laut.de-Kritik
Mehr Atmosphäre und Tiefenschärfe als Bombast.
Review von Yan TemminghoffThe Ocean verbinden auf "Holocene" Atmosphäre, klangliche Tiefe und Härte auf beeindruckende Weise. Dabei stehen Soundscapes und Synths gleichberechtigt neben majestätischen Riffs und bringen den konzeptuellen Hintergrund des neusten Zeitalter der Erdgeschichte in Tracks wie dem getragenen "Subatlantic" oder dem trippigen "Preboreal" zum Leuchten.
Die Live-Erfahrung "Phanerozoic Live" im Zuge der Aufführung des Doppelschlag "Phanerozoic I: Palaeozoic" und "Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic" bedingt eine latente Abkehr vom Post Metal-Bombast hin zu mehr Atmosphäre. Immerhin steht mit Peter Voigtmann ein Picasso hinter den Tasten und kein Synthie-Sünder.
Dessen Vorlagen spinnt Robin Staps weiter, mal mit dickeren Arrangements mal in reduzierter Form. Immer schimmert aber das Grundgefühl des prägenden Parts durch, und dieses ist durchgehend Ambient-lastig. An einigen Stellen greifen The Ocean auf Trip Hop-Elemente zurück, wie sie Massive Attack auf "Mezzanine" zur Meisterschaft gebracht haben, etwa im abschließenden "Subatlantic".
Mit Blick auf das biologische Storytelling ist man zumindest nach Erzeitalter-Maßstäben in der Gegenwart angekommen und vertont die großen Linien des Holozäns, das nach der letzten Eiszeit angesiedelt ist und immerhin seit 12.000 Jahre währt. Dagegen muten die 250 Jahre, die der Mensch seit der Industrialisierung gebraucht hat, um das Klima runterzurocken wie ein kurzes Tänzchen - auf dem Vulkan, wohlgemerkt. Ein Schwenk zu aktuellen Themen die Gattung Mensch betreffend sieht die Band ebenfalls vor, ähnlich der Verknüpfung von Mensch, Natur und Tierwelt wie es Long Distance Calling ("Eraser") und Haken ("Fauna") umgesetzt haben.
In "Parabiosis" braten The Ocean Billie Eilishs "Bad Guy" in der Pfanne und schwingen sich wohl genährt durch klaustrophobische Strophen in Riff-durchwirkte Metal-Höhen auf. "Unconformities" mit der vielseitigen wie fantastischen Karin Park entfesselt eine maliziöse Kraft, vergleichbar mit den von Belinda Kordic intonierten Crippled Black Phoenix-Werken. Auch Stammsänger Loïc Rossetti überzeugt in puncto Präsenz und Charisma. Sein Timbre ist mittlerweile wesentlich ausdrucksstärker geworden, gerade in den melodischen Passagen, ohne dabei die Sludge-Wurzeln zu verraten.
Weniger Breitwand als auf den beiden Vorgängern und mehr Tiefenschärfe wie auf der Untersee-Abenteuerreise "Pelagial" tun The Ocean gut. Mit "Holocene" gelingt der internationalen Postmetal-Community ein beeindruckendes Stück Kultur, dass der Mensch neben Essen, Schlafen und Kuscheln dringend benötigt.
4 Kommentare mit 5 Antworten
Sehr gutes Album. Was ich aber komisch finde, auf Vinyl fehlt ‚Uncomfomities‘. Das überrascht etwas.
Dafür dann 1 Stern Abzug.
What? Das kann doch nicht Absicht sein. Ich verfolge die Band auf diversen Plattformen und davon hätte Ich gelesen. Von einer fehlerhaften Pressung auch.
Wäre aber beileibe nicht das erste Mal in jüngerer Vergangenheit, dass eine Band von sich aus 1-2 Tracks beim Vinyl-Release auslässt, um bspw. eine ansonsten notwendig werdende weitere Schallplatte einzusparen. Die aktuelle Situation an vielen Presswerken mit langen Wartezeiten und hohen Mehrkosten bei Doppel- oder Dreifach-Vinyl für ein Album lässt viele Veröffentlichungswillige in den sauren Apfel beißen.
Das fehlende Lied ist schon ein gutes.
Hätte ich gerne auf Vinyl genossen.
Die Scheibe hat eine Spielzeit von unter. 60 Minuten, sind sogar „nur“52. Dafür hätte es kein Doppel Vinyl benötigt.
Bei Fishmop seinerzeit erhielt der geneigte CD Hörer den Hinweis, das ausgeblendete Lied auf Vinyl nun zu ende hören zu können.
Lang is her.
Ich fand ja schon Vinyl-Bonustracks z.B. bei Ahab daneben, weil Ich, Satan sei Dank, nie damit angefangen habe Vinyls zu sammeln (Ich wäre jetzt arm), aber das geht gar nicht.
Naja, man kann die Songs ja auch digital bestellen, die Umwelt schonen und alle Songs am Stück genießen, ohne Schallplatten zu wenden ;-P
Banause!
Das scheint allerdings eine Fehlpressung zu sein.
https://www.dodobeach.de/11602597,0,lp,-,o…
Ich fürchte eher, dass die Angaben auf Dodo Beach nicht stimmen. Ich habe bisschen die Kommentare auf Instagram studiert, und der fehlende Track ist auch da ein Thema. Es sei wohl so gewesen, dass bei der Ankündigung der diversen Vinyl-Editionen der Track "Unconformities" ein Bonus auf einer Extra-10"-Platte sei, die aber nur den teureren Boxsets beiliegt.