (feat. A$ap Rocky) gelang dem auf der Kanalinsel Guernsey aufgewachsenen Autodidakten der internationale Durchbruch. Er beteiligte sich als Co-Writer an dem Song "First Things First" von Stormzy, dessen Platte "Gang Signs & Prayer" vor einem halben Jahr an die Pole Position der britischen Charts schoss.
Auf "Mura Masa" versammelt er nicht nur viele Gäste, sondern treibt seinem eigenwilligen Stilmix aus Dubstep, R'n'B, Hip Hop, Trap, Funk und House weiter auf die Spitze. "Messy Love" stellt sich zu Beginn mit seinen wummernden Bässen, den House-Einsprengseln und dem Autotune-Gesang von Alex Crossan als eine äußerst tanzbare und prägnante Pop-Nummer heraus. Danach versprüht "Nuggets" mit den coolen Raps von Bonzai, mit der Mura Masa schon auf früheren Tracks zusammengearbeitet hat, eine ausgelassene Grundstimmung. Daran ändert auch der fröhliche Sommerhit "Love$ick" mit überschwänglichem Marimbaeinsatz nichts.
Obwohl es das 21-jährige Multitalent, das die meisten Instrumente im Alleingang einspielt, erst vor Kurzem mit seiner Freundin nach London verschlagen hat, nimmt man das urbane Flair dieser Metropole so gut wie durchgängig auf dieser Scheibe wahr. Als Außenseiter saugt Crossan die multikulturellen Einflüsse dieser Stadt auf, integriert sie elegant in sein Soundbild und erschafft damit etwas Frisches und Originelles.
Feldaufnahmen von belebten Einkaufspassagen und lautem Straßenverkehr und die häufige Verwendung exotischer Instrumente wie Steeldrums und Kotos durchziehen fast alle Songs auf dieser Platte. Die Herangehensweise erinnert an die Gorillaz, seine großen Vorbilder. Musikalisch knüpft Mura Masa jedoch an zeitgenössischere Sachen wie Jessie Ware und Disclosure an.
"1 Night" mit Charli XCX markiert das vorläufige Highlight in der ersten Hälfte. Der Track changiert zwischen deepen House-Tunes à la Four Tet und einer leichtfüßigen Bubblegum-Hook der britischen Senkrechtstarterin, die aber gerade, weil sie viel Lebensfreude vermittelt, keineswegs stört.
Demgegenüber erweist sich der übersteuerte und dadurch zu penetrant geratene Autotune-Einsatz von Desiigner in "All Around The World" als unnötig. "Give Me The Ground" mit schläfrigen Akustikgitarrenklängen greift den Großstadt-Folk von Bon Iver auf, stellt jedoch nicht mehr als eine Fingerübung dar. Mit den anschließenden Nummern findet Mura Masa dagegen wieder in die richtige Spur.
Das 2015 auf der EP "Someday Somewhere" erstmalig veröffentlichte "Firefly" überzeugt wegen der hochgepitchten und daher individuellen Stimmfärbung von Nao auf ganzer Länge. Der angenehmen fernöstlichen Atmosphäre dieses Stückes kann man sich außerdem schwer entziehen. "Helpline" mit Tom Tripp glänzt durch eine funkige Bassline und dringt in groovigere Gefilde vor. Bei der stark an die 80er-Jahre angelehnten Ästhetik dieses Tracks denkt man unweigerlich an Prince, was für die enorme Stilsicherheit des 21-jährigen spricht.
"Second 2 None" dürfte mit Drum'n'Bass-Einschüben und krautigen Flötenklängen der sicherlich ungewöhnlichste Song auf diesem Album sein. Gerade der melancholische Gesang von Héloïse Letissier, besser bekannt unter dem Pseudonym Christine And The Queens fungiert auf dieser Nummer wunderbar als Kontrast. "Who Is It Gonna B" führt mit tropischen Sounds in die Regenwälder Lateinamerikas und dreht dazu die Bässe in bester Dubstep-Manier auf. Gerade durch diese Wildheit und Verspieltheit besitzen die Tracks von Mura Masa eine unnachahmlich-eigene Signatur.
Der herausragendste Song beendet die Platte. "Blu" veredelt Crossans Mentor Damon Albarn mit seinem ruhigen und warmen Gesang. Das Stück hätte in seiner Zurückgelehntheit auf seinem Soloalbum "Everyday Robots" (2014) keine schlechte Figur abgegeben und zeigt den Blur-Sänger motivierter als zuletzt mit den Gorillaz. Die Tracks, die Mura Masa zuvor für die Multimedia-Band produziert hatte, sollten es nicht mehr auf auf ihre aktuelle Scheibe "Humanz" schaffen. Die asiatischen Klänge des jungen Wahllondoners und die Sentimentalität des 49-jährigen stehen sich hier keinesfalls im Weg, sondern verschmelzen zu einer umwerfenden Midtempo-Ballade.
Alex Crossan vereint also auf "Mura Masa" mit Leichtigkeit die unterschiedlichsten Genres zu einem schlüssigen Gesamtbild, ohne die Eingängigkeit seiner Songs ansatzweise aus den Augen zu verlieren. Im Großen und Ganzen eine unterhaltsame Platte, die gegenüber früheren elektronischen Debütalben aus UK wie Jessie Wares "Devotion" (2012) und Disclosures "Settle" (2013) von der songwriterischen Brillanz her gesehen dennoch den Kürzeren zieht. Trotzdem untermauert der 21-Jährige souverän, dass er aktuell zu den gefragtesten Producern in Großbritannien zählt.
1 Kommentar
Gutes Sommer Album. Da können Khaled und Harris sich mal ne Scheibe von abschneiden.