laut.de-Kritik

Ex-Slow Club: Artpop mit viel Charisma.

Review von

Self Esteem ist ein toller Name für einen Act. Dass seit dem gleichnamigen Hit über die Selbstachtung, den The Offspring vor 30 Jahren landeten, niemand vorher auf die Idee kam, überrascht eigentlich. Die 38-jährige Rebecca Lucy Taylor verpasste sich diesen Namen vor ein paar Jahren, als Mental Health-Themen noch nicht ganz oben auf der Agenda standen, und erscheint seitdem als 'unechte' Newcomerin.

Bevor wir uns ihrer Vorgeschichte zuwenden, Entwarnung: "A Complicated Woman" steuert als unkomplizierter, durchaus alternativer Pop ins Ohr und bleibt mit hymnischen und einprägsamen Melodien haften.

Frau Self Esteem trägt diese in angenehmer Stimmlage vor. Dazu bounzen Electrobeats. In "What Now" überrascht sie auch noch mit einer zweiminütigen wundervollen A capella-Strecke. Ins üppigere "Lies" über Autosuggestion und Selbstbetrug mischt sie clevere Vocal-Effekte, auch gedoppelte, hinein. Sich selbst zu belügen kristallisiert sich als ein Hauptthema der Platte heraus. Im letzten Track "The Deep Blue Okay" resümiert die Sängerin: "I've spent my whole life lying about the things I want and the things I should have done."

Grob gesagt, können sich die Zielgruppen von Marina Diamandis, Florence And The Machine, FKA Twigs, Lana Lubany, Bat For Lashes und auch von Emeli Sandé, LoneLady und Miley Cyrus angesprochen fühlen. "A Complicated Woman" strahlt jedenfalls enormes Charisma aus. Das kann an der dahinter steckenden Haltung liegen, die sich u.a. in Zeilen wie "at the top is where the next hill starts" ausdrückt. Self Esteem hat das gewisse Etwas.

Die Künstlerin sammelte Erfahrung im Musikbiz schon vor geraumer Zeit, zum Beispiel im Duo Slow Club. Dieser Retroact erregte einst Aufmerksamkeit als Toursupport für Mumford And Sons und KT Tunstall. In England ist die Artpop-Songwriterin schon vor Jahren beim Glastonbury-Festival aufgetreten. Der Dokumentarfilmer Piers Dennis sagte einmal dem Guardian: "Rebecca ist introvertiert darin, wie sie fühlt, aber in der Art, wie sie das ausdrückt, wiederum extrovertiert." Rebecca strebte gleichwohl nach neuen Möglichkeiten, nachdem sie und ihr Slow Clubf-Partner voneinander zunehmend gelangweilt waren.

Hört man dynamische Stücke wie "If Not Now, It's Soon", hat sich die Neuausrichtung fraglos gelohnt. Als Highlight zeichnet sich das ruhig pulsierende und lebendig vorgetragene Sprach-Feuerwerk "In Plain Sight ft. Moonchild Sanelly" aus, in dem Sheffield und Johannesburg aufeinander treffen. In diesem Keyboard-Artpop-Edelstein gehen Cello und House-Beats eine liebenswerte Fusion ein.

Moonchilds Producer Johan Hugo, ehemals The Very Best, tritt auf der LP in etlichen Rollen in Erscheinung, als Co-Songwriter, Tontechniker, Musiker und Producer. Auch Seye Adelekan, Live-Bassist der Gorillaz, und Nadine Shah als Gaststimme wirken mit. Insgesamt sind sage und schreibe 58 Personen gelistet, die ein Instrument spielen oder im Chor mitsingen. Die Arrangements geraten so wiederholt zum undurchdringbaren Dickicht.

Manchmal melodramatisch ("What Now", "Cheers To Me") und pathetisch ("The Curse", "I Do And I Don't Care"), manchmal augenzwinkernd ("Lies ft. Nadine Shah", "The Deep Blue Okay"), oft quirlig ("69", "Mother"), aber von einer tiefen Ruhe getragen, legt die Engländerin ein vielschichtiges Werk vor, das sich unorthodox an Stilmitteln des Synthpop, Symphonic Pop, Alternative, Neo-Soul, Spoken Word, Techhouse, Dancefloor bedient und sich in der Musikgeschichte an Ausdruckstechniken von Annie Lennox, Sparks und Lady Gaga anlehnt. Die Stärken zeigen sich deutlicher in den getragenen, reflektierten, anmutig erhabenen Tracks. Man lasse insbesondere die stimmungsvolle Ballade "Logic, Bitch! ft. Sue Williams" und das mitsingbare "Focus Is Power" auf sich wirken.

Trackliste

  1. 1. I Do And I Don't Care
  2. 2. Focus Is Power
  3. 3. Mother
  4. 4. The Curse
  5. 5. Logic, Bitch! ft. Sue Williams
  6. 6. Cheers To Me
  7. 7. If Not Now, It's Soon
  8. 8. In Plain Sight ft. Moonchild Sanelly
  9. 9. Lies ft. Nadine Shah
  10. 10. 69
  11. 11. What Now
  12. 12. The Deep Blue Okay

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