laut.de-Kritik
Wild boys never lose it: Mit Frusciante statt Timbaland!
Review von Michael SchuhEs hat etwas Rührendes mitanzusehen, wie vier Endfünfziger, die teilweise schon Großvater-Status erreicht haben, danach lechzen, ihren Sound auf die Tanzflächen zu bekommen. Etwa alle vier Jahre nehmen Duran Duran diesen Plan mit Hilfe junger, angesagter Kollabo-Partner ins Visier, die wiederum zahlreich Schlange stehen, da die Opas halt auch Pop-Legenden-Status innehaben.
Mit Ausnahme des arg lauwarmen 2004er Comebacks "Astronaut" machten sie dabei selten eine schlechte Figur. Das 2007 in Zusammenarbeit mit Timbaland und Timberlake entstandene "Red Carpet Massacre" war mein persönlicher Favorit ihrer Suche nach dem verlorenen Hype. Mit dieser Meinung stand ich ziemlich alleine da, Fans und die meisten Kritiker nahmen den Titel aufgrund angeblich zu schriller Beat-Eskapaden wörtlich. Was schrill wirklich bedeutet, zeigte Timbaland zwei Jahre später auf Chris Cornells Soloalbum "Scream", das ihn zur Persona Non Grata in Alternative-Kreisen machte.
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Duran Duran teilweise selbst eingestanden, dass viel zu wenig "Rio"-Pop in den Songs steckte, wenngleich sie den "Red Carpet"-Flop vor allem aufs Label abwälzten, die mit der Ballade "Falling Down" den völlig falschen Song als Single ausgewählt hätten (was nachvollziehbar ist).
"All You Need Is Now", alles zurück auf Anfang, hieß es dann 2011 und die mit Uptown Funker Mark Ronson entstandene Scheibe leuchtete in Teilen tatsächlich wieder unerwartet intensiv. Und genau dort macht "Paper Gods" weiter.
Man muss es der Band hoch anrechnen, dass sie sich nicht mehr zu sehr von Produzenten reinreden lässt. Ronson brunomarsifizierte hier nichts, sondern muss mit leuchtenden Augen mitangeschaut haben, wie sein Retro-Sound bei den Oldies im Alleingang aus den Synthies waberte. Ronson war es auch, der Nile Rodgers ins Gespräch brachte, mit dem einst "Notorious" entstand. Den weltweit erworbenen "Get Lucky"-Ruhm kanalisiert Rodgers pervers lässig in "Pressure Off", der Duran Duran wieder als große Pop-Funker zurück ins Rampenlicht schiebt. Janelle Monáes Powerorgan heizt den Feier-Refrain zusätzlich an. Auch am Songwriting des ätherischen "Only In Dreams" ist Rodgers beteiligt, was jedoch vergleichsweise zahm gerät.
Sehr gespannt durfte man auf die Beiträge von John Frusciante sein. Der geniale Freak rückte zum Glück mit seinem Stamminstrument an und darf in der großen Hymne "What Are The Chances?" mit urwüchsigem Solo glänzen. Der aalglatte Electro-Funk "Butterfly Girl" mit Tina Turner-Backgroundsängerin Anna Ross erhält seinetwegen dreckige Schlieren und auch im melancholisch-cineastischen Closer "The Universe Alone" brummt er angenehm dagegen - wirklich herausragend sind die Tracks aber nicht wegen Frusciante, sondern einfach weil hier beide Seiten wunderbar harmonieren.
Dass "Paper Gods" kein leicht verdauliches Fast Food wird, verdeutlicht schon der gleichnamige, sieben Minuten lange Opener, der von einer Acapella-Passage in einen schwer zugänglichen Poptrack mündet, bei dem immer wieder das Tempo rausgenommen wird. Dazu richtet Simon Le Bon beinahe schon anklagende Worte an unsere Konsumgesellschaft ("The slaver in a sweatshop / putting trainers on your feet").
Richtig daneben geht eigentlich nur das in Kooperation mit Jonas Bjerre (Mew) entstandene "Change The Skyline" Marke MGMT-Coverband und "Last Night In The City" hält auch nur aus, wer Kieszas angstrengendes Gekiekse als atemberaubenden Vortrag missinterpretiert.
Auch Upbeat, nur viel besser: "Face For Today" mit einem mitreißenden Le Bon und hohem Hit-Potenzial, definitiv das "Rio" der Platte. Praktischerweise gefolgt von "Danceophobia", das in Stuart Price-Manier auf die Basskeule setzt und zwischen Dancefloor-Madonna und Scissor Sisters oszilliert. Unnützes Partywissen: Im Mittelteil hat Lindsay Lohan einen Spoken Word-Part.
Wie die Pop-Yuppies all diese Einflüsse mit noch mehr Gästen zu einem stimmigen Menü zusammen rühren konnten (in "Kill Me With Silence" feat. Mr Hudson dürfen es sogar lässige Trap-Beats sein), wird außerhalb der Fan-Gefolgschaft mal wieder niemanden interessieren. Was extrem schade ist. Für Nick Rhodes ist "Paper Gods" das beste Album seit "The Wedding Album" von 1993 und Eigenpromo hin oder her: Die alten Säcke haben's hier wirklich mal allen gezeigt. Edit: Dass Gitarrist Andy Taylor 2006 die Kurve kratzte, war das Beste was der Band passieren konnte.
7 Kommentare mit 4 Antworten
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Erwartet habe ich nichts, aber selbst das wurde enttäuscht. Kommerz kann auch unterhaltsam sein, hier aber nervt er leider nur. Irgendwie passt das Cover: Ideenlos, überzeichnet postmodern (z. B. wegen der moduliert-überzogenen Kreischgesänge), strukturarm, charakterlos. Diese Musik ändert nichts: Ob sie jemals produziert worden wäre oder nicht, spielt keine Rolle. Vermissen würde ich sie nicht. Damit ist das Album für mich überflüssig und das mit Abstand Schlechteste, was die Band jemals veröffentlicht hat. Null Punkte gäbe es, würde es gehen.
Und noch etwas:
Wo ist die Gitarre? Das Andy an allen Ecken und Enden felt ist klar. Aber auch von Produzenten wie Nile Rodgers und Mark Ronson habe ich mehr erwartet.
Gruß
Oberforstrat
yepp, volle zustimmung. und »astronaut« war nicht lauwarm, sondern leider das beste, was seit dem »wedding album« veröffentlicht wurde.
Ich geh nicht ran. Geh duran duran.
Jetzt nicht wahr. Und DU willst einem was von wegen "Gag nich jut" erzählen? Oh Jottohjott!
Hab das Album jetzt schon 'ne Woche laufen und nur ein Lied entdeckt das raussticht (Change the Skyline). Das reicht nicht mal fuer 2 Sterne. Keine Ahnung was der Redakteur geraucht hat, aber es scheint ziemlich guter Stoff zu sein wenn die Review und das Album so weit auseinander liegen. Ziemlicher übler WeichspülPop, den nicht mal Frusciante retten kann.
klar ist ALL you need is now besser als Paper Goods.
Trotzdem ich find das Album klasse. So viele klasse Songs (Butterfly Girl, You kill me.., Face for Today...) Duran Duran können immer noch super Songs aufnehmen und sie werden nie langweilig. Darum DURAN DURAN macht weiter!!!!!!!!!!!!!!!
Auch das Album zeigt wieder eine Band, die nicht stehen bleibt und trotzdem zu 100 % immer Duran bleibt. Kein Meilenstein, 3 Tracks sind für die Tonne… aber wenn die Beine bei einem Song wie „Butterfly Girl“ ruhig bleiben ist man taub oder schon in die Grube gefahren. Nur die heutigen, super optimierten Produktionen finde ich auf Dauer anstrengender zu hören als frühere hochwertige Aufnahmen oder welche mit Ecken und etwas Schmutz.