Wer A sagt, muss nach wie vor auch B sagen. Nach euren Hass-Platten präsentieren wir deshalb eure 25 Lieblings-Alben des Jahres.

Konstanz (laut) - Nachdem wir letzte Woche aus euren Abstimmungen in den CD-Reviews die schlechtesten Alben des Jahres 2010 destillierten, wollen wir nun mit der gleichen Methode eure Album-Lieblinge ermitteln und das vergangene Jahr anschließend in Frieden ruhen lassen.

Da Abstimmungen offenbar zu den größten Hobbys von Hip Hop-Fans gehören, wie wir ehedem schon bei Massivs Überfallkommando-Voting-Guerilla erfahren mussten, rangieren überproportional viele Sprechgesangs-Alben in der Bestenliste. Da kann die Gitarrenfraktion nur neidisch staunen. Nun, das wird euch vielleicht eine Lehre sein.

Nächstes Jahr seid ihr dran, die Stimmen zählen wir jetzt schon. Unser Praktikant sitzt bereits seit dem 1. Januar 2011 mit einem Zähler am Kabel und misst die eintrudelnden Votings. Aber ernsthaft: Im Folgenden küren wir eure Top 25-Alben des Jahres 2010.

Platz 25

Plan B - "The Defamation Of Strickland Banks"

Vom bösen Rap-Buben zu Everybody's Soul-Darling: offenbar nur ein winziger Schritt. Plan B hat ihn gewagt und der Welt ein wundervoll unterhaltsames Konzeptalbum beschert, das seine stimmlichen Fähigkeiten zu voller Blüte bringt. Auf diesen Lorbeeren will sich der Brite allerdings nicht ausruhen - das wars jetzt, mit dem Soul. Was kommt als nächstes? Reggae? So lange die Qualität von "Strickland Banks" gewahrt bleibt: Nur zu!

Platz 24

Robyn - "Body Talk"

Mit Dancehall bis zum Elektropop-Brett, mit Melodie bis Aggression machte Robyn 2010 mit gleich drei Mini-Alben ("Body Talk I bis III") die Anhänger glücklich - da sind Tränen der Dankbarkeit vor der Bühne nun sozusagen Pflicht. Gar die neue Madonna will man im "Body Talk"-Finale gesehen haben. Selten zuvor kommandierte jemand die verschiedensten Genre des Pop so leichtfüßig und trotzdem so dominant. Vor der Schwedin werfen sich ab jetzt wirklich alle in den Staub.

Platz 23

Wir Sind Helden - "Bring Mich Nach Hause"

"Meine Freundin War Im Koma Und Alles, Was Sie Mir Mitgebracht Hat, War Dieses Lausige T-Shirt". Schon der Titel dieses schönen Albumtracks strafte all die Kritiker Lügen, die Wir Sind Helden nach langer Baby- und Kreativpause künstlerische Stagnation andichteten. Stattdessen legten Holofernes und Co. ganz unprätentiös dar, warum sie zu den klügsten deutschsprachigen Bands der Jetztzeit gehören. Und spätestens mit der jüngst erschienenen Retrospektive "Tausend Wirre Worte" ist ihr eigenes Denkmal gebaut.

Platz 22

Sido – "MTV Unplugged Live aus'm MV"

Jawollja, Sido ist im Mainstream angekommen und darf sich in die Reihe derer einreihen, die sich von MTV den Strom abdrehen ließen. Dass deutscher Hip Hop entstöpselt funktioniert, wissen wir bereits, seit die Fantastischen Vier zum Höhlenkonzert luden. Sido dagegen bleibt seinem Viertel, dem Märkischen nämlich, troy und empfängt seine zahlreichen Gäste in stilechter Plattenbau-Romantik. Amen, Alter!

Platz 21

Aloe Blacc – "Good Things"

An zahlreichen Stellen priesen wir sie schon, Mr. Aloe Blacc, seinen Hit "I Need A Dollar" und das zugehörige Album in voller Länge. Offenbar teilen wir unsere Begeisterung ausnahmsweise mit unserer Leserschaft: Auch bei Euch kommen zartschmelzender Gesang und knackige Inhalte offenbar bestens weg. Recht so!

Platz 20

MGMT – "Congratulations"

Nach einem Überkracher wie "Oracular Spectacular" kann man schon mal unter dem Druck des Nachfolge-Albums zusammenbrechen. Nicht so aber Ben Goldwasser und Andrew Van Wyngarden, die mit ihrem Zweitling sich in die direkt entgegengesetzte Richtung ihres Debüterfolges begaben. Statt in die glitzernde Achtziger-Synthie-Disco setzen sich die New Yorker nun in die farbenfrohe Blumenwiese des Psychadelic-Pop, was noch mehr nach LSD klingt, als bisher. Viele wurden durch die Zugangshürden abgeschreckt, wer sich aber darauf einließ, hatte seinen Spaß.

Platz 19

Massive Attack – "Heligoland"

Man möchte meinen, dass Massive Attack längst zum reinen Anachronismus geworden sind. Dürften sie sogar: Wer in den Neunzigern ein ganzes Genre mitdefinierte, kann sich 2010 guten Gewissens zurücklehnen. Der Zahn der Zeit hinterlässt gleichwohl seine Spuren: Die Konzerthallen sind mittlerweile etwas kleiner. Umso schöner, mitzukriegen, dass sich 3D und Daddy G. fit halten. "Heligoland" zeigt ihren ureigenen Style entschlackt und mit klarer Kante. The story continues also. Und Tricky soll auch bald wieder an Bord sein.

Platz 18

Marina And The Diamonds – "The Family Jewels"

Die Waliserin mit griechischen Wurzeln wirbelte mit ihrem Debüt die britische Popszene mal so nebenbei komplett durcheinander. So stopft sie Glitzerpop, Klavierballaden und Discobeats unter einen Hut und will dabei überhaupt nicht in die Viel-Haut-Zeigen-Schublade ihrer Popkolleginnen passen. Dazu ist sie wesentlich lauter als Feist oder Regina Spektor, jünger als Kate Bush und freundlicher als Lady Gaga.

Platz 17

Kool Savas - "John Bello Story 3"

Wenn König Savas zur Session ruft, kommen sie alle, von Azad über Banjo bis Curse und weiter. Ein Bello kommt eben selten allein. Der Abschluss der Savas'schen Mixtape-Trilogie attestiert allen Beteiligten Selbstbewusstsein, künstlerische Freiheit und die Fähigkeit zur inspirierten Zusammenarbeit – im Deutschrap leider immer noch die Ausnahme.

Platz 16

Korn - "Korn III - Remember Who You Are"

Es sollte (wieder einmal) "back to the roots" gehen, ließ Korn-Fronter Jonathan Davies im Vorfeld mit stolzgeschwellter Brust verlauten. Und tatsächlich drückten sich die Urväter der Nu Metal-Suppe in den letzten Jahren selten so direkt und fett durch die Boxen, wie auf Korn III - Remember Who You Are. Fieldys Bass verursacht zwar keine Herzrhythmusstörungen mehr, zusammen mit Munky und Schlagzeuger Ray Luzier schieben sie aber Herrn Davies ordentliche Kopfnicker unter den Arsch.

Platz 15

Iron Maiden - The Final Frontier"

Neue Alben von Iron Maiden sind eigentlich komplette Selbstläufer. Mit einer solch treuen Fanschar läuft bei keiner Platte erfolgstechnisch gesehen etwas schief. Schlau genug, die Finger von Jazz-Experimenten zu lassen, sind Steve Harris und Co. ja schon lange. Auf "Final Frontier" geht's im klassischen Maiden-Stil auf langen mystischen Geisterbahnen an die letzten Grenzen des 80er-Metals, den die singende Sirene Bruce Dickinson immer noch 1A rausschmettert, sofern er nicht gerade im Cockpit sitzt und um die Welt fliegt.

Platz 14

Volbeat – "Beyond Hell/Above Heaven"

Wenn man umjubelte Touren im Vorprogramm von Metallica und AC/DC spielt, ist der Schritt auf den Rock-Olymp nicht mehr fern. Mit "Beyond Hell/Above Heaven" spielen die Dänen ihre Trümpfe aus, und verstecken ihre Einflüsse nicht lange in dunklen Kisten. Der Rockabilly-Anteil ist groovender ("16 Dollars"), der Metal-Anteil böser ("Evelyn") und der Melodie-Anteil ergreifender ("Fallen").

Platz 13

Method Man, Ghostface Killah & Raekwon - "Wu Massacre"

Meth + Ghost + Rae = "Wu Massacre". So einfach können Gleichungen lauten, sperrt man die Lieblings-MCs vom Lieblings-Clan zusammen. Verbale Rundumschläge, in aller Kürze skizzierte, dennoch filmreife Geschichten, Deine-Mutter-Witzeleien und gute Ratschlägen des Kalibers: Um die Miete zu bezahlen, "fuck your landlord!" - all das addiert sich zu einem genickzermalmenden Gemetzel ohne jeden Firlefanz, dem sich allerhöchstens seine Kürze vorwerfen lässt.

Platz 12

Nas & Damian Marley - "Distant Relatives"

Dass Hip Hop und Reggae einander seit jeher geschwisterlich verbunden sind, weiß jeder, der die musikalischen Scheuklappen auch nur einen Augenblick ablegt. Die Roots reichen nach Afrika. Wenn sich Legenden beider Genres auf diese gemeinsamen Wurzeln besinnen, kann eigentlich nur Spannendes entstehen. Auf "Distant Relatives" steht einmal nicht der Beat, sondern die Botschaft im zentrum: Weltmusik im besten Wortsinne.

Platz 11

Foals - "Total Life Forever"

"Leave the horror here / forget the horror here", bot uns Foals-Sänger Yannis Philippakis gleich im ersten Album-Vorboten an. Einmal drauf eingegangen, ward unser und euer Herz sofort an die Soundwelten von "Total Life Forever" verloren. Die arge Hektik wich auf diesem Album dem Songwriting, auf dem Kaleidoskop der Töne glitzern sowohl horizontbreite Saitenklänge als auch perfekt ineinander verwobene Grooves. Manche Hypes gehen eben doch klar.

Platz 10

JAW - "Täter-Opfer-Ausgleich"

"Ich hab zu lange in meinem Seelenhaus nicht den Flur gewischt. Hab lange gebraucht, bis ich verstanden habe, dass die meisten meiner Symptome durch die Fehler anderer kamen." Täter oder Opfer? Ausgleich? Die Antwort bleibt offen. Man möchte es eigentlich nicht aussprechen, aber JAW geht mit seiner energetischen Selbstzerstörung, seinen dezidierten Mord-Fantasien und negativ reflektierter Auseinandersetzung mit seiner ganz persönlichen beschissenen Welt tatsächlich als der deutsche Eminem durch.

Platz 09

Maeckes - "KIDS"

Sein "erstes und zugleich letztes großes kritisches Werk" sollte es werden. Ohne Dauerpartner Plan B an seiner Seite entführt Maeckes in ein freudloses Anti-Wunderland des endlosen Grauens. Leichte Unterhaltung wird unterm Graustufenregenbogen nicht geboten, wohl aber fesselnde und berührende Erzählkunst. "Architektur ist gefrorene Musik. Also tauen wir die Musik auf und kauern uns darin vor den Kamin."

Platz 08

The National - "High Violet"


"I was carried / To Ohio in a swarm of bees": Nicht die einzige Zeile von Sänger Matt Berninger, bei der man sich fragte, wes Geistes Kind dieser Mann wohl ist. Eine absonderlich-prickelnde Poesie wuchert auf "High Violet", die in detailverliebte wie düstere Klangornamente gekleidet ist. Bislang sowohl in der Heimat USA als auch in Europa sowas wie der ewig unbekannte Indie-Geheimtipp, änderte "High Violet" diesen Status dramatisch. "So schön kann Melancholie klingen", erkannte sogar Bild Online. Dann wissen es jetzt ja alle.

Platz 07

Marteria - "Zum Glück In Die Zukunft"

Er ist - auch ohne sein durchgeknalltes Alter Ego Marsimoto - so schön verstrahlt ... und endlich bekamen es auch Hörerschaften abseits des vielschichtigen Hip Hop-Untergrunds mit: Marteria ist zum König geboren, der Endboss darf sich warm anziehen. Für den richtigen Vibe zu Wortspielereien, Doppeldeutigkeiten und Geschichten sorgen Fachleute: "Krauts? Bassline!"

Platz 06

Deftones - "Diamond Eyes"

Wenn ein Mitglied von einem schweren Autounfall aus den eigenen Reihen gerissen wird, kann es für das weitere persönliche und kreative Weiterleben einer Band verheerende Folgen haben. Nicht so bei den Deftones, die mit Quicksand-Basser Sergio Vega kurzerhand "Diamond Eyes" raushauten, ihr vielleicht überzeugendste Werk seit "White Pony". Bis zur Genesung von Chi Cheng hält dieses Album sicher auch den Glauben der Band aufrecht.

Platz 05

Arcade Fire - "The Suburbs"

Win Butler und Kollegen lassen wie schon bei den Vorgängeralben die Kauleisten der Hörerschaft mit einer unglaublich runden und geschlossenen Scheibe gen Boden klappen. Die Ernüchterung über die schwindende Heimat, gegossen in einen leicht vom Bombast befreiten Sound, steckt voller Details und beherzter Anklage, straft dabei mit seiner musikalischen Vielseitigkeit jeden Schubladendenker ab. "The Suburbs" ist der Schritt in den Mainstream, ohne sich diesem auch nur einen Millimeter anzubiedern.

Platz 04

Eminem - "Recovery"

"I don't need the fuckin' swine flu to be a sick pig." Wenn Mr. Marshall Mathers mit seinem 2010er Album eins unter Beweis gestellt hat, dann das. Sein Silben-Schnellfeuer und seine vertrackten Reime lassen immer noch einen Großteil der Kollegenschaft steinalt aussehen. Zugegeben: Man hatte sich zwischendurch schon Sorgen um Detroits Rap-Export Nummer 1 gemacht. Nach "Recovery" ist das wirklich nicht mehr nötig.

Platz 03

Dendemann - "Vom Vintage Verweht"

Im Geister-Scheiden ist er ganz groß, der Dende. Man kann die blechernen Rock-Beats auf "Vom Vintage Verweht" hassen. Man muss seinen schauderhaften neuen Proll-Look hassen. Und doch: Vor Titeln wie "Metapher Than Leather" muss man das Knie beugen - wenn man nicht ohnehin schon vor seinem Geschichtenerzähl-Talent im Staub liegt. Zweifellos Deutschlands derbster Reimer, jetzt und immerdar.

Platz 02

Kanye West - "My Beautiful Dark Twisted Fantasy"

Immer wieder schön, wenn selbst erklärte Kostverächter aus dem Indie-Lager angewatschelt kommen und finden: "Du, die neue Kanye ist aber schon ziemlich gut, oder?" Nein, da kommt kein Einspruch aus der Kopfnicker-Ecke. Das hier ist ziemlich gut. Zudem noch protzig, aggressiv, zuckersüß und pathetisch - wie Hip Hop eben ist.

Platz 01

Gorillaz - "Plastic Beach"

Damon Albarn und seine Affenbande lieferten im Jahr 2010 ein Dokument modernster und prophetischer Popmusik ab. Die Gorillaz wurden dreidimensional, rekrutierten Bruce Willis fürs Video und Ex-The Clash-Querulanten Mick Jones und Paul Simonon für ein Album, das wie schon die Vorgänger an hochkarätigen Gästen nicht sparte. Snoop Dogg, Bobby Womack, Mos Def, Lou Reed und, und, und - wenn Damon Albarn ruft, dann kommen alle. Die laut.de-Leser folgten ebenfalls dem Ruf des Oberaffen, dessen musikalischer Ideenreichtum und Genialität wahrlich keine Grenzen kennt.

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