Porträt

laut.de-Biographie

Mavis Staples

Von der singenden Familie zur zeitweise einflussreichsten spirituell motivierten Gesangs-Gruppe der USA: Die Staple Singers haben diesen Weg beschritten. Wie kaum eine andere Formation benutzen die Staples die Kraft aus dem Glauben, um sie im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeiten einzusetzen. "Die Lage hat sich verbessert, aber wir sind noch lange nicht am Ziel", so Mavis Staples. "Und wir werden niemals umkehren."

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1915 erblickt in Winona in Mississippi ein Knabe mit Namen Roebuck das Licht der Welt. Als "Pops" Staples tritt der bald gut beleumundete Blues-Gitarrist 1949 mit seinen beiden Töchtern Cleotha und Mavis sowie seinem Sohn Pervis in einer Kirche in Chicago auf. Die Gemeindemitglieder bezeugen den Beginn einer beeindruckenden Entwicklung.

Mavis Staples, geboren am 11. Juli 1939 in Chigaco, erinnert sich: "Als wir anfingen zu singen, taten wir das nur zu unserer eigenen Unterhaltung. Eine Karriere hatte damals niemand im Sinn." Von Anfang an teilt sich Mavis die Leadvocals mit ihrem Vater, der die Verantwortung für das Songwriting trägt und zudem seine Staple Singers auf der Gitarre begleitet.

"Ich tat, was ich tun musste und was Gott für mich vorgesehen hatte. Meine Stimme ist ein Gottesgeschenk, ich habe eigentlich keine Ahnung von Musik. Ich weiß die Hälfte der Zeit nicht einmal, welche Noten ich singe - es kommt alles von alleine. Das ist, wozu ich berufen bin."

Die Staple Singers interpretieren akustische Gospel-Songs und Spirituals im ländlichen Stil des amerikanischen Südens, und sie tun dies in Kirchen in der Umgebung sowie in einer wöchentlich ausgestrahlten Radiosendung. Anfangs hat Mavis noch Probleme, nicht übersehen zu werden. Überhören konnte man ihren Gesang mit hohem Wiedererkennungswert niemals:

"Ich hatte diese große Stimme, nur konnten die Leute nicht sehen, woher sie kam. Sie stellten mich schließlich auf einen Stuhl, weil ich so klein war", blickt sie auf ihre Anfänge zurück. "Nachdem ich gesungen habe, kamen Leute mit Tränen in den Augen zu mir und drückten mir Geld in die Hand. Meine Mutter musste mir Taschen in mein Kleid nähen, weil ich die Münzen immer aufs Klavier oder sonstwo hingelegt und dann vergessen habe."

Verschiedene Labels produzierten Aufnahmen mit den Staple Singers, darunter United und der Familienbetrieb Vee-Jay, eines der wenigen schwarzen Rhythm and Blues-Labels seiner Zeit, das auch auf einem weißen Markt Bedeutung erlangt. 1956 landen die Staples mit "Uncloudy Day" hier den ersten Treffer. Ein Jahr später begibt sich die Familie, kaum dass Mavis ihren Highschool-Abschluss in der Tasche hat, auf Tour.

Später wechselt die Gruppe über das Jazz- und Folk-Label Riverside 1965 zu Epic. Der Folk-Boom reißt die Familie mit und beschert ihnen zwei Jahre später mit "Why (Am I Treated So Bad)" und "For What It's Worth", einer Coverversion einer Nummer von Stephen Stills, erste Erfolge auf dem Mainstream-Pop-Markt.

1968 wechseln die Staple Singers zum (später legendären) Memphis-Label Stax und singen in Zusammenarbeit mit Steve Cropper und mit Booker T & The MGs als Backing-Band zwei Alben ein. 1970 verlässt Pervis Staples die Gruppe, ihn ersetzt seine Schwester Yvonne.

Etwa zur gleichen Zeit übernimmt Al Bell die Produktion und lenkt den Output der Staple Singers in eine Soul- und Funk-lastigere Richtung. 1972 verzeichnen sie mit "I'll Take Your There" ihren ersten Nummer-eins-Hit. Ihre Fassung von "Respect Yourself" stürmt gleichermaßen die R'n'B- wie die Pop-Charts und soll nicht die letzte Erfolgssingle mit Stax bleiben.

Die Staple Singers setzen bereits seit Mitte der 60er Jahre auf "Message Songs", Lieder, die eine Botschaft enthalten, und schwingen sich mit Nummern wie "Long Walk To D. C." oder "When Will We Be Paid" zu Stimmen der Bürgerrechtsbewegung auf: eine Entwicklung, die nicht zuletzt auf die enge Freundschaft zwischen Pops Staples und Dr. Martin Luther King Jr. zurückgeht.

"Nachdem wir Dr. King getroffen hatten, schwenkten wir um: von reinen Gospelstücken zu Protestsongs, zu Freedom-Songs", schaut Mavis zurück. "Wir haben uns allerdings nie sehr weit vom Gospel wegbewegt. Wir sangen Lieder voller Inspiration, um die Leute aufzurichten. Musik ist so eine gute Sache: Sie kann heilen, dich zum Tanzen bringen, zum Lächeln oder zum Weinen. Musik beruhigt und tröstet."

Bereits 1969 nimmt Mavis noch unter der Obhut von Stax unter dem schlichten Titel "Mavis Staples" ihr Solodebüt auf. "Only For The Lonely" folgt ein Jahr später. Nachdem Stax in finanzielle Schwierigkeiten gerät, unterschreiben die Staple Singers bei Curtis Mayfields Label Curtom. Mayfield produziert sowohl "Let's Do It Again" (1975 der letzte große Hit der Gruppe, an dessen Erfolg nachfolgende Stücke nie wieder heran reichten) als auch zwei Jahre darauf Mavis' Soundtrack-Album "A Piece Of The Action".

Nach einem kleinen Ausflug ins Ende der 70er florierende Disco-Metier, in den Elektropop der 80er (unter der Regie des Trios Holland - Dozier - Holland) kollaboriert Mavis mit Prince und veröffentlicht die nächsten beiden Alben auf Paisley Park. "The Voice" wählt das People-Magazin 1993 unter die zehn besten Alben des Jahres. Die Staple Singers covern unterdessen den Talking Heads-Hit "Slippery People" und tun sich 1994 für "The Weight" mit Country-Sänger Marty Stuart zusammen.

Mavis Staples kehrt 1996 zu ihren Gospel-Wurzeln zurück. Mit "Spirituals & Gospel" veröffentlicht sie gemeinsam mit Keyboarder Lucky Peterson ein Album, das Mahalia Jackson, einer von Mavis sehr verehrten Freundin der Familie gewidmet ist. Mavis tritt in etlichen Filmen und zahlreichen Fernseh-Shows, darunter auch die "Bill Cosby Show", auf.

Mavis Staples - We Get By
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1999 werden die Staple Singers, "Gods Greatest Hitmakers", in die Rock And Roll Hall of Fame aufgenommen. Gerade noch rechtzeitig: Im Dezember 2000 erliegt Pops Staples den nach einer Gehirnerschütterung auftretenden Komplikationen.

Bevor die Staple Singers 2005 mit dem Grammy für ihr Lebenswerk geehrt werden, erscheinen von Mavis Staples zunächst Bonus-Tracks zum 1970er Album "Only For The Lonely" (2002) und dann mit "Have A Little Faith" 2004 eine Kollektion optimistischer, kraftvoller, tief in Vertrauen und Spiritualität wurzelnder Gospel-Songs mit Soul- und R'n'B-Anklängen. Bei der Produktion lässt sie sich von Jim Tullio zur Hand gehen. Das Album erscheint auf dem Blueslabel Alligator - für Mavis kein Widerspruch: "Blues und Gospel sind eng verwandt. Beides befreit von allem, das einen zu Boden drückt."

Über die Jahre kollaboriert Mavis Staples mit zahllosen Künstlern. Sie steht mit The Band, Ray Charles, Ann Peebles, Janis Joplin, Pink Floyd, Santana, Tom Petty & The Heartbreakers, Los Lobos, Aretha Franklin und zahllosen anderen auf der Bühne. Sie schreitet an der Seite Dr. Martin Luther Kings und begeistert die amerikanischen Präsidenten Kennedy, Carter und Clinton.

Mavis' "Gotta Change My Way Of Thinking" mit Bob Dylan wird 2003 in der Kategorie "Best Pop Collaboration with Vocals" für den Grammy vorgeschlagen. Hip Hop-Stars von Ice Cube über Salt'n'Pepa bis zu Ludacris samplen ihre Songs. VH 1 rechnet die laut dem Rolling Stone-Magazin "unterschätzteste Diva des Jahrhunderts" zu den "100 Greatest Women of Rock and Roll".

2006 nimmt Mavis Staples den National Endowment for the Arts Lifetime Award entgegen, einen Preis, der 1998 ihrem Vater verliehen wurde. "Ich bin stolz und glücklich. Ich wollte immer in seine Fußstapfen treten."

2007 dreht die Lady wieder auf. Gemeinsam mit Ry Cooder nimmt sie "We'll Never Turn Back" auf, das, wie sie selbst meint, persönlichste und polemischste Album ihrer Karriere. Erdig und handgemacht der Sound, zu dem der Blick stolz und ohne Reue über die eigene Vergangenheit gleitet.

Mavis Staples personalisiert traditionelle Lyrics, indem sie eigene Gedanken und Erinnerungen einflicht und brilliert mit einer Stimme, in der gelebtes Leben, Erfahrung und Weisheit mitschwingen.

"We'll Never Turn Back" erscheint im April 2007. Mavis Staples ist in der "Today Show", bei Jay Leno und David Letterman zu Gast. Im Mai gibt sie, unterstützt von einer Backing-Band, in der unter anderem Ry Cooder und Mike Elizonzo spielen, zwei Konzerte im Apollo Theater in New York City.

Für "You Are Not Alone", das 2010 erscheint, arbeitet Mavis Staples eng mit Jeff Tweedy von Wilco zusammen. Eine Kooperation, die sich bewährt: "One True Vine" setzt die gemeinsame Arbeit 2013 fort.

"Ich habe so viel Zeit darauf verwendet, Menschen zum Weinen zu bringen", rekapituliert Mavis Staples 2016. "Nicht aus Traurigkeit, sondern weil ich immer von einem Teil unserer Geschichte erzählt habe, der uns runtergezogen hat. Jetzt will ich versuchen, uns wieder aufzurichten." "Livin' On A High Note" enthält folglich ausschließlich positiv gestimmte Songs.

Der Nachfolger "If All I Was Was Black", der 2017 auf den Markt kommt, knüpft lyrisch daran an, weist aber wieder vermehrt sozialkritische Töne auf. Außerdem arbeitet sie für diese Scheibe das dritte Mal mit Jeff Tweedy zusammen, der alle Tracks komponiert und produziert. 2019 kommt es dann zu einem Wechsel am Mischpult: Auf "We Get By" übernimmt Ben Harper, der auch die Stücke schreibt.

Mavis Staples' beseelter Gesang wirkt wie eine Zeitreise durch die Geschichte der schwarzen Musik, von Spirituals, Gospel und Blues über die Protestsongs der Bürgerrechtsbewegung zu Funk, Soul und R'n'B.

Die unbändige Kraft, die aus jeder Note strömt, zieht sie aus ihrem Glauben - und aus ihrer Arbeitseinstellung: Bei allem, das sie tut, gibt Mavis Staples einhundert Prozent. "99 and 1/2 just won't do."

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