laut.de-Kritik
Bleib fröhlich und entspannt - trotz troubled mind.
Review von Jakob HertlWährend die westliche Welt über Spotify Wrapped und Taylor Swift debattiert, wurden die Spotify-Charts südlich der Sahara in diesem Jahr von nigerianischen Superstars dominiert. In die Liste bekannter Namen wie Asake und Burna Boy reiht sich 2024 auch wieder Ayodeji Ibrahim Balogun alias Wizkid ein. Spätestens seit seinem Feature auf Drakes "One Dance" dürfte der Rapper den meisten ein Begriff sein. Dass der 34-Jährige auch solo seit Jahren erfrischenden R'n'B mit Afro-Vibes liefert, haben jedoch die wenigsten auf dem Schirm.
Sein neuestes Projekt "Morayo" widmet Wizkid seiner 2023 verstorbenen Mutter Juliana Morayo Balogun, die auch das Albencover ziert. Der Name Morayo stammt aus der in Südwest-Nigeria verbreiteten Sprache Yoruba und bedeutet so viel wie: 'Ich habe Freude gefunden'. Dieses Lebensgefühl verbunden mit gleichzeitiger Trauer prägt den starken Auftakttrack "Troubled Mind". Wizkid erzählt davon, innerlich zu heilen und trotz des Verlusts positiv in die Zukunft zu blicken und sein Leben zu genießen.
An das hedonistische Motto knüpft "Karamo" nahtlos an und empfiehlt, im Moment zu leben, statt Sorgen zu viel Raum zu geben ("no karamo" – "kein Drama"). In "Kese (Dance)" singt er "them go feel irie", ein Begriff aus dem jamaikanischen Patois, der innere Zufriedenheit und Entspannung signalisiert. Schnell ist die Message des Albums angekommen: Das Leben trotz negativer Facetten zelebrieren.
Schade, dass sich dafür offenbar alles immer um das Eine drehen muss. Denn nach dem fröhlichen Anfang der Platte rutscht Wizkid lyrisch wieder in das gewohnte Muster: Einerseits vor Intimität und Kitsch triefende Liebeslieder. Auf "Soji" singt er von der perfekten Frau, auf "Time" gesteht er "You keep my body and my soul alive" und verspricht auf "Slow": "God gave me you, girl, no one else I go choose." Andererseits ultrasexuell aufgeladene Lyrics, die einfach nur plump und dämlich erscheinen. Etwa uninspiriert erotische Anspielungen wie "Climb my tower like the Eiffel" ("Break Me Down") oder "I wan chop all your cake" ("Bend"). Ich wiz ja nicht.
Immerhin wird es zum Schluss auf "Pray" noch ein bisschen emotionaler. Wizkid erzählt von seinem Weg raus aus den Ghettos seiner Heimatstadt Lagos. Von den Anfängen als "Lil' Prinz" – seinem ersten Stagename – bis hin zum "Starboy Wizzy". Von seiner Familie und der Überzeugung, seine Mutter bete noch immer für ihn.
Musikalisch ist "Morayo" keine große Überraschung, macht dank der cleanen Produktionen von P2J und der gelungenen Verschmelzung von Afro-Sounds und R'n'B aber trotzdem Spaß. Die modernen Beats werden stets von traditionellen Elementen treu begleitet. Vereinzelt leuchten Highlights wie die Bläser auf "Karamo" oder das Saxophon auf "Kese (Dance)" auf. Auch deshalb bleibt die Platte trotz recht monotonem Soundbild variabel. Immer wieder überraschen organische Klänge, etwa das Streicher-Intro auf "A Million Blessings". Der Kommentar eines Fans auf Genius, "the best song on the album. wizkid wolfgang balogun mozart", geht trotzdem ein bisschen zu weit.
Zum entspannten Vibe des Albums passt Wizkids sanfte Stimme exzellent. Und auch für die Feature-Auswahl gibt es einen fetten Pluspunkt. Hier gilt Qualität vor großen Namen, jeder Gastpart fügt sich ganz natürlich ein: Seien es die souligen Vocals von Brent Faiyaz auf "Piece Of My Heart", der französische Flair von Rapper Tiakola auf "Après Minuit" oder die unglaublich elegante Stimme von Nachwuchssängerin Anaïs Cardot ("Slow").
Sicherlich ist "Morayo" kein bahnbrechend innovatives Werk, vieles von diesem sechsten Studioalbum erinnert an vorherige Songs. Aber die Mischung aus groovigem Rhythmus und relaxter Instrumentierung passt in den musikalischen Trend der Szene. Und mit dem lebensbejahenden Motto trifft Wizkid den Zeitgeist: stets tanzbar, fröhlich und entspannt – trotz troubled mind.
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