laut.de-Kritik
Achtung, eine Durchsage: Bitte gebt uns Rosenstolz zurück!
Review von Sven KabelitzAnNa R. erkennt nach dem Aus von Rosenstolz die Zeichen der Zeit. Egal ob MIA, Silbermond oder Frida Gold, die modische Frau von heute trägt mindestens drei Kerle. Die Damen von Luxuslärm und Juli sogar vier. Der Sound dieser Bands bleibt dabei so austauschbar wie die Knaben im Hintergrund. Von Inkarnation zu Inkarnation nähert er sich mehr dem Schlager-Pop.
Dabei stellt jeder Neuanfang zeitgleich eine Chance dar. In ihr bietet sich jede Möglichkeit, sich von den festgefahrenen Mustern zu trennen, neue Wege auszutesten. Für genau sieben Sekunden des Tracks "Die Chance" scheint es so, als wolle AnNa R. mit ihrer neuen Band Gleis 8 eben diese nutzen. Ein verzerrter, hart angeschlagener Basslauf, wie zu besten Muse-Zeiten, leitet den Song ein. Doch schon im nächsten Moment klimpert das Xylophon wie in MIAs "Tanz der Moleküle" und "Die Chance" verkommt zu einem 08/15-Abklatsch der rosigen Vergangenheit.
In ihren frühen Rosenstolz-Tagen kokettierte AnNa R. mit ihrem glamourösen Image zwischen Glamour und Kitsch. Sie war Schlampe, Königin und Kassengift zugleich. Heute wirkt die Dame so aufregend und wenig austauschbar wie ein Billy-Regal. In den letzten fünfzehn Jahren streifte sie zu Gunsten des Erfolgs ihr ehemaliges Image Haut für Haut ab. Selbst zwischen "Wir Sind Am Leben" und "Bleibt Das Immer So" gerät der Abstieg noch einmal so deutlich, dass einem Pur im direkten Vergleich schon fast wie Prog-Rock vorkommt.
Selbst für Rosenstolz-Hasser sollte schnell klar sein, dass eine abgestumpfte Kopie des Originals nur schlimmer klingen kann. Frau Neuenhofen braucht jemanden, der sie an der Hand nimmt, doch die neuen Mitmusiker Manne Uhlig, Lorenz Allacher und Timo Dorsch bleiben nur meinungsfreie Leibeigene. Sie schreiben zwar die Songs, diese bleiben aber in der fest abgesteckten Koppel der vermeintlichen Erwartungshaltung der zahlenden Kundschaft. Kreativität streng verboten.
Im direkten Gegeneinander unterliegt die Stimme AnNa R. ihrem ehemaligen Songwriter Peter Plate und dessen "Schüchtern Ist Mein Glück". Unfassbar, dass sich dessen formgleiche Durchhalteparolen noch unterbieten lassen. In einem kurzen Moment der Selbsteinsicht bringt AnNa R. in "Ich liebe Dich Nicht" die Zeile "Ungelenk hau ich schräge Plattitüden raus" unters Volk. Wie recht sie doch hat. Wahlweise lässt sich jede Songzeile aus "Bleibt Das Immer So" herauspicken, um diese These zu belegen. Wie wäre es hiermit: "Wir passen nicht zusammen / Wir sind zu verschieden / Und irgendwann hört man auf sich zu lieben." ("Alles Ohne Dich") Oder dieser schönen Zeile aus "Eine Sekunde": "Ich fahre wie auf Schienen / Direkt in dein Gesicht." Na danke. Autschn.
Den Großteil der Lieder bilden austauschbare Midtempo-Nummern oder Balladen nach bekanntem Schema. Nur in "Die Chance" und "Teufel" gehen Gleis 8 mal ein wenig aus sich heraus und erhöhen das Schlagtempo. Die Krone der Belanglosigkeit geht jedoch an die Single "Wer Ich Bin". Ganze zehn Zeilen Nichtigkeit füllt die Lücken zwischen dem sich bis in alle Ewigkeit wiederholenden Refrain. Eine in Noten gegossene Lobotomie, die sich immer wieder um sich selbst dreht. "Aber weißt du wer ich bin / Weißt du wirklich wer ich bin / Weißt du wer ich bin / Wer ich wirklich bin."
Schlägt man der Hydra einen Kopf ab, wachsen zwei neue nach. Für den bevorstehenden Kampf gegen das schlangenähnliche Ungeheuer gab sein weiser Lehrer Herakles einst folgenden paradox anmutenden Rat mit auf den Weg: "Wir erheben uns im Knien, wir erobern durch Hingabe, wir gewinnen durch Aufgabe." Nun gut, wir geben auf. Wir haben unseren Schatten im Spiegel der Hydra gesehen und angenommen. Bitte gebt uns Rosenstolz zurück. Selbst in ihren schlechtesten Momenten sind sie gemeinsam erträglicher als die beiden Nachfolge-Produktionen. Zudem hat man es, ein klarer Vorteil, anstelle von zweien nur mit einem Release zu tun. "Und wir laufen davon / Ins Nirgendwo / Ohne Sinn ohne Ziel / Bleibt das immer so."
30 Kommentare
Das ist hart aber leider wahr, alle austauchbar, hören die sich im Moment alle gleich an.
Alles Pop-Schlager nur keiner steht dazu.
Das ist hart aber leider wahr, alle austauchbar, hören die sich im Moment alle gleich an.
Alles Pop-Schlager nur keiner steht dazu.
Ich mag Pop-Schlager.
Wer hört denn bitte diesen Schmontz?
Kann sich mal ein Gleis-8-Fan melden?
@Ragism:
So ein Käse, hier hat sich niemand angegriffen gefühlt hinsichtlich seines Geschmacks.
Es wurde nur geäußert, was manche hier stört.
Aber wenn man dann als Antwort derartig sich selbst überschätzende und hohle Phrasen wie
?bei laut.de ist es eben wie im leben.?
bekommt, dann ist das schon wieder unterhaltsam.
so ist es wohl, radiohead9. gleis 8 sind mir scheißegal. mir geht hingegen die art und weise, wie sich bestimmteleute hier selbst feiern, auf den Keks. da ist einem wohl das bisschen internetruhm zu kopf gestiegen.