laut.de-Kritik
Auch ohne The Cure ein solides Coveralbum.
Review von Josef GasteigerDer Achtungserfolg der bezaubernden Stimme von Sarah Joyce alias Rumer im Vorjahr stellte den ganzen übertriebenen Popzirkus vor einen fast schon vergessenen Fokus auf das Handwerk des klassischen Songwritings. Nachdem sie mit "Seasons Of My Soul" ein Debütalbum ablieferte, das in Sound und Atmosphäre direkt aus den von ihr so geliebten 70er-Jahren stammen könnte, so geht sie auf Album Nummer zwei direkt an die Quelle.
Zwölf Songs von zwölf Singer/Songwritern interpretiert Rumer hier neu, auf der vorliegenden Special Edition gesellen sich noch vier weitere Nummern hinzu. Teilweise längst vergessene Obskuritäten erweckt die Sängerin zum Leben, alle von männlichen Künstlern aus deren Schaffensperiode der 70er.
Es mutete etwas eigenartig an, schon nach dem Debüt mit einem Cover-Album zu reüssieren, ist es doch eigentlich ein Schritt, den man sonst erst bei fortgeschrittenen Karrieren beobachtet. Doch da einem Rumers Sound generell diese Epoche ins Gedächtnis ruft und ihre samtweiche Stimme Assoziationen mit Karen Carpenter, Dusty Springfield und vielen anderen Chanteusen des Easy Listening-Pops weckt, klingt "Boys Don't Cry" wie ein legitimer Nachfolger des eigenen Werkes.
Die Originale stammen von Künstlern wie Todd Rundgren, Isaac Hayes, Townes Van Zandt oder Clifford T. Ward. Auch Hall & Oates standen für einen Song Pate, für die Special Edition versuchte sich Rumer dann auch an den ungleich bekannteren Bob Marley, Leon Russell und Neil Young.
Den Grundstock bilden aber Sänger, die heute nicht mehr wirklich im Gespräch sind, deren Songs und Songwriting-Kunst die in Pakistan geborene Engländerin aber in ihrer frühen Musikerziehung tief geprägt haben. Die Gefahr, sich an großen Klassikern zu vergehen, umschifft Rumer mit der Songauswahl auf "Boys Don't Cry" so perfekt.
Die angeborene Traurigkeit in ihrer Stimmfarbe passt zum Grundtenor der Popsongs, die sich alle mehr oder weniger um die Liebe und gebrochene Herzen drehen und so manche Träne vergießen. Reduziert und nur selten in vollem Pop-Plüsch gestalten sich die Arrangements unaufgeregt und lassen der Sängerin viel Platz.
Vor allem die Titel, in denen nur ein Piano ("Same Old Tears On A New Background") oder eine verträumte Gitarre ("Home Thoughts From Abroad") Rumers Stimme einrahmen, stechen heraus. Besonders letzteres ist an nuancierter emotionaler Darbietung kaum zu überbieten. Mit der Tür ins Haus fallen die Lieder der traurigen Jungs nicht. Rumer verlangt schon etwas Aufmerksamkeit, um in den Genuss aller leisen Momente zu kommen.
Etwas mehr Schwung und Gefälligkeit liefert der Hall & Oates-Song "Sara Smile", dessen mehrstimmiger Chorus in seiner treibenden Melancholie ungemein überzeugend wirkt. Als weiteres Highlight darf auch der gospelartige Blues von Isaac Hayes' "Soulsville" gelten, obwohl auf den ersten Blick die Zeile "black man, born free, at least that's the way, it's supposed to be" kaum den Gedanken zulässt, dass Rumer diese Nummer authentisch rüberbringen kann. Ohne groß die Stimmbänder schmettern zu lassen, erfasst sie in ihrer Darbietung jedoch punktgenau den Spirit des Songs.
Dass sich Rumer in fremde Kompositionen perfekt einfühlen kann, gehört zu den großen Stärken des Albums. Ungemein hilfreich ist da natürlich die Songauswahl, die Rumer mit den fast vergessenen Stücken direkt in die Hände spielt. Im Gegensatz dazu sind die Versionen von Bob Marleys "Soul Rebel" oder Neil Youngs "A Man Needs A Maid" zwar alles andere als schlecht, die Originale aber zu präsent, um einen ähnlich nahegehenden Effekt zu erzielen wie der Rest des Albums.
Schlussendlich funktioniert "Boys Don't Cry" (wer übrigens wegen dem Titel mit einem The Cure-Cover rechnet, wird herbe enttäuscht) als solides Zweitwerk wie auch schon "Seasons Of My Soul" am besten in ruhigen Momenten, in denen man genug Zeit hat, sich auf Rumers bezaubernde Stimme einzulassen.
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